Vorwurf der Sicherheitsverstöße
Seit Februar campieren Aktivisten in einem Wald bei Grünheide, um gegen die nahe Tesla-Fabrik zu protestieren - bis die Gemeinde eine Suche nach Munitionsresten veranlasste. Nun wird das Camp geräumt, doch die Polizei kommt nur langsam voran.
Die Polizei räumt das Protestcamp von Tesla-Gegnern im Wald nahe der Autofabrik in Grünheide (Oder-Spree). Seit fast neun Monaten hielten sich dort Umweltaktivisten in einem Waldstück auf, um gegen das Autowerk von Elon Musk zu protestieren.
Die Polizei hatte die Versammlung der Tesla-Gegner am Dienstag um 10:17 Uhr offiziell aufgelöst. Das bestätigte Polizei-Sprecherin Beate Kardels dem rbb. "Die Entscheidung ist dauerhaft und auch unverzüglich", sagte sie am Mittag.
Das Camp sei aufgelöst worden, auch Folgeveranstaltungen seien verboten, sagte Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Abend in rbb24 Brandenburg aktuell. Stübgen zufolge befindet sich noch eine "einstellige Zahl von Protesterln" in den Bäumen. Die Räumung werde am Mittwoch fortgeführt.
Eine Sprecherin der Initiative "Tesla stoppen" kündigte an, der Protest werde weiter gehen. "Auf welchem Wege, das werden wir erst einmal sehen", sagte sie dem rbb.
Vor der offiziellen Ankündigung am Dienstag, das Camp zu beenden, hatte es seit Montag einen Polizeieinsatz gegeben.
Die Gemeinde Grünheide will das Waldstück, in dem auch teilweise das Protest-Camp liegt, auf Kampfmittel untersuchen lassen. Dafür müssen laut Polizei eine Sondierungsfläche - sie ist 5.000 Quadratmeter groß - und ein 50-Meter-Sicherheitsradius geräumt sein.
Die Umweltaktivisten wurden daher am Montag aufgefordert, einen Teil ihres aufgebauten Camps für eine bestimmte Zeit zu räumen. Weil Aktivisten aber im eingerichteten Sperrgebiet blieben, holten Höhenretter sechs der Aktivisten aus den Bäumen, andere blieben aber in den Baumhäusern.
Zum Einsatz am Montag erklärte die Polizei zunächst, es handle sich nicht um eine Räumung, sondern um eine vorübergehende "Freimachung" des Geländes. Die Versammlungsfreiheit bleibe gewahrt, da die Campbewohner sich während der Sondierungen außerhalb des Sperrkreises aufhalten dürften.
Tesla-Gegner sahen in der Kampfmittelsuche jedoch einen Vorwand, das Gebiet von der Polizei räumen zu lassen und die Versammlungsfreiheit zu untergraben. Die Bürgerinititative Grünheide sieht in dem Polizeieinsatz eine Provokation. "Ich glaube, es ist so gewollt, dass sie es so eskalieren lassen wollten, dass das Camp jetzt geräumt wird", sagte Manuela Hoyer von der Initiative dem rbb.
Zu dem Vorwurf, die Munitionssuche sei nur Taktik, sagte Innenminister Stübgen: "Wir wissen es nicht genau, ob dort Bomben und andere Munitionsreste liegen. Aber wir müssen ausschließen, dass dort welche liegen könnten." Das sei Gefahrenabwehr. Im Umfeld des Protestcamps seien "erhebliche Munitionsmengen" gefunden worden. Stübgen sprach von zwei 250-Kilo-Bomben und weit über 1.000 Kampfmitteln, die allein im vergangenen Sommer in der Nähe gefunden worden seien.
Am Dienstagmorgen hatte die Polizei zunächst versucht, die noch verbliebenen Teilnehmer des Protestcamps aus dem Sperrkreis zu bringen. Wenig später wurden diese über die vollständige Auflösung des Camps informiert. Grund seien Verstöße gegen die Versammlungsauflagen, gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, hieß es von der Polizei. Es habe keine Möglichkeit gegeben, über eine Versammlungsleitung Einfluss auf die Aktivisten zu nehmen. Grund für die Auflösung seien auch "Straftaten, die am gestrigen Tag verzeichnet worden sind, sowie der Ausblick, dass die Versammlung hier darauf ausgerichtet ist, die weiteren Sondierungsarbeiten dauerhaft zu behindern", sagte Polizeisprecherin Kardels dem rbb.
Nach Angaben von Reportern waren mehr als 100 Beamte vor Ort. Nach der offiziellen Auflösung durch die Polizei am Vormittag sei den Aktivisten noch Zeit eingeräumt worden, die Baumhäuser in dem Waldstück zu räumen und persönliche Dinge zu packen, hieß es.
Einige der Aktivisten, die sich in den Bäumen aufhielten, verließen diese im Laufe des Dienstags nach Aufforderung freiwillig, hieß es von der Polizei. Andere seien von Höhenrettern der Polizei "begleitet" worden. Nach AFP-Angaben wurden vier Personen vorübergehend festgenommen, unter anderem wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot.
Mit Einbruch der Dunkelheit am Dienstagnachmittag wurde der Einsatz der Höhenretter vorübergehend beendet, sagte eine Polizeisprecherin. Falls die Menschen die Bäume nicht über Nacht freiwillig verließen, werde der Einsatz am Mittwochmorgen fortgesetzt.
Laut Polizeisprecherin Kardels begannen Polizeikräfte am Dienstag auch mit ersten Abräumarbeiten im Camp.
Die Aktivisten selbst reagierten empört und mit Unverständnis auf die Räumung. "Es ist auf jeden Fall eine weitere Provokation und Eskalation. Für unseren Protest und Widerstand", sagte Sprecherin 'Mila' von "Tesla stoppen" dem rbb. Zudem sei die Situation für die Besetzer aufgrund des Wetters gefährlich. "Es regnet in Strömen. Menschen hängen in den Bäumen. Es wurden schon Traversen oder Walkways, wo Leute halt drin hingen, durchgeschnitten."
Die Sprecherin bezeichnet die Maßnahmen der Polizei als unverhältnismäßig und kündigte weiteren Widerstand an. Ein Widerspruch oder eine Beschwerde gegen die Räumung werde derzeit noch geprüft, hieß es weiter.
Die Initiative "Wasserbesetzung Tesla stoppen" monierte, Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg stellten für eine normale Waldnutzung keine Gefahr dar; die Beseitigung sei nur erforderlich, wenn Baumaßnahmen erfolgen sollten. Mit den Sondierungsmaßnahmen werde offensichtlich die Werkserweiterung von Tesla vorbereitet, obwohl dies nicht dem Willen der Grünheider Bürgerinnen und Bürger entspreche.
Tesla-Gegner kündigten kurz nach der Entscheidung zur Räumung einen "Waldspaziergang" am Samstag in Grünheide an.
Auf Unterstützung stieß die Auflösung des Camps bei Politikern im Brandenburger Landtag. "Es ist auch kein rechtsfreier Raum, hier muss die Polizei auch Recht und Ordnung durchsetzen", sagte SPD-Fraktionschef Daniel Keller in Potsdam. "Ob dann im Nachgang der Protest an der Stelle wieder fortgesetzt wird, das muss dann in Zukunft geklärt werden." Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann sagte: "Die Protestierer haben den Pfad der Kooperation verlassen."
Die Umweltschützer protestieren bereits seit Februar in dem Wald gegen die geplante Erweiterung des Werks, weil dafür Bäume gefällt werden und aus ihrer Sicht das Trinkwasser gefährdet wird. Am 15. Oktober erteilte das Brandenburger Umweltministerium eine erste Teilgenehmigung für die Erweiterung.
Tesla will perspektivisch seine Produktion in Grünheide auf eine Million Fahrzeuge pro Jahr verdoppeln. Auch die Produktionskapazität der Batteriezellfertigung soll von derzeit 50 auf dann 100 Gigawattstunden pro Jahr steigen. Dazu teilte Tesla die Genehmigungen in mehrere Teilabschnitte auf.
Die Prüfungen nach Kampfmitteln in dem Wald laufen bereits seit dem Sommer. Bereits vor Monaten waren im Zusammenhang mit Untersuchungen auf der geplanten Erweiterungsfläche des Tesla-Geländes zwei Weltkriegsbomben entdeckt und entschärft worden.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 19.11.2024, 19:30 Uhr
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