Wissenschaftskommunikation
Wissenschaftler stehen selten im Rampenlicht, viele Forschungsprojekte laufen unter dem Radar der Öffentlichkeit. Wie kann die Bevölkerung – gerade in Zeiten von Fake News – besser über wichtige Forschungsergebnisse informiert werden? Von Marija Uma Tomase
Ob in Nachrichten, Posts oder Videos: Fake News, also gefälschte Nachrichten, gehören inzwischen zum täglichen Leben dazu. Das hat möglicherweise auch direkte Auswirkungen auf das Verhältnis zur Wissenschaft. Wie Daten aus der Wissenschaftsbarometer-Studie 2023 [bundesverband-hochschulkommunikation.de] belegen, vertraut nur noch etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland der Wissenschaft. Die Zahl derer, die der Wissenschaft nicht oder eher nicht vertrauen, steigt seit Jahren.
Was kann man also diesem Vertrauensverlust entgegensetzen? Eine mögliche Antwort könnte verstärktes Kommunizieren über Wissenschaft sein. 37 Prozent der Befragten beim Wissenschaftsbarometer finden, dass sich Wissenschaftler zu wenig Mühe geben, die Öffentlichkeit über ihre Arbeit zu informieren. Aber wie funktioniert eigentlich Wissenschaftskommunikation und wie kann man sie verwenden?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten der wissenschaftlichen Kommunikation. Einerseits kommunizieren Forscher:innen direkt mit der Bevölkerung, zum Beispiel auf Blogs, in öffentlichen Vorlesungen oder auch über Social Media. Andererseits gibt es die Vermittlung durch Dritte, zum Beispiel, wenn Journalist:innen über wissenschaftliche Inhalte berichten.
Die Ausgangsfrage ist aber bei beiden: Woran wird zurzeit geforscht? Wer früher diese Frage beantworten wollte, musste umständliche Wege in Kauf nehmen. "Früher gab es Vorträge in der Urania", erinnert sich Alexandra Schulz, die an der TU Berlin Weiterbildungsprogramme zum Thema Wissenschaftskommunikation konzipiert. Das Bildungszentrum Urania in Berlin-Schöneberg bietet bereits seit dem 19. Jahrhundert Informationsveranstaltungen an, um Wissenschaft für die Bevölkerung verständlicher zu machen.
Heute gebe es viele neue Formate, die genau das ermöglichen, erklärt Schulz. Wichtig sei aber dabei: "Wir müssen schauen, dass die Menschen nicht nur zur Wissenschaft kommen, sondern die Wissenschaft zu den Menschen."
Liliann Fischer von Wissenschaft im Dialog beobachtet einen ähnlichen Trend: "Wir haben uns weiterentwickelt hin zu einem starken Fokus auf Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern." Doch trotz dieser Bemühungen seitens der Wissenschaft bleibt das Thema Forschung und ihre Kommunikation in der Gesellschaft eher ein Randaspekt.
Mehr Wissenschaftskommunikation könnte aber auch das Gegenteil von mehr Verständnis bewirken. Man könne sich das ähnlich wie bei einem Rummel vorstellen, erklärt Franco Zotta vom Science Media Center: "Wenn Sie auf einem Marktplatz stehen mit 1.000 Ständen und alle brüllen auf Sie ein, wen hören Sie dann überhaupt noch. Erstmal ist es ein Chor, der bringt Sie eben durcheinander. Dann würde man wahrscheinlich die hören, die am lautesten sind."
Können wissenschaftliche Botschaften auf so einem Marktplatz überhaupt durchdringen? Hier kommt der Journalismus ins Spiel. Wissenschaftsjournalisten könnten die relevanten Botschaften identifizieren und diese verstärkt in die Welt raustragen. "Selbst eine stille Stimme, die aber was Wichtiges zu sagen hat, sollte der Journalismus finden, weil er sich nicht nach der Überwältigungskommunikation richtet", sagt Zotta. Doch der Wissenschaftsjournalismus gerät in Zeiten von immer neuen Sparrunden zunehmend unter Druck. "In regionalen Medienhäusern finden Sie praktisch keine Wissenschaftsredaktion mehr", sagt Zotta.
Es sind schwierige Zeiten für die Wissenschaft und ihre Vermittlung. Die beiden Kommunikationsfelder sind auf ihre gegenseitige Hilfe angewiesen: "Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation müssen auf jeden Fall ineinandergreifen und miteinander einhergehen", betont Liliann Fischer.
Um dem Rummel-Szenario zu entgehen, muss die Wissenschaftskommunikation zudem kritische Selbstreflexion betreiben. Warum wird die eigene Forschung kommuniziert und an wen? Die berühmte "breite Öffentlichkeit" gebe es einfach nicht, sagt Fischer. "Die Bevölkerung teilt sich auf in eine große Vielzahl an verschiedenen Teil-Öffentlichkeiten mit verschiedenen Interessen, Hintergründen, Fragen und Bedürfnissen."
Schließlich müssen aber auch die Erwartungen der Bevölkerung an die Wissenschaftler:innen und deren Kommunikation realistisch sein. Fischer glaubt, dass Wissenschaftskommunikation durchaus eine Rolle beim Entgegenwirken von Fake News spielen kann. Gleichzeitig solle man nicht annehmen, dass Wissenschaftskommunikation alleine darin bestehen kann, Fake News zu bekämpfen und die Demokratie zu retten. Aber man könne deren Verbreitung eindämmen.
Für Alexandra Schulz von der TU Berlin bildet die Vermittlung von Forschung den ersten von vielen Schritten in Richtung medialer Aufklärung. Sie sieht auch weitere Chancen. "Wissenschaftskommunikation kann aus meiner Sicht ein Baustein sein, um zu sagen: Daran arbeiten wir, das sind Lösungen, die sind auf dem Weg. Und wer schaut, wird feststellen, was es für tolle Entwicklungen gibt."
Trotz der Herausforderungen und vielen Krisen sieht sie im Kommunizieren von Wissenschaft auch eine Quelle der Zuversicht.
Dieser Text ist im Rahmen des Programms "rbb young reporters 2024" entstanden.
Beitrag von Marija Uma Tomase
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