rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Quelle: rbb / Schneider

Erste Ampel am Potsdamer Platz

Berlin sieht Rot - seit 100 Jahren

Seit genau 100 Jahren wird der Verkehr in Berlin durch Ampeln geregelt - den Anfang machte ein dunkelgrünes Türmchen am Potsdamer Platz. Sich daran zu gewöhnen, fiel den Menschen zunächst schwer. Ein Fußgänger starb gleich am ersten Tag.

Berlins erste Ampel feiert 100. Geburtstag: Am 15. Dezember 1924 wurde der kleine Turm am Potsdamer Platz eingeschaltet. Er war nicht nur die erste Verkehrsampel in Berlin, sondern auch in Deutschland.

Der Architekt Jean Krämer hatte den damals topmodernen Lichtturm entworfen, Siemens hatte ihn gebaut. Krämer war in den 20ern ein äußerst produktiver Architekt, er leitete zuvor das Atelier von Peter Behrens - den kennt man in Berlin zum Beispiel wegen der von ihm erdachten AEG-Hallen in Moabit und im Wedding , dem Berolinahaus am Alex sowie dem späteren Fernsehwerk in Oberschöneweide. Krämer sah sich als Mann der neuen Zeiten. Eine Gedenktafel am Ampelturm am Potsdamer Platz erinnert heute an ihn.

Die Ampel im Jahr 1929 - damals war der Potsdamer Platz der verkehrsreichste Europas. | Quelle: SZ Photo/Scherl

Vorher Verkehrsregelung per Trompete

Die Idee, Verkehr mit einer Lichtsignalanlage zu regeln, kam nicht von Krämer. Die erste Ampel der Welt wurde am 10. Dezember 1868 auf dem Parliament Square in London aufgestellt und mit Gaslicht betrieben. Sie explodierte. Als erste elektrische Ampel gilt eine Anlage von 1914 in Cleveland, USA. Die ersten dreifarbigen Exemplare standen 1920 in New York und Detroit, die erste Europas blinkte in Paris.

Berlin zog nach und ließ den dunkelgrün lackierten Turm an einem Montag zum ersten Mal leuchten. Zunächst war er umstritten, weil viele Menschen es nicht einsahen, Anweisungen von einem Lichtsignal entgegenzunehmen. Doch die Ampel war überfällig: Vorher hatten bis zu zehn überforderte Schutzmänner gleichzeitig versucht, den Verkehr mit Trompeten, Trillerpfeifen und Händen zu regeln - was im Übrigen auch deutlich teurer war, als das grüne Türmchen.

Offensichtlich fiel es Verkehrsteilnehmern aber schwer, sich an die Neuerung zu gewöhnen: Gleich für den ersten Tag meldete das "Berliner Tageblatt" einen Unfall an Ort und Stelle: Durch "eigene Unvorsichtigkeit beim Überqueren des Potsdamer Platzes" sei der 60 Jahre alte Reichsbankrat Adolf Voigt aus Charlottenburg von einer Pferdedroschke angefahren und auf den Boden geschleudert worden. Voigt habe "kein Augenmerk auf den neuen Verkehrsturm gerichtet", hieß es in der Meldung. Er starb am nächsten Morgen.

Befehle per Lichtsignal? Soweit kommts noch! Anfangs hatten viele Berliner Autofahrer so gar keine Lust auf dieses Ding. | Quelle: rbb / Schneider

Zuerst gings nur mit Stoppuhr

"Das Wiederaufleben des durch den Krieg und die ersten Nachkriegsjahre gedrosselten Berliner Verkehrs", schrieb die "Vossische Zeitung" zur Eröffnung. Weil fünf Straßen auf den Platz mündeten, erhielt der stählerne Turm auch fünf Seiten. Auf jeder Seite leuchteten drei Lampen waagerecht nebeneinander. Im verglasten Signalturm saß ein Polizist, früher auch "Verkehrsschupo" genannt, der mit einer Stoppuhr die Zeit maß, Schalthebel umlegte und die Lampen zum Leuchten brachte. Unnützes Wissen: Der Erste hieß Friedrich Lange und war 39 Jahre alt. Er überarbeitete sich nicht, denn die neue Technik war nur für begrenzte Zeit in Betrieb: vormittags dreieinhalb Stunden und nachmittags drei Stunden lang.

Doch die Ampel entwickelte sich schnell zu einem Wahrzeichen des modernen Berlins der 1920er Jahre und war auf vielen Postkarten abgebildet. Der Potsdamer Platz galt als der verkehrsreichste Platz Europas mit 26 Straßenbahnlinien, fünf Buslinien und 20.000 Autos täglich. Die Berliner verloren allerdings schnell ihre Begeisterung für Ampeln, die bald an jeder größeren Kreuzung auftauchten. Die erste zentral gesteuerte Lichtsignalanlage bescherte 1926 ein großes Verkehrschaos, weil alle Ampeln gleichzeitig auf Grün wechselten.

Heute mehr als 2.100 Ampeln in Berlin

Sonderlich lange war die Ampel auf dem Potsdamer Platz nicht einmal in Betrieb: Schon 1937 wurde der originale Verkehrsturm abgebaut - mit dem Bau des unterirdischen S-Bahnhofs Potsdamer Platz. Nach dem Krieg gab es im "Dreiländereck" zwischen den Sektoren der Besatzungsmächte lange keinen Bedarf für eine neue Ampel. Mit dem Bau der Mauer wurde der Platz jahrzehntelang zur Brache. Verkehrstürme mit eingebauten Ampeln gerieten spätestens in den 1960ern aus der Mode. Seit dem Jahr 2000 aber steht eine Nachbildung als Denkmal und beliebtes Fotomotiv wieder am ursprünglichen Ort auf dem Potsdamer Platz.

Sie leuchtet immer noch, im Rhythmus ihrer Nachfolgerinnen. Inzwischen gibt es in Berlin mehr als 2.100 Ampeln. Zwei Wochen seines Lebens verbringt der westliche Mensch rein statistisch beim Warten an solchen Gerätschaften.

Sendung: rbb 88.8, 15.12.2024, 9 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen