rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama

Leider gibt es ein Problem beim Abspielen des Videos.

Video: rbb24 | 02.12.2024 | Roman Garthoff | Quelle: imago images/Dreamstime

Wenn zu viel geklaut wird

Reformhaus-Kette bangt nach Ladendiebstählen um die Existenz

Die Zahl der Ladendiebstähle steigt in der Hauptstadt rasant an. Die Reformhaus-Kette "Demski" wird so arg beklaut, dass das Berliner Familienunternehmen um seine Existenz fürchtet. Yasser Speck und Roman Garthoff haben sie besucht.

Carolin Demski steht in ihrem Geschäft in Berlin-Charlottenburg und packt frisch angekommene Waren aus: Gesichtscremes, Heilerde und frische Säfte sind geliefert worden. Sie und ihr Mann Marc-Andreas Demski betreiben zusammen die Reformhaus-Kette "Demski" mit derzeit acht Filialen im gesamten Berliner Stadtgebiet - und einer stabilen Stammkundschaft.

Im Geschäft duftet es nach ätherischen Ölen und Tee, im Hintergrund läuft leise Musik. Doch der Schein der heilen Welt trügt. Die Cremeverpackungen sind leer. Die Honiggläser nur Attrappen, die Nahrungsergänzungsmittel sind hinter Glastüren verschlossen und jede einzelne Olivenöl-Flasche hat eine Diebstahlsicherung. Denn bei "Demski" wird richtig viel geklaut.

10.000 Euro Schaden - pro Woche

Gestohlen wird alles, besonders auf Olivenöl und teure Nahrungsergänzugsmittel haben es die Diebe abgesehen. Deshalb stehen diese Waren jetzt hinter Glas oder sind mit Diebstahlsicherungen versehen. "Sowas kann man heute gar nicht mehr unverschlossen in den Laden stellen", sagt Marc-Andreas Demski.

Sprunghaft angestiegen sind die Ladendiebstähle etwa vor ein oder zwei Jahren, sagt Demski. Mittlerweile hätten sie dramatische Ausmaße angenommen. "Pro Woche müssen wir davon ausgehen, dass uns in der Summe rund 10.000 Euro gestohlen werden", fasst Demski das Problem zusammen. "Das sorgt bei uns für schlaflose Nächte und es ist mittlerweile so schlimm, dass es existenzbedrohend für uns ist." Sein Job mache Demski immer weniger Spaß, sagt er. "Schon allein dieses Misstrauen, was man jedem, der den Laden betritt, entgegenbringen muss, ist etwas, das die Lebensqualität zerstört", sagt der Reformhausbesitzer.

Marc-Andreas Demski und Carolin Demski in ihrer Filiale in Berlin-Charlottenburg. | Quelle: rbb|24/ Speck

Für die Kundinnen und Kunden hat sich durch die Situation das Einkaufserlebnis drastisch verändert, sagt Demski. "Wenn ich als ganz normaler ehrlicher Kunde hier einkaufen gehen möchte und ich stehe nur noch vor verschlossenen Glasscheiben und vor leeren Packungen, ist das ja kein Einkaufserlebnis mehr." Und das Gefühl, überall von Kameras gefilmt und mit Misstrauen empfangen zu werden, sei auch für die Kunden nicht schön.

Doch die Kameras brauchen die Demskis, um im Nachhinein die Diebe zu entdecken. So standen sie vor kurzem an einem Morgen vor einem leeren Schokoladenregal - auf dem am Vortag noch rund 100 Tafeln lagen. In der Kamera-Aufzeichnung sahen sie Erstaunliches: Ein Mann räumte mitten am Tag das ganze Regal leer, verstaute die Tafeln sorgfältig im Rucksack. Dieser Dieb kam davon.

Wenn sie jemanden auf frischer Tat ertappen, dann rufen die Demskis die Polizei. Meist gibt es dann eine Anzeige oder eine Geldstrafe sowie ein Hausverbot. Im schlimmsten Fall drohen Täter:innen für Ladendiebstahl sogar bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Über 100 Ladendiebstähle täglich in Berlin

Das Ehepaar Demski ist mit seinem Problem nicht allein. Auch bekannte Supermarkt-Ketten berichten rbb|24 auf Nachfrage von teils massiv gestiegenen Zahlen bei Ladendiebstählen. Vor allem in den vergangenen Jahren soll die Zahl zugenommen haben. Das bestätigt auch die Polizei. 2023 wurden laut der bundesweiten Kriminalstatistik über 400.000 Ladendiebstähle in Deutschland registriert. Ein Plus von 23 Prozent zum Vorjahr.

Auch in Berlin wird immer mehr geklaut. Das bestätigt die Berliner Polizei auf Nachfrage und liefert Zahlen: Im Jahr 2023 wurden in der Hauptstadt knapp 40.000 Ladendiebstähle erfasst. Das sind knapp 5.000 mehr als 2022 und rund 10.000 mehr als noch 2021. Die Aufklärungsquote der Ladendiebstähle ist hoch. Von den 40.000 erfassten Fällen konnte die Polizei 35.000 aufklären.

Warum immer mehr geklaut wird, dazu kann die Polizei keine Auskunft geben. Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, vertritt die These, dass es nicht unbedingt daran liege, dass die Menschen weniger Geld zur Verfügung haben. "Das gern gezeichnete Bild, dass man klaut, um zu überleben, das können wir anhand der Gegenstände, die gestohlen werden, widerlegen." Hauptsächlich würden Luxusartikel und teure Kosmetika geklaut, so Busch-Petersen. Und: Das Problem gebe es durch alle Gesellschaftsschichten und Bevölkerungsgruppen.

Das bestätigt auch Marc-Andreas Demski. "Es gibt die, die das gewerbsmäßig machen. Die haben dann einen Einkaufszettel und wissen genau, welche Produkte sie bei Ebay oder auf dem Flohmarkt gut verkaufen können." Allerdings würden bei ihnen auch Stammkunden klauen, sagt Demski, und dann gebe es auch noch die organisierten Banden aus dem Ausland.

Kokain-Lieferdienste in Berlin

Darf ein verdeckter Ermittler bei einem "Kokstaxi" anrufen?

Vor die Bar, vor den Club, vor die Haustür: In Berlin kann Kokain problemlos über Messenger bestellt werden. Der Markt ist so lukrativ, dass "Kokstaxi"-Fahrer sogar öffentlich ihre Visitenkarten verteilen. Was ist aber, wenn die Bestellerin die Polizei ist? Von Hasan Gökkaya

Dieb verprügelt Angestellten mit Krücken

Carolin Demski ist an jedem Wochentag in ihren Filialen unterwegs. Immer wieder begegnen ihr dort auch Ladendiebe, die sie auf frischer Tat ertappt. Dann ruft sie die Polizei. Manchmal renne sie aber auch hinterher, erzählt sie. "Ich war mit meiner 13-jährigen Tochter in einem Laden von uns und es kam ein Herr in den Laden rein. Der ging dann zum Tee-Regal." Die Tochter hätte gemerkt, dass etwas raschelte und sei hinterhergegangen.

"Sie kam dann ganz aufgeregt zu mir und sagte: 'Mama, der hat was eingesteckt'." Der Mann habe das Geschäft verlassen und sei mit dem Fahrrad davongefahren. "Also bin ich ihm hinterhergelaufen und habe ihn am Gepäckträger festgehalten", erzählt Demski. "Dann hat er mir das Päckchen wiedergegeben."

So glimpflich geht das nicht immer aus. Einer von Carolin Demskis Mitarbeitern hätte vor kurzem einen Dieb gestellt. Der habe dann, so erzählt es Demski, ihren Mitarbeiter mit seinen Krücken verprügelt und sei davongekommen.

Security sei zu teuer für die Demskis

Andernorts greifen Ladenbesitzer zu neuen Maßnahmen, um den Dienstahl einzudämmen. So nimmt ein Antiquitätenhändler in Lübeck zum Beispiel mittlerweile einen Euro Eintritt. Damit sollen die Diebstähle kompensiert und Diebe abgeschreckt werden.

Für die Demskis sei das kein Modell: "So langsam überlegen wir aber schon, ob wir nicht einen Tresen vor den Laden stellen und unsere Kunden nur noch so vor der Tür bedienen", erklärt Carolin Demski ihre Pläne für eine mögliche Zukunft.

Ladendetektive könnten helfen, die Diebe zu stellen - doch bei acht Filialen würde das zu viel Geld kosten, sagt das Ehepaar.

Carolin Demski verliert, genauso wie ihr Mann, so langsam den Spaß an der Arbeit. Aufgeben möchte sie dennoch nicht. "Es bedroht unsere Existenz und die unserer Mitarbeiter." Doch für genau die wollen sie weitermachen. Sie möchten die vielen Jobs unbedingt erhalten. Auch wenn das heißt, dass der Spaß weg ist.

Sendung: rbb24, 02.12.2024, 13:00 Uhr

Beitrag von Yasser Speck und Roman Garthoff

Artikel im mobilen Angebot lesen