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Audio: rbb24 Inforadio | 10.12.2024 | Interview mit Ariane Krause | Quelle: Flavin Braß

Menschliche Fäkalien als Recyclingdünger

"Vom Acker auf den Teller, ins Klo und wieder auf den Acker"

Jeden Tag spülen wir unsere Fäkalien die Toilette runter. Dabei enthalten die Nährstoffe, die fruchtbaren Dünger für die Landwirtschaft werden könnten. Wie das hygienisch funktionieren kann, hat das Forschungsprojekt "Zirkulierbar" in Eberswalde erprobt.

rbb: Frau Krause, wir schütten seit jeher Gülle, also Tiermist, auf unsere Äcker. Der Gedanke an menschlichen Kot auf einem Erdbeerfeld löst bei vielen Menschen aber Ekel aus. Warum?

Ariane Krause: Ekel hat eine Warnfunktion. Da, wo potenziell ein Hygienerisiko besteht, sollen wir auf Abstand gehen. Von daher ist dieser Ekel erstmal eine gute Reaktion. Ein weiterer Grund liegt in unserem Abwassersystem. Natürlich war die Erfindung der Kanalisation eine gute Sache. Aber in der Abwassertechnik wird unser System auch "flush and forget" genannt: Was in der Toilette landet, verschwindet direkt aus unserem Sichtfeld und als Kinder lernen wir: Über Scheiße spricht man nicht. Dabei ist die Düngung mit Nährstoffen aus menschlichen Ausscheidungen historisch wie auch aktuell gelebte Praxis, zum Beispiel, indem Klärschlamm in der Landwirtschaft genutzt wird.

Zur Person

Was für Nährstoffe stecken denn in Urin und Kot ?

Das sind ganz viele verschiedene. Für die Pflanzen am Wichtigsten sind Stickstoff, Phosphor und Kalium. Phosphor und Kalium müssen in Bergwerken gewonnen werden, sind endliche Ressourcen. Und Stickstoff muss aus der Luft synthetisiert und dann in Düngemittel umgewandelt werden. Der Energieeinsatz dafür ist hoch.

Deswegen plädieren Sie für eine Sanitär- und Nährstoffwende?

Ja. Unser Toilettensystem ist eine Einbahnstraße, das zudem ein Drittel unseres Trinkwassers zuhause verbraucht. Das ist zu viel. Das Abwasser muss dann in den Kläranlagen aufwändig gereinigt werden. Wir haben eine Mischkanalisation. Das bedeutet, dass wir Wertstoffe wie Phosphor mit Schadstoffen vermischen und das Ganze auch noch mit sehr viel Wasser verdünnen. Das macht es technisch so anspruchsvoll, hinterher alles wieder zu trennen. Sinnvoller wäre es, unser Sanitärsystem wieder am natürlichen Kreislauf auszurichten: vom Acker auf den Teller, ins Klo und wieder auf den Acker.

Sie haben das auch praktisch in Eberswalde erprobt. In Kooperation mit dem Startup Finizio, das die bundesweit erste Anlage betreibt, die menschliche Ausscheidungen für Dünger recyclen kann.

Grundlage dafür ist der Einsatz von Trockentoiletten. Weil da Kot und Urin getrennt voneinander gesammelt und nicht mit Wasser vermischt werden. Solche Trockentoiletten sind zum Beispiel schon oft auf Festivals im Einsatz, in Kleingartenanlagen oder auch in Wohnmobilen. Man kann sie einfach aufstellen, denn sie brauchen keinen Anschluss. Der Inhalt der Trockentoiletten wird nach Eberswalde gebracht und zu Düngemittel veredelt.

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Aber wir scheiden jede Menge Krankheitserreger über unseren Kot aus. Wie gewährleisten Sie, dass die nicht auch auf dem Acker landen?

Zuerst wird der Kot in Eberswalde in den Hygienisierungscontainer (HyCo) gekippt. Er wird wie eine Lasagne aufgeschüttet: Kot-Stroh-Kot-Stroh. Dann wird der Container verschlossen, aber belüftet. Das regt die Aktivität von Mikroorganismen an, der Containerinhalt erhitzt sich auf bis zu 75 Grad. Nach zwei Wochen ist der Prozess der Pasteurisierung abgeschlossen und der Großteil der Krankheitserreger abgetötet.

Dann wird der HyCo geöffnet, der Inhalt in einen Haufen aufgeschüttet und mit Zuschlagstoffen wie Grünschnitt, Tongesteinsmehl oder Pflanzenkohle gemischt und immer wieder gewendet. Nach zwei bis drei Monaten ist der Kompost fertig. Er stinkt nicht. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass die Krankheitserreger durch das zweistufige Verfahren entfernt wurden.

Wie gut düngt dieser Kompost?

Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass der Humusdünger mit Mineraldüngern mithalten kann. Aber nicht, wenn er alleine eingesetzt wird. Denn der Humusdünger setzt die Nährstoffe sehr langsam frei und bringt nicht genug von allen Nährstoffen, die die Pflanze braucht. Vor allem mangelt es oft an Stickstoff. Dass wir trotzdem auf dem Feld die gleichen Erträge erzielen konnten wie mineralische Dünger, liegt daran, dass wir den Humusdünger mit Flüssigdünger aus Urin kombiniert haben, der ebenfalls in Eberswalde hergestellt wird, in einer Urinaufbereitungsanlage.

Für den Hygienisierungsprozess werden abwechselnd Inhalte aus Trockentoiletten und Stroh oder Grünschnitt in den Container gefüllt. | Quelle: BMBF, PRpetuum GmbH, Thilo Schoch

Urin wird unter Gärtnern ja auch gerne "Goldwasser" genannt. Was macht ihn so fruchtbar?

Etwa 80 Prozent des Stickstoffs, den wir ausscheiden, ist in unserem Urin enthalten. Der Stickstoff gast aber auch aus in Form von Ammoniak, deswegen riecht Pipi so streng. Der erste Schritt in der Urinaufbereitungsanlage ist eine Nitrifikation. Auch hier sind wieder Mikroorganismen am Werk, die letztlich dafür sorgen, dass kein Ammoniak mehr ausgast, es nicht mehr stinkt. Im zweiten Schritt läuft der Urin durch einen Aktivkohlefilter. So werden Arzneimittelrückstände zu mehr als 99 Prozent herausgeholt.

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Anders als etwa in der Schweiz sind solche Dünger in Deutschland nicht für den Markt zugelassen. Warum?

In der deutschen Gesetzeslage existieren menschliche Fäkalien, die getrennt von Abwasser gesammelt wurden, schlichtweg nicht. Wir haben einerseits das Bioabfallrecht. Neben Pflanzenresten sind da alle möglichen Varianten tierischer Exkremente aufgelistet, flüssige wie auch feste. Auch ganz viele Arten von Schlämmen, die menschliche Fäkalien enthalten.

Aber Urin und Kot von Menschen in Reinform tauchen in der Liste nicht auf. Ebenso wenig im deutschen Düngerecht. Deswegen darf man daraus keinen Dünger für den Markt herstellen. Obwohl das Interesse von Landwirten und Kommunen da ist. Immer mehr Kommunen stellen Trockentoiletten auf und landen dann schnell bei der Frage: Wohin mit dem Inhalt? Zudem gibt es politische Vorgaben, verstärkt auf Kreislaufwirtschaft zu setzen und die Emissionen zu reduzieren.

Es gibt 10.752 Kommunen in Deutschland – wie viele haben denn schon bei ihnen angeklopft, weil sie das Thema Sanitärwende angehen wollen?

Wir haben ein stabiles Netzwerk von etwa 20 Kommunen in Deutschland, die unser Projekt über die gesamten drei Jahre intensiv begleitet und mit uns zusammengearbeitet haben. Darunter auch große Kommunen: Berlin, Leipzig, Köln. Der Kreis der grundsätzlich interessierten Kommunen ist aber deutlich größer – auch wenn wir die 10.000 noch nicht haben.

Auch für sie haben wir jetzt zum Abschluss von "Zirkulierbar" ein Handbuch herausgebracht, mit praktischen Tipps, wie man das Thema angehen kann. Und wir wollen weiter darauf hinwirken, dass die Politik die rechtlichen Anpassungen auf den Weg bringt.

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Solange das aber nicht der Fall ist – wie geht es jetzt mit dem Reallabor in Eberswalde weiter?

"Zirkulierbar" hat ein EU-Schwesterprojekt: "P2Green". Auf europäischer Ebene geht es mit Blick auf die Zulassung von Recyclingdüngern wesentlich schneller vorwärts als hierzulande. Die Legalisierung könnte auf EU-Ebene in den nächsten drei bis vier Jahren kommen. Die Kreiswerke Barnim, die gemeinsam mit dem Unternehmen Finizio die Anlagen in Eberswalde betreiben, sind Partner im Projekt "P2Green" geworden. So dass es dort weitergehen kann: einerseits als von der Forschung begleitetes Reallabor, andererseits als Ort, wo Interessierte aus Landwirtschaft, Düngemittelherstellung oder Gartenbau uns besuchen können, um sich die Anlagen anzuschauen, an den Düngern zu riechen und mit uns ins Diskutieren zu kommen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Ariane Krause führte Anna Corves für rbb24 Inforadio.

Das Text ist eine redigierte und gürzte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.10.2024, 15:45 Uhr

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