Nach tödlichem Unfall auf A11
Nach dem tödlichen Unfall eines Fernbusses auf der A11 in der Uckermark stellen sich viele die Frage, wie sicher eine Reise mit FlixBus und Co. ist. Die Unfallzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Hundertprozentige Sicherheit ist aber nicht möglich.
Der Unfall eines FlixBus auf der A11 in der Uckermark, bei dem am vergangenen Samstag zwei Menschen ums Leben kamen und mehrere verletzt wurden, hat Fragen zur Sicherheit von Fernbussen aufgeworfen. Die Brandenburger Polizei geht von einem witterungsbedingten Unfall aus - mutmaßlich wurde der Bus bei winterlichen Verhältnissen von einer Windböe erfasst und in die Leitplanke gedrückt, was zum Umkippen führte.
Es gibt aber Diskussionen: Unter anderem in den sozialen Medien haben sich seither viele Menschen zu Wort gemeldet, die die Sicherheit des Verkehrsmittels Reisebus infrage stellen. In mehreren Beiträgen schreiben User:innen von zu schnell fahrenden Bussen, übermüdeten oder sogar alkoholisierten Fahrer:innen. Viele Fahrgäste fühlen sich unsicher. Doch was sagen die Fakten? Wie sorgen die Busunternehmen für die Sicherheit ihre Kund:innen?
Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zeigen, dass die Zahl der tödlichen Unfälle mit Reisebussen in Deutschland äußerst gering ist - bei rund 10,4 Millionen Fahrgästen (2023) im Jahr. Auch der ADAC betrachtet den Reisebus als eines der sichersten Verkehrsmittel. Eine Sprecherin des Automobilclubs betonte auf rbb-Anfrage aber, dass Unfälle mit Bussen oft gravierend wirken, da in einem einzigen Fahrzeug viele Menschen verletzt oder sogar getötet werden. Im Jahr 2024 wurden demnach 16 Todesfälle bei Unfällen mit Reisebussen verzeichnet, die auf zwei größere Unfälle zurückzuführen seien. Im Jahr 2022 starben acht Menschen bei Unfällen mit Reisebussen, 2019 waren es sieben.
Zum Vergleich: Allein im Zeitraum zwischen Januar und Mai 2024 wurden 442 Pkw-Insassen bei Verkehrsunfällen getötet, wie aus vorläufigen Zahlen von Destatis hervorgeht. Größere Reisebusunfälle wie der aktuelle auf der A11 wirken sich daher vergleichsweise wenig auf die Gesamtstatistik aus.
Auch Flix, das Betreiberunternehmen hinter FlixBus, verweist auf rbb-Anfrage auf die Unfallstatistik: "Trotz strenger Sicherheitsmaßnahmen können wir Unfälle nicht gänzlich verhindern", sagte eine Sprecherin des Unternehmens: "Dennoch gehören Fernbusse laut ADAC zu den sichersten Verkehrsmitteln. Auf Omnibusse im Allgemeinen entfallen rund zwei Prozent der Verkehrstoten in Europa."
Die Sicherheit von Fernbussen wird durch gesetzliche Vorschriften geregelt. Seit 2022 zugelassene Reisebusse müssen beispielsweise mit Spurhalte-Assistenten ausgestattet sein. Bereits seit 1999 gilt eine Gurtpflicht, die Fahrgäste dazu verpflichtet, sich während der Fahrt anzuschnallen – eigentlich sollte der Fahrer oder die Fahrerin dies auch kontrollieren.
Laut dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) ist die Anschnallpflicht ein besonders wichtiger Aspekt beim Thema Sicherheit bei Busreisen. "Auf diese wird vor dem Antritt jeder Busfahrt vom Fahrer hingewiesen, dennoch ignorieren dies viele der Busreisenden", sagte eine Sprecherin auf rbb-Anfrage. "Hier sollten alle Reisenden entsprechend eigenverantwortlich handeln, um sicher am Ziel anzukommen."
Auch der TÜV-Verband unterstreicht auf rbb-Anfrage die Bedeutung der Anschnallpflicht. Er empfiehlt Kontrollgänge zur Überprüfung. Auch die Lage der Notausgänge solle - ähnlich wie im Flugzeug - geprüft werden.
Die gesetzlichen Vorschriften für Lenk- und Ruhezeiten von Busfahrern in Deutschland basieren auf einer EU-Verordnung sowie dem nationalen Fahrpersonalgesetz und der Fahrpersonalverordnung.
Demnach darf die tägliche Lenkzeit höchstens neun Stunden betragen, zweimal pro Woche ist eine Verlängerung auf zehn Stunden zulässig. Nach spätestens viereinhalb Stunden ununterbrochender Fahrt muss eine Pause von mindestens 45 Minuten eingelegt werden. Diese Pause kann in zwei Abschnitte aufgeteilt werden: zuerst mindestens 15 Minuten, gefolgt von mindestens 30 Minuten. Außerdem ist eine tägliche Ruhezeit von elf Stunden innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums vorgeschrieben. Dreimal zwischen zwei wöchentlichen Ruhezeiten kann die tägliche Ruhezeit auf 9 Stunden verkürzt werden. Die wöchentliche Lenkzeit darf höchstens 56 Stunden pro Woche betragen. Innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Wochen darf sie maximal 90 Stunden betragen.
Die Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten sind aber nicht unumstritten. So sagte der Unfallforscher Siegried Brockmann in einem MDR-Interview nach einem Busunfall bei Leipzig im März 2024: "Die Lenk- und Ruhezeiten liegen, wenn man sie ausnutzt, an der Oberkante dessen, was physisch und psychisch für die Fahrer zu verarbeiten ist." Arbeitszeiten und Sozialvorschriften ließen im Extremfall bis zu 56 Lenkstunden pro Woche zu, was im Vergleich mit einer regulären Arbeitswochenzeit von 38 Wochenstunden sehr viel sei, erläuterte Brockmann.
Laut einer Sprecherin des BDO sind Reisebusse EU-weit mit digitalen Kontrollgeräten ausgestattet, die Lenkzeiten, sonstige Arbeiten und freie Tage der Fahrerinnen und Fahrer dokumentieren. Unternehmen müssen diese Daten regelmäßig auslesen, kontrollieren und aufbewahren. Die Überprüfung erfolgt intern oder durch Behörden wie das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM). Verstöße ziehen demnach empfindliche Strafen nach sich.
Reisebusse oder Kraftomnibusse, die für die Beförderung von mehr als neun Personen bestimmt sind, unterliegen in Deutschland darüber hinaus strengen technischen Vorschriften und regelmäßigen Prüfungen. Wie der TÜV-Verband auf rbb-Anfrage mitteilt, müssen alle Busse einmal im Jahr zur Hauptuntersuchung (HU), zusätzlich sind regelmäßige Sicherheitsprüfungen (SP) vorgeschrieben.
Die erste Sicherheitsüberprüfung erfolgt demnach sechs Monate nach der ersten HU, danach alle drei Monate, sobald der Bus älter als drei Jahre ist. Diese Prüfungen umfassen essenzielle Komponenten wie Bremsen, Federung und Lichtanlagen. "In Deutschland haben wir ein mit engen Prüffristen und hoher Prüftiefe sehr hohes Sicherheitsniveau", sagt der TÜV-Verband.
Mit der Einführung der EU-Verordnung "General Safety Regulation II" im Juli 2024 sind für alle neu zugelassenen Busse Systeme wie Spurhalteassistenten, Notbremsassistenten und Abbiegeassistenten verpflichtend. Der TÜV betont jedoch, dass Assistenzsysteme bisher nicht ausreichend geprüft werden. Er fordert eine umfassendere Überprüfung, die sowohl die Funktion als auch die tatsächliche Wirkung dieser Systeme umfasst.
Darüber hinaus sollte der Zugang zu digitalen Fahrzeugdaten für Prüforganisationen erleichtert werden. Der TÜV unterstreicht, dass ältere Busse, die mehr als zehn Jahre alt sind, häufiger mechanische Defizite aufweisen, etwa bei Federung und Antrieb. In Deutschland liege das Durchschnittsalter von Bussen bei 8,3 Jahren. Strikte Einhaltung von Wartungs- und Prüfintervallen sei bei älteren Fahrzeugen daher entscheidend, um Sicherheitsrisiken zu minimieren.
Die Flix SE (vormals Flixmobility GmbH) mit Sitz in München hat sich in den letzten Jahren zum Quasi-Monopolisten im deutschen Fernbusmarkt entwickelt. Bis 2024 stieg der Marktanteil von FlixBus laut der Frankfurter Allgemeinen [faz.net] auf 95 Prozent. Diese Entwicklung wurde durch Übernahmen und den Rückzug von Wettbewerbern begünstigt. Flix kaufte etwa die Deutsche Touring, der Konkurrent IC Bus stellte 2020 den Betrieb ein. 2013 wurde der Fernbusverkehr liberalisiert - zuvor durften Fernbusse keine Inlandsstrecken bedienen, um den staatlich subventionierten Regionalzugverkehr zu schützen.
Nach eigenen Angaben hat Flix die Marktführerschaft in Europa, Nordamerika und in der Türkei erlangt und expandiert derzeit weiter nach Südamerika und Asien. Das Unternehmen bringt den Angaben zufolge über 5.000 Busse auf die Straße, die 5.600 Reiseziele ansteuern.
Flix betreibt dabei allerdings keine eigene Busflotte, sondern agiert als Plattform, die Busverbindungen vermarktet. Laut eigenen Angaben arbeitet Flix dafür mit über 1.000 Kooperationspartnern - also Busunternehmen - zusammen. Auch hier setzt die Kritik häufig an, da die Verantwortung für die Einhaltung von Standards so auf viele Partner verteilt werde.
Flix betont auf rbb-Anfrage, dass die Sicherheit von Fahrgästen und Fahrer:innen oberste Priorität habe. Das Unternehmen setzt auf ein Sicherheitskonzept, das technische und organisatorische Maßnahmen umfasst. Alle eingesetzten Busse sind demnach mit modernen Sicherheitsassistenzsystemen ausgestattet, darunter Notbremsassistenten, Spurhaltesysteme und Abstandsregeltempomaten. Kameragestützte Systeme sollen das Fahrverhalten überwachen und Müdigkeit oder Ablenkung erkennen, sagte eine Sprecherin von Flix dem rbb.
Um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu gewährleisten, überwacht Flix nach eigenen Aussagen auch die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer:innen. Verstöße würden sanktioniert und führten zu Schulungsmaßnahmen. Fahrer:innen würden außerdem dazu ermutigt, bei Ermüdung oder schlechten Witterungsbedingungen zusätzliche Pausen einzulegen. Regelmäßige Trainings, etwa in Zusammenarbeit mit dem ADAC, würden Fahrer:innen außerdem auf extreme Wettersituationen oder Nachtfahrten vorbereiten.
Flix arbeitet nach eigenen Aussagen mit Subunternehmern, deren Fahrer:innen gesetzlich vorgeschriebene Qualifikationen, darunter die Berufskraftfahrerqualifikation, nachweisen müssen. Diese Qualifikation müsse alle fünf Jahre erneuert werden. Zusätzlich bietet Flix eigene Schulungen an, die die Sicherheit und das Fahrverhalten der Fahrer:innen verbessern sollen. Nach Unfällen würden die Ursachen untersucht, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren und die Standards weiterzuverbessern.
Zahlreiche Regeln und Mechanismen sollen die Sicherheit im Fernbusverkehr gewährleisten - von gesetzlichen Vorschriften für Lenk- und Ruhezeiten und technischen Standards bis hin zu regelmäßigen Kontrollen durch die Behörden und Prüforganisationen. Auch Betreiber wie FlixBus setzen auf Sicherheitsassistenzsysteme und Schulungsprogramme, um Risiken zu minimieren.
Trotzdem kann keine Maßnahme hundertprozentige Sicherheit garantieren, weil Faktoren wie Witterung oder menschliches Versagen nie vollständig ausgeschlossen werden können. Rein statistisch betrachtet bleibt der Fernbus jedoch eines der sichersten Verkehrsmittel und weist deutlich geringere Unfallzahlen auf als PKW oder Motorräder.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.01.2025, 18:00
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