
Leider gibt es ein Problem beim Abspielen des Videos.
Kommentar | BGH-Urteil zu Rangsdorfer Haus
Der Bundesgerichtshof urteilt, dass der Immobilienstreit in Rangsdorf neu verhandelt werden muss. Die Familie muss das Haus nicht abreißen und kann vorerst bleiben. Ein gutes Signal. Trotzdem: Der Schaden ist nicht nur finanzieller Natur. Von Lisa Steger
Das Urteil des Bundesgerichtshofs in Kürze: Der Eigentümer, dessen Land ohne sein Wissen zwangsversteigert wurde, ist stets Eigentümer geblieben. Also Eigentümer des Grundstücks – und auch des Hauses, das die Familie W. nach der Versteigerung darauf gebaut hat, und in das sie im August 2012 mit zwei kleinen Kindern einzog.
Doch wenn der US-Amerikaner das Land zurückhaben will, muss er der Familie die Baukosten erstatten. Abreißen muss sie das Haus also nicht.
Was viele enttäuschen wird: Der Fall ist noch nicht erledigt, das Brandenburgische Oberlandesgericht muss sich damit noch einmal befassen. Das ist bitter. Doch das OLG muss sich an die Vorgaben aus Karlsruhe halten. Und das bedeutet: Für Familie W. aus Rangsdorf ist ein gutes Ende in Sicht.
Ist damit nun alles gut? - Ich denke das nicht. Familie W. musste seit 2012 kämpfen und hat sich dabei vollkommen aufgerieben. Jahrelang saß sie auf gepackten Koffern. Besonders Frau W. berichtet von unzähligen schlaflosen Nächten. "Man will irgendwann auch mal damit abschließen und weiter planen", sagte Frau W. dem rbb. Es sei eine "Odyssee".
Der Schaden für die Familie ist immens – und nicht nur in Geld entstanden. Es gab eine Kette von Nachlässigkeiten und Fehleinschätzungen. Alles begann beim Amtsgericht Luckenwalde, das 2010 ein Grundstück zwangsversteigerte, ohne den rechtmäßigen Eigentümer zu informieren – obwohl das Luckenwalder Finanzamt seine Adresse besaß und er die Grundsteuer stets bezahlt hatte. Den Gerichtsunterlagen zufolge, die dem rbb vorliegen, erfuhr der Amerikaner erst durch seinen Winterdienst, dass er sein Eigentum losgeworden war. Dieser Bescheid hatte ihn problemlos erreicht.
Er klagte. Und er bekam 2014 im Landgericht Potsdam Recht. Die Gerichte ließen sich viel zu viel Zeit. Erst 2023, also neun Jahre später, entschied die nächste Instanz. Das Brandenburgische Oberlandesgericht verurteilte die Eheleute nicht nur dazu, das Haus zu räumen. Sie sollten auch die Grundschuld allein abtragen und dem Amerikaner 6.000 Euro als entgangene Miete zahlen. Und wie um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, ließ der Senat des Oberlandesgerichts keine Revision zum Bundesgerichtshof zu.
Zu Unrecht, meinte der Bundesgerichtshof und beschloss, den Fall zu verhandeln. Das heutige Urteil des Bundesgerichtshofes bescheinigt den Brandenburger Richtern schwere Fehler. Von einer "unangemessenen Härte" sprach die Vorsitzende Richterin.
Bitteres Fazit: Hätten die Eheleute W. sich mit den Entscheidungen der Brandenburger Gerichte abgefunden, so wären sie ruiniert gewesen für den Rest ihres Lebens. Ihr Schicksal erschüttert das Vertrauen der Bürger in die hiesige Gerichtsbarkeit. Das ist das eine.
Doch auch frühere Brandenburger Regierungen haben falsch, weil zu spät, gehandelt.
Erst 2023, elf Jahre nach Beginn des Leidensweges, nahm sich eine Justizministerin der Rangsdorfer an: Susanne Hoffmann (CDU) entschied, Familie W. per Staatshaftung zu entschädigen. Sie soll nach einem rechtskräftigen Urteil die Anwaltskosten und den aktuellen Wert des Hauses aus der Landeskasse erstattet bekommen – nicht nur die damaligen Kosten. Ein Teil des Geldes ist auch schon geflossen, nämlich Anwalts- und Gerichtskosten. Richtig so.
Doch das hätte schon viel früher geschehen müssen. Schon 2014, nach dem Urteil des Potsdamer Landgerichts, war klar, dass die Familie einen aussichtslosen Kampf führt: Das Eigentum ist weg, sie können nur noch auf Entschädigung hoffen, so die Lage. Der damalige Justizminister, der Linken-Politiker Helmut Markov, hätte den Fall zur Chefsache machen müssen.
Denn es stand fest, dass man den Amerikaner nicht einfach so, quasi aus Versehen, enteignen kann. Anders, als manche denken, darf es für Richter auch keine Rolle spielen, dass er ein wohlhabender Manager ist, dass er nie in Rangsdorf gewohnt und das Land nur geerbt hatte. Der Staat kann die Grundrechte nicht für einen Teil der Bevölkerung außer Kraft setzen, denn wenn diese Rechte für einen suspendiert sind, sind sie es irgendwann für alle.
Was bleibt? Ein quälender Prozessmarathon, in dem es nur Verlierer gibt. Und zuletzt die Hoffnung, dass die Familie W. sehr bald den friedlichen Alltag bekommt, den sich jeder für seine Familie wünscht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.03.2025, 14:26 Uhr
Beitrag von Lisa Steger