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Video: rbb|24 | 08.04.2019 | Quelle: dpa/imago|Grafik: rbb|24/Mitya

rbb|24-Datenauswertung

Klimawandel: Das erwartet Berlin und Brandenburg bis 2100

Hitze, Dürre, extreme Regenfälle: Das Klima in Berlin und Brandenburg hat sich bereits deutlich geändert. rbb|24 zeigt jetzt in einer Datenauswertung, welche drastischen Folgen in Zukunft auf uns zukommen könnten - dass Klimaschutz aber noch helfen kann.

Es ist kein Zufall, dass derzeit hunderttausende Kinder und Jugendliche gegen den Klimawandel auf die Straße gehen. Klimaforscher rechnen damit, dass gerade die heute 10- bis 20-Jährigen von den Folgen einer starken Erderwärmung mit voller Härte getroffen würden: von extremer Hitze, Dürren oder heftigen Unwettern. Dass mit solchen Phänomenen nicht zu spaßen ist, haben die Berliner und Brandenburger in den vergangenen Jahren zu spüren bekommen, etwa beim Starkregen 2017 oder im Dürresommer 2018.

Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und des Brandenburgischen Landesamtes für Umwelt (LfU), die rbb|24 ausgewertet hat, belegen: Auch in Berlin und Brandenburg ist der Klimawandel bereits in vollem Gange. Und Forscher erwarten bei anhaltender Klimaerwärmung nochmals eine deutliche Zunahme der Wetterextreme. Aber die Daten zeigen auch: Es gibt durchaus noch Handlungsspielraum.

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Historische Messwerte des DWD dokumentieren die bisherige Erwärmung: Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 ist die Jahresmitteltemperatur in der Region bereits um rund ein Grad gestiegen. Die folgende Grafik zeigt die Werte für die einzelnen Jahre.

Wählen Sie eine Region aus - über das Dropdown oder per Klick auf die Karte, um entsprechende Daten zu erhalten. Die Auswahl gilt dann für weitere Grafiken unten im Text. Ohne Auswahl sehen Sie die Daten für die gesamte Region Berlin-Brandenburg. Die folgende Karte zeigt Ihnen die Jahresmitteltemperaturen im Stil der "Wärmestreifen" des britischen Klimawissenschaftlers Ed Hawkins.

Die Häufung heißer Jahre in den letzten drei Jahrzehnten ist augenfällig - und alarmierend. Denn die vergleichsweise schnelle Erwärmung ist gefährlich für viele Lebewesen, die sich so rasch nicht anpassen können. Tier- und Pflanzenarten drohen auszusterben, der Mensch muss mit Hitzestress, Ernteausfällen und Trinkwasserknappheit rechnen. Auch die Ökosysteme der Ozeane leiden. Wenn das Eis der Pole und Gletscher schmilzt, steigt zudem der Meeresspiegel.

Die Klimakonferenz in Paris mahnte 2015: Nur eine Erderwärmung um deutlich weniger als zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Wert könnte die Risiken durch die Klimaveränderungen erheblich verringern - besser noch unter 1,5 Grad. Aber: Menschliche Aktivitäten haben bereits rund ein Grad globale Erwärmung verursacht, wie der Weltklimarat im vergangenen Jahr feststellte. In Berlin-Brandenburg lag die Mitteltemperatur laut DWD im Zeitraum 1981-2010 bei etwa 9,3 Grad Celsius und damit ebenfalls rund ein Grad über dem vorindustriellen Niveau.

"Weiter so" - oder deutlich mehr Klimaschutz?

Damit bleibt nur wenig Spielraum - aber es gibt ihn, wie Berechnungen des Landesamtes für Umwelt Brandenburg (LfU) zeigen. Deren Klimaprojektionen für die nahe und ferne Zukunft machen sichtbar, wie groß der Unterschied zwischen einem "Weiter so" beim Treibhausgas-Ausstoß wäre - und einer deutlichen Reduzierung durch verstärkten Klimaschutz. Denn zusätzliche Treibhausgase, allen voran CO2, heizen die Erde auf.

Der Zeitraum für die nahe Zukunft, den das LfU betrachtet hat, ist 2021-2050. Er erstreckt sich, wie in der Klimaforschung üblich, über 30 Jahre. Der zweite Zeitraum umfasst die Jahre 2071-2100. Für diese beiden Abschnitte in der Zukunft wurden zwei Szenarien durchgespielt.

Szenario 1: Die Menschen bemühen sich um mehr Klimaschutz. Die Treibhausemissionen beginnen schon sehr bald zu sinken - bis 2100 auf Null.  

Szenario 2: Die Emissionen steigen "weiter so" wie bisher ungebremst. Als Vergleichswerte dienen den LfU-Wissenschaftlern Daten aus dem Zeitraum 1971-2000.

So entwickelt sich den Berechnungen zufolge die Lufttemperatur in der Region im Mittel:

Das LfU hat auch berechnet, wie sich die jeweilige Erwärmung in der Region im Detail auswirken könnte. Besonders starke Veränderungen zeigen sich in den Zahlen für kalte und heiße Tage.

Eine Kalt-Warm-Verschiebung ändert voraussichtlich auch die Vegetationszeit, also die Zeit des Pflanzenwachstums. Lag diese im Vergleichszeitraum noch durchschnittlich zwischen 18. März bis 1. November, könnte sie sich bei einem "Weiter so" gegen Ende des Jahrhunderts vom 4. Februar bis 23. November erstrecken. Das wäre ein Unterschied von neun Wochen.

Brütende Hitze an immer mehr Tagen

Auch die Zahl der besonders heißen Tage - mit Temperaturen über 35 Grad - dürfte sich erhöhen. Die Region könnte sogar Tage mit mehr als 40 Grad bekommen, was es bisher so nicht gab. Eine derartige Hitze belastet aber den menschlichen Organismus stark, der sich immer auf ungefähr 37 Grad halten muss. Es gibt Berechnungen, wonach in Deutschland pro ein Grad Temperaturanstieg die hitzebedingten Todesfälle bis zu sechs Prozent steigen könnten. "Dies entspräche über 5.000 zusätzlichen Sterbefällen pro Jahr durch Hitze bereits bis Mitte dieses Jahrhunderts", heißt es beim Bundesumweltamt.

Besonders schlimm wird es, wenn der Körper selbst in der Ruhephase nicht "runterkommen" kann, weil es nachts nicht richtig abkühlt - in Tropennächten. Solche Nächte könnten vor allem in Berlin künftig deutlich häufiger vorkommen.

Mehr Niederschlag im Winter

Bei den Niederschlägen wird sich der Klimawandel ebenfalls bemerkbar machen - allerdings weniger in der Menge, was nach dem Dürresommer 2018 und dem trockenen Winter überraschen dürfte. Den Berechnungen zufolge sinkt die jährliche Niederschlagsmenge zunächst nicht, sondern steigt geringfügig - in beiden Szenarien. Mit verstärktem Klimaschutz würde die Niederschlagsmenge zum Jahrhundertende dann wieder auf das alte Niveau fallen, während ein "Weiter so" einen weiteren leichten Anstieg brächte.

Der Knackpunkt beim Thema Niederschläge liegt allerdings nicht in der Menge, sondern der Verteilung: So erwarten die Klimaforscher für den Sommer mehr und längere Trockenphasen, der Jahresniederschlag fällt den Berechnungen zufolge zunehmend im Winter. Grund sind nach Angaben des Potsdamer Klimaforschers Peter Hoffmann veränderte Wetterlagen und ein größerer Atlantik-Einfluss.

Dazu kommt, dass der Niederschlag den Berechnungen zufolge wohl "geballter" fällt. Vergleicht man die historischen Durchschnittswerte mit denen aus dem "Weiter so"-Szenario für Ende des Jahrhunderts, zeigt sich folgendes Bild: Es gibt etwas weniger Niederschlagstage (minus 4 Prozent), dazu eine größere Anzahl längerer Trockenperioden (plus 7,6 Prozent). Die gleiche Menge Niederschlag (oder sogar etwas mehr) müsste also in einem verkürzten Zeitraum fallen - Extremniederschläge würden entsprechend häufiger.

Diese Kombination - aus mehr winterlichen und mehr extremen Niederschlägen - hat gleich mehrere Haken: Viel Wasser kommt gerade dann, wenn Pflanzen wenig Wasser brauchen. Trocknet der Boden zudem über einen längeren Zeitraum aus, kann er plötzlich kommende große Regenmengen nur schwer aufnehmen - das Wasser fließt ab. Es kann, gerade im Winter zu Überschwemmungen kommen.

Im Sommer wiederum haben die Pflanzen Probleme mit längeren Dürreperioden. Feldfrüchte verdorren. Wälder trocknen aus, die Brandgefahr steigt. Seen und Flüssen geht das Wasser aus, auch weil es bei steigenden Temperaturen schneller verdunstet.

Berlin-Brandenburg - eine verwundbare Region

Hitze- und Niederschlagsextreme - für das landwirtschaftlich geprägte Brandenburg, das schon jetzt vergleichsweise arm an Niederschlägen ist, könnte das fatale Folgen haben. Und auch für die Großstadt Berlin, wo große Flächen versiegelt sind.

Die Region Berlin-Brandenburg sei eine der "am stärksten verwundbaren Gebiete Deutschlands", bilanziert das LfU mit Blick auf die derzeitigen klimatischen Gegebenheiten und den erwarteten Klimawandel. Angesichts dieser Perspektive könnte so mancher Ältere vielleicht auf den Zeitfaktor setzen. 2100 sei ja noch lang hin, hieß es oft in Gesprächen zu dieser Datenauswertung: "Ist mir doch egal, ob es so kommt: Da bin ich eh schon tot."

Die demonstrierenden Schülerinnen und Schüler aus dem Jahr 2019 dürften das anders sehen.

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