#Wiegehtesuns? | Der Drei-Sterne-Koch
Gerade als erstes Restaurant der Stadt mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet hat Corona das Geschäft von "Rutz"-Koch Marco Müller abrupt gestoppt. Jetzt geht es endlich zurück an den Herd - wenn auch mit leichter Verzögerung, und einem zweiten Restaurant.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Der Brandenburger Marco Müller hat es geschafft: Sein Berliner Restaurant "Weinbar Rutz" bekommt Anfang März vom Guide Michelin den ersehnten dritten Stern - als erstes in der Stadt. Doch nach dem Höhepunkt seiner Laufbahn kam der freie Fall, das Rutz musste wegen der Corona-Krise schließen. Nun öffnet es wieder seine Türen.
Herr Müller, wie geht es Ihnen?
Marco Müller: Mit dem Gedanken, dass wir nun weitermachen und uns mit den Gerichten eines Drei-Sterne-Restaurants vorstellen dürfen, geht es mir sehr gut. 14 Tage bevor wir das Restaurant schließen mussten, haben wir diese Mega-Auszeichnung bekommen - viel mehr geht als Koch nicht. Mit der Freude kam fast gleichzeitig die Schließung. Das war heftig. Zum Glück hatten wir die Zeit, das in Ruhe zu verarbeiten. Persönlich hatte ich eine sehr schöne Zeit mit der Familie, konnte etwa morgens mit meiner Tochter eine Runde laufen gehen. So viel Zeit habe ich als Koch schon lange nicht mehr gehabt, das habe ich sehr genossen.
Ein geplanter Urlaub zu Ostern ist dafür buchstäblich ins Wasser gefallen.
Seit zehn Jahren fahre ich mit einem Anglerfreund nach Spanien, zum Ebro, an die Ausläufer der Pyrenäen. Ein wunderschönes Gebiet für Angler, traumhaft. Wir hatten gebucht, hatten uns sehr darauf gefreut. Wir schauen jetzt, ob wir es im Oktober schaffen können.
Wie sieht ihr Arbeitstag zurzeit aus?
Wir bereiten uns ganz intensiv auf den Neustart vor. Wir sind gerade dabei, unsere Lieferanten wieder zu aktivieren. Wir machen Proben für die Gerichte, wir testen und experimentieren.
Die Restaurants durften am Freitag wieder öffnen.
Warum ziehen Sie jetzt erst zum Dienstag nach?
Wir kriegen das alles gar nicht so schnell auf die Beine gestellt. Wir arbeiten mit vielen Landwirten in der Region. Unser Fischer muss sich erst mal wieder darauf einstellen, dass er ein paar vernünftige große Fische nach Berlin bringt. Mein Bauer muss jetzt schauen, was er auf dem Feld ernten kann. Wir wollen die Bedingungen für unsere Gäste so genau wie möglich erfüllen. Wir müssen jetzt schauen, dass wir die Desinfektions-Spender an den richtigen Stellen aufbauen. Unsere Masken sind heute gekommen, die sind traumhaft schön geworden, hat eine Designerin für uns genäht. Wir probieren die Gerichte gerade mit unserer Sommelière, damit sie ihre Weine nochmal genau abstimmen kann. Wir streben eine Perfektion an.
Wie sieht es mit Buchungen aus?
Wir haben nächste Woche einen Tag, wo wir ein, zwei freie Plätze haben. Der Rest ist mittlerweile Gott sei Dank ausgebucht. Wir haben das Restaurant auf zwei Etagen verteilt, dadurch müssen wir trotz Mindestabstand kaum Plätze einsparen. Parallel, was für uns spannend ist, haben wir das "Zollhaus" in Kreuzberg direkt am Landwehrkanal fertig renoviert. Das hätten wir eigentlich am 1. April gerne geöffnet. Wir starten nun eben am Mittwoch auch mit dem Zollhaus, also wir haben zwei Restaurant-Eröffnungen in einer Woche.
Was fällt Ihnen besonders schwer?
Mir fiel der Shutdown sehr schwer, wir waren davor so gut im Takt. Natürlich haben wir die freie Zeit genutzt. Aber die ganze Zeit ohne meine Küche auszukommen, war wirklich hart, weil ich den Ort sehr gern mag. Ich mag den Spirit, ich mag die Bewegung in der Küche. Ich liebe meine Arbeit. Deswegen freue ich mich auch, wieder am Herd stehen zu können.
Was macht es Ihnen leichter?
Ich freue mich sehr auf das, was kommt. Ich freue mich auf die Gäste. Ich bin sozusagen ein Drei-Sterne-Koch auf Pausenknopf. Ich habe die Auszeichnung bekommen und durfte das dann gar nicht in meiner Küche ausleben. Ich bin jetzt 16 Jahre hier, da gibt es auch Routine. Aber dieser Neustart mit drei Sternen ist etwas komplett Neues.
Welche Veränderungen beobachten Sie in Ihrem Umfeld?
Es war viel Action - und viel mehr Unruhe als früher in der Stadt. Was mir auffällt, ist, dass viele Leute mehr nachdenken, ein bisschen runterkommen, ein bisschen Energie tanken, ein bisschen zu sich selber kommen können. Und ich finde es halt grad sehr angenehm, mit Menschen zu sprechen, weil es nicht immer nur heißt: 'Ich, ich, ich und ich hab keine Zeit'. Sondern, dass man einfach sich wieder Zeit füreinander nehmen kann, da schließe ich mich mit ein, sich zuhört und einfach Zeit hat. Auch diese Pause für sich selber zu nutzen, um Kraft zu sammeln. Und das fällt mir auch in meinem Umfeld auf.
Inwiefern hat sich Ihr Weltbild durch die aktuelle Situation verändert?
Wir haben erfahren, wie schnell sich alles ändern kann. Die komplette Bevölkerung, eine ganze Weltwirtschaft wurde in ihren Grundfesten erschüttert. Durch ein winziges Virus. Das muss man erst einmal verkraften. Aber es ist ja auch ganz viel Spirit entstanden und ganz viel Zusammenhalt, und das, glaube ich, auch vielen Leuten gut getan hat.
Gesprächsprotokoll: Johannes Paetzold
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