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Quelle: dpa/Patrick Pleul

#Wiegehtesuns | Der Brandenburger Gastronom

"Die Angst, das eigene Lokal könnte zum Spreader-Ort werden, ist immer da"

Nach einer schwierigen Lockdown-Zeit lief der Sommer für Gastronom Markus Schulze aus Beelitz eigentlich recht gut. Nun ist er fassungslos, dass die Situation trotz der Impfungen genauso schlimm zu werden droht wie vergangenes Jahr. Ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

 

Markus Schulze ist gebürtiger Beelitzer und wohnt dort mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter. Der 37-Jährige betreibt seit fünf Jahren - ebenfalls in Beelitz - das "Lokal Genial".

Mit Corona geht es uns derzeit wirklich nicht gut. Es war letztes Jahr schon nicht schön. Und obwohl der Sommer dieses Jahr ganz gut lief, konnte er nicht herausreißen, was letztes und dieses Jahr alles im Argen lag. Immerhin konnten wir die Spargelsaison mitnehmen. Doch das Spargelfest selbst fehlte und die Übernachtungsgäste für unsere kleine Pension blieben vielfach auch aus.

Dadurch, dass aktuell wieder die Regeln für die Gastronomie geändert wurden, bekommen wir immens viele Anrufe. Die Gäste wissen einfach nicht, was das für sie bedeutet. Auch, weil die Regeln ja bundesweit nicht gleich sind. Da sind wir ständig am Erklären. Dann kommen auch ständig Stornierungen. Wenn der Gastgeber eines kleinen Geburtstages einen leichten Schnupfen hat, wird heute ja alles abgesagt. Vor Corona war ein Schnupfen einfach nur ein Schnupfen. Da hätte keiner abgesagt. Jetzt ist bei Schnupfen eben Alarm angesagt.

#Wiegehtesuns | Der Schausteller

"Ohne die November- und Dezember-Hilfen hätten wir unser Karussell verkaufen müssen"

Keine Stadtfeste, keine Großveranstaltungen, kein Platz, an dem Felix Freiwald und seine Schausteller-Familie ihre Karusselle aufbauen können. Normalerweise ist er neun Monate im Jahr unterwegs. Jetzt war er neun Monate zu Hause. Ein Gesprächsprotokoll.

Die aktuellen Vorschriften sehen 2G für unser Lokal vor. Wir haben im Eingangsbereich groß das Schild hängen. Zusätzlich haben wir eine Maskenpflicht eingeführt. Die gilt natürlich nicht, wenn man am Platz sitzt. Die Gäste sollen uns ihren 2G-Nachweis direkt beim Eintritt zeigen. Das funktioniert ganz gut.

Meine Befürchtung ist aber, dass es auch in diesem Winter wieder keine oder nur sehr wenige kleine Weihnachtsfeiern geben wird - und das zeichnet sich auch schon ab. Derzeit sind bei uns zwei kleine Feiern angemeldet. Vor Corona hatten wir zwei bis drei pro Woche – und darunter immer auch welche von größeren Firmen hier in der Gegend. Wir haben hier wirklich genug Platz. Allein in unserem Wintergarten können bis zu 50 Personen sitzen. Das war immer eine schöne Sache, die jetzt annähernd ersatzlos ausfällt. Dasselbe gilt auch für unsere Pensionszimmer.

Meine einzige Hoffnung liegt auf Weihnachten selbst. Aktuell dürfen wir ja noch Gäste bewirten, sodass unser Weihnachtsgeschäft über die Feiertage derzeit noch relativ ausgebucht ist. Zusätzlich werden wir – wie im letzten Jahr wieder – Menüs zum Abholen anbieten. Das hat uns im vergangenen Jahr ganz gut über die Feiertage geholfen und war für mich und meine Familie eigentlich sogar ganz schön. Wir hatten um 19:30 Uhr die letzte Abholung. Um 20 Uhr war die Küche sauber und ich konnte als Gastronom dann mit der Familie gemeinsam essen. Das gab es vorher noch nie.

Die Angst, das eigene Lokal könnte zum Spreader-Ort werden, ist immer da. Gerade letzte Woche hätten wir eigentlich einen großen Geburtstag ausgerichtet. Da wären die meisten Gäste geimpft gewesen – aber die Gastgeber ausgerechnet nicht.

Wobei ich manchmal denke, dass inzwischen ein aktueller Test eventuell sinnvoller sein könnte als die Impfung. Denn auch Geimpfte und Genesene können ja das Virus weitertragen. Die ungeimpften Gastgeber, die bei uns feiern wollten, hatten sich dann beim Corona-Telefon informiert und erfahren, dass sie bei uns nun auch als geschlossene Gesellschaft nicht feiern dürfen. Aber zuhause hätten sie die Feier auf 20 Quadratmetern im Wohnzimmer machen können. Da muss ich sagen, dass ich die Regeln einfach nicht verstehe. Das ist öfter so. Ich kann den Gästen nicht erklären, warum die Regeln so sind, sondern nur, dass sie so sind.

#Wiegehtesuns? | Initiative Kneipenretter

"Kneipen sind halt nicht nur wirtschaftliche Unternehmen"

Keine Gäste, aber die Kosten bleiben: viele Kneipen fürchten im Lockdown um ihre Existenz. Deswegen hat der Berliner Leon Redlinger zusammen mit einer Handvoll Freunden die Initiative Kneipenretter gegründet. Sie helfen mit Geld - aber nicht nur. Ein Gesprächsprotokoll.

Durchhalten können wir das schon noch ein Weilchen, weil wir ein gutes Verhältnis zu unserem Verpächter haben und die Pacht für nicht bespielte Bereiche auch mal reduzieren konnten. Wir können Kurzarbeit anmelden, können die Plätze reduzieren, sodass wir den Betrieb auch nur zu zweit oder dritt bewältigen können, um so Kosten zu senken. Auch Einkäufe können wir kurzfristig minimal halten.

Doch was ich verrückt finde, ist, dass sich all die Hoffnungen, die wir als Gesellschaft auf die Impfungen gesetzt haben, nicht erfüllt haben. Wenn jetzt wieder alles dicht gemacht wird und die Situation schlimmer ist als vor einem Jahr, frage ich mich, was die Impfungen gebracht haben. Das ist frustrierend. Ich hätte vor einem Jahr nie geglaubt, dass wir wieder mit annähernd den gleichen Einschränkungen dastehen.

Gesprächsprotokoll: Sabine Priess

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Sendung: Brandenburg aktuell, 27.11.2021, 19.30 Uhr

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