#Wiegehtesuns? | Inhaberin eines Brautmodengeschäfts
Ramona Wegemann verkauft Brautkleider. Die Braut kommt samt Entourage, man trinkt Sekt, es wird stundenlang anprobiert. Doch seit Pandemiebeginn gibt es kaum Feste. Das treibt die Inhaberin des Brautmodengeschäfts in den Ruin. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Ramona Wegemann hat ein Braut- und Festtagsmodengeschäft in Nauen (Havelland) betrieben. Seit Corona kann sie keine Umsätze mehr machen. Denn ohne Feste braucht auch niemand festliche Kleidung. Ihren Laden musste sie daher inzwischen schließen. Zum November wollte sie einen - verkleinerten - Neuanfang wagen. Dann kam der 2. Lockdown. So geht es Ramona:
Ich habe seit fünf Jahren ein kleines Brautmodengeschäft. Bisher war das in Nauen. Doch ich habe es mit der ersten Corona-Welle schließen müssen. Denn Braut- und Festmoden haben zu Pandemie-Zeiten ein großes Problem. Das geht all meinen Kollegen so. Wir haben nicht nur in der Zeit des ersten Lockdowns, als wir nichts verkaufen durften, keine Umsätze gemacht, sondern auch danach nicht.
Ein großes Brautkleid verkauft sich nun mal nur, wenn auch groß gefeiert werden darf. Doch die Feiernden dürfen seit Coronabeginn kaum Gäste einladen. Außerdem lebe ich nicht nur von Brautmoden, sondern auch davon, dass die Gäste Kleider kaufen. Hinzu kommen normalerweise Abi-Bälle – und ohne Abiball braucht natürlich auch da keiner ein Kleid.
Ich habe seit dem Lockdown im Frühjahr kein einziges Kleid mehr verkaufen können. Aber die Kosten laufen natürlich weiter. Es gab zwar den sogenannten Rettungsring für Selbständige, der griff einem jedoch nur für drei Monate unter die Arme und war ausschließlich für die laufenden Kosten des Ladens gedacht. Aber ich muss ja als Selbständige auch essen und trinken, muss Miete und Versicherung zahlen. Ich habe ein Leben, das ich eigentlich durch meinen Laden finanziere. Auf der privaten Ebene ist man da völlig im Stich gelassen worden.
Und jetzt ist der nächste Lockdown da. Ich habe in der Zwischenzeit die Notbremse gezogen, meinen Laden in Nauen geschlossen und den Mietvertrag gekündigt. Dann habe ich versucht, online das ein oder andere Kleid zu verkaufen. Aber dort dominiert der Billigmarkt, da kommt man mit hochpreisigen Kleidern nicht an.
Bei Braut- und Festtagskleidern geht es darum, dass die Damen herkommen und verschiedene Kleider anprobieren können. Ich berate sie und stelle ihnen Kleider vor, von denen sie vorher nicht gedacht hätten, dass sie sie kaufen würden. 99 Prozent der Damen geht mit einem ganz anderen Kleid aus dem Laden, als dem, das sie im Kopf hatte. Das geht über das Internet nicht.
Die Damen kommen auch fast nie alleine, da ist die Mutti dabei, die Oma und auch die Freundinnen. So ein Brautkleid-Kauf wird normalerweise richtig zelebriert. Und im besten Fall finden die anderen Frauen auch noch ein Kleid. Das ist seit Corona gar nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt möglich gewesen.
Statt des Ladens in Nauen habe ich mein Geschäft dann erstmal zuhause im Nebenerwerb angemeldet. Denn wenn ich es ganz abgemeldet hätte, hätte das Finanzamt für die ganze Ware, für die ich bereits Steuern bezahlt habe, noch einmal komplett Steuern verlangt - weil sie dann in Privatbesitz übergegangen wäre. Ich hatte in meinem Laden Waren im Wert von etwa 100.000 Euro. Darauf müsste man dann 19 Prozent Umsatzsteuer zahlen. Das geht gar nicht.
Inzwischen lebe ich vom Geld meines Mannes. Hätte er nicht eine feste Anstellung, sähe es düster aus. Denn wenn ich mich irgendwo bewerbe heißt es, durch meine Selbständigkeit sei ich nicht mehr führbar. Zudem sind sehr viele Mitbewerber unterwegs, die auch durch Corona ihre Arbeit verloren haben.
Ich habe also daraufhin gearbeitet, den Laden zum 1. November mit einem kleinen Verkaufsraum neuzueröffnen. Als Nebenerwerbsgeschäft und nicht mehr in Nauen, sondern an einem anderen Ort.
Doch durch den neuerlichen Lockdown sieht es wieder finster aus. Ich habe mir wirklich Arme und Beine ausgerissen, um meine Zukunft zu retten, aber ich schlittere von einem Unglück ins nächste. Zurzeit ist die Situation so, dass ich als Einzelhändler zwar öffnen könnte. Verkaufen kann ich aber trotzdem nichts. Denn mit der 2-Meter-Abstandsregel kriege ich keine Braut in ein Brautkleid.
Hilfen bekomme ich aber auch keine. Die sind nur für Gewerbetreibende im Vollerwerb. Dass ich durch Corona und die ganzen Reglementierungen nur noch ein Kleingewerbe habe, interessiert überhaupt niemanden. Ich bin wohl nur ein Einzelschicksal, das billigend in Kauf genommen wird. Und das, obwohl ich in diesem Staat seit Jahren arbeite und Steuern zahle. Bei einem Neustart wieder einen Tritt in den Nacken und keinerlei Hilfe zu bekommen, ist wirklich bitter. Ich weiß noch nicht einmal, was ich mir wünschen soll. Ich fühle mich einfach nur ausgeliefert und bin ziemlich verzweifelt.
Gesprächsprotokoll: Sabine Priess
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