#Wiegehtesuns? | Die Buchhändlerin
Als Buchhändlerin darf Mieke Woelky ihren Laden in Berlin-Schöneberg auch in den Lockdown-Phasen öffnen. Was sie beobachtet: In der Pandemie haben sich die Lesegewohnheiten ihrer Kundschaft verändert. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Mieke Woelky, 38, ist seit Oktober 2018 Inhaberin der Buchhandlung Odradek in der Gustav-Müller-Straße in Berlin. Mit ihrer Familie lebt sie auch auf der Roten Insel in Schöneberg, ganz in der Nähe ihrer Buchhandlung. So geht es Mieke:
Eigentlich ist gerade eine ganz schöne Stimmung bei uns im Laden. Die Leute sind dankbar, dass sie uns besuchen können, dass sie sich irgendwo analog etwas angucken können. In einen Buchladen zu gehen, ist doch etwas anderes, als im Supermarkt einzukaufen.
Wir versuchen sehr stark, auf alle Hygienemaßnahmen zu achten, und die Kunden und Kundinnen tun das auch. Sie gehen sehr umsichtig mit der Situation um.
Weil nur drei bis vier Personen beziehungsweise Haushalte gleichzeitig in den Laden dürfen, kann man den Abstand einhalten. Deswegen fühle ich mich auch selbst wohl. Es ist viel weniger gedrängt als zum Beispiel beim Lebensmitteleinkauf.
Wir sind eine Familienbuchhandlung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, und wir haben insgesamt einen sehr guten Zulauf.
Man merkt schon, dass die Menschen mehr zu Hause sind, sich mehr mit Literatur und Spielen versorgen, mehr lesen und vorlesen. Viele haben mittlerweile Leseprojekte, lesen in eine bestimmte Richtung. Koch- und Backbücher sind gefragt, aber wir verkaufen auch viele dicke Wälzer, von der Gegenwartsliteratur bis hin zu Kinderbüchern.
Gerade bei Büchern ist es wichtig, dass man stöbern kann, reinschauen kann, sich beraten lassen kann. Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass das nicht zu ersetzen ist.
Corona ist immer ein Thema bei uns in der Buchhandlung, auch weil sich die Situation ständig ändert. Man tauscht sich mit den Kundinnen und Kunden aus. In letzter Zeit merkt man schon, dass viele langsam nicht mehr können – mit den Kindern zu Hause oder ständig im Home-Office. Ich habe den Vorteil, dass ich nicht von Zuhause arbeite, sondern Kinderbetreuung und Arbeitszeiten trennen kann. Zum Glück habe ich ein sehr gutes Team, wir teilen uns auf, wer wann arbeitet. Und wenn ich im Laden bin, kümmert sich mein Partner um die Kinder.
Im Vergleich zu vielen anderen im Einzelhandel sind wir in einer glücklichen Lage: Wir hatten durchgehend geöffnet und waren nicht auf Corona-Hilfen angewiesen. Ich habe Freundinnen, deren Läden schon zum zweiten Mal geschlossen sind, das geht an die Substanz – gerade in der zweiten Lockdown-Phase, wo auch die Hilfen nicht so schnell da sind. Das ist schon heftig.
Es wird sich zeigen, welche langfristigen Auswirkungen die Pandemie wirtschaftlich und sozial hat. Darüber mache ich mir schon Sorgen.
Aber es gibt auch viele schöne Momente der Solidarität, des gemeinsamen Handelns und der Rücksichtnahme. Ich hoffe, dass bleibt auch nach der Pandemie. Aber im Moment stecken wir noch so sehr in der akuten Situation, dass man das noch gar nicht absehen kann.
Gesprächsprotokoll: Ula Brunner
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