#Wiegehtesuns | Ehemalige Covid-Patientin
Nadja Alzner gehört zu den ersten Berliner Corona-Patienten. Die 30-Jährige hat Glück im Unglück, muss nicht ins Krankenhaus. Trotzdem erlebt sie Covid-19 als schwere Erkrankung. Und spürt noch heute ihre Folgen - ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Nadja Alzner ist 30 Jahre alt und ist Projekt- und Eventmanagerin, Coach und Yogalehrerin. Sie hat Covid 19 überstanden. Doch die Krankheit hat Spuren hinterlassen. So geht es Nadja.
Ich war immer ein fitter Mensch, habe mich gesund ernährt, fast täglich Yoga gemacht und hatte ein gutes Immunsystem. Aber im März haben wir, mein Freund und ich, uns mit Corona infiziert.
Mich hat es heftiger erwischt als meinen Freund. Ich hatte Halsschmerzen, Husten, etwas Fieber, habe zwischendurch ein paar Tage meine Stimme verloren. Außerdem war ich extrem schwach. Wenn ich ins Bad musste, war ich hinterher völlig erledigt. Ich hatte ständig das Gefühl, gegen eine Hand auf der Brust anatmen zu müssen. Gerade, als ich dachte, es würde langsam aufwärts gehen, nach zwei, drei Wochen, habe ich plötzlich meinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren. Komplett. Mein Freund hatte Pilzrisotto gekocht, wir essen - und ich schmecke gar nichts.
Wir haben wie verrückt nachgewürzt, mit Salz, Pfeffer, Chili. Aber ich habe überhaupt nichts geschmeckt. Da habe ich schon ein bisschen Angst bekommen, weil keiner sagen konnte, ob das ein Symptom ist, das zwei Tage bleibt oder eine Woche, einen Monat – oder für immer?
Zum Glück haben die Sinne bald angefangen, sich wieder zu erholen. Aber sehr langsam. Covid ist jetzt ein halbes Jahr her, doch mein Geschmack ist immer noch nicht ganz da. Seit einer Weile verbessert er sich auch nicht mehr.
Ich habe außerdem bis heute Schwierigkeiten, mich längere Zeit zu konzentrieren. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich nun schon seit Monaten nicht mehr auf vollen Touren arbeite: Ich bin Projekt- und Eventmanagerin, Coach und Yogalehrerin, renne sonst von Termin zu Termin. Seit Corona ist der Alltag entschleunigter. Vielleicht ist deswegen das Gehirn in einer Art Ruhemodus? Andererseits habe ich schon von mehreren ehemaligen Covid-Patienten gehört, dass sie solche Konzentrationsprobleme haben. Neurologen gehen dem jetzt wohl nach.
Definitiv das gravierendste Überbleibsel der Erkrankung ist aber die Belastung meiner Lunge. Das Atmen fällt mir nach wie vor schwer. Im Alltag, wenn ich mal die Treppe hochlaufe oder so, bin ich schnell außer Atem. Da hilft es mir einerseits, dass ich Yogalehrerin bin: Beim Yoga trainiert man, bewusst und tief zu atmen. Andererseits merke ich dabei auch, wie kurzatmig ich noch bin: Vor Covid konnte ich beim Einatmen entspannt langsam bis 12 zählen, beim Ausatmen auch. Jetzt schaffe ich es mit viel Anstrengung gerade mal bis 6 oder 7.
Ich habe schon einen Lungenfunktionstest beim Spezialisten gemacht. Der hat gezeigt, dass meine Lungenkapazität eingeschränkt ist. Zum Glück scheint das Organ aber nicht beschädigt zu sein. Ich soll den Test jetzt alle sechs Monate machen – man wisse einfach nicht, wie sich die Langzeitfolgen von Covid entwickeln, meinte der Arzt. Ich habe ihn gefragt, ob die Kurzatmigkeit bleibt. Aber die Ärzte haben einfach noch keine Antworten.
Ich versuche, über all das möglichst wenig nachzugrübeln, sondern positiv zu denken, die Situation so anzunehmen, wie sie ist. Ändern kann ich sie sowieso nicht. Zum Glück beeinträchtigen mich die Covid-Folgen im Alltag nicht allzu sehr: Ich nehme einfach Rücksicht auf meine Kurzatmigkeit, belaste mich weniger. Und mein Essen, ok, das würze ich eben weiterhin übermäßig.
Nach wie vor ist in meinem Blut eine hohe Zahl an Antikörpern messbar. Das heißt, ich kann mich aktuell nicht wieder mit Corona infizieren und ich kann auch niemanden anstecken. Theoretisch könnte ich mich also ohne Maske frei bewegen. Aber aus Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen, damit die sich auch gut fühlen, ziehe ich mir natürlich trotzdem im Supermarkt die Maske auf – und bin sauer, wenn ich Leute ohne Maske sehe und nebendran steht eine alte Dame, die deswegen Angst hat. Für mich ist respektvoller Umgang miteinander sehr wichtig. Da können wir aus dieser Zeit viel lernen.
Gesprächsprotokoll: Anna Corves
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