#Wiegehtesuns? | Geflüchtete Schülerin
Drei Stunden Deutsch in der Woche - in der Willkommensklasse von Dina läuft der Unterricht nach der Corona-Pause langsam wieder an. Nicht zur Schule gehen zu können, kennt die 13-Jährige aus ihrer Heimat Afghanistan. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Die 13-jährige Dina lebt mit ihrer siebenköpfigen Familie in einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Berlin-Mariendorf. Seit vier Jahren ist die Familie auf der Flucht, vor sechs Monaten kamen sie nach Berlin. In Athen war Dina das erste Mal für zwei Jahre in einer richtigen Schule. In ihrer Heimat Afghanistan hatte sie Privatunterricht. Deswegen kann sie auf Englisch erzählen, wie es ihr jetzt geht:
Ich war sehr traurig als die Schule wegen Corona geschlossen wurde. Ich konnte erst nach den Winterferien eine Willkommensklasse besuchen und hatte mich schon sehr darauf gefreut. In den zwei Wochen Unterricht habe ich die ersten richtigen deutschen Sätze gelernt. Die Lehrer waren zufrieden mit mir und meinten, ich könne bald zu den deutschen Kindern in die Klasse. Jetzt habe ich Vieles wieder vergessen.
In unserer Unterkunft für Geflüchtete ist es sehr langweilig. Unsere Familie hat dort zwei Zimmer. Im einen schlafe ich mit meiner großen Schwester (15) und meinem Bruder (elf). Im anderen meine Eltern mit den Zwillingsbrüdern (zwei Jahre alt). Es gibt nicht viel zu tun. Ich helfe meiner Mutter. Manchmal spielen wir Kinder Fußball auf dem Hof. Zweimal gab es Post von der Schule mit einigen Arbeitsblättern. Im Internet lerne ich nicht, ich habe nur ein Handy mit wenig Guthaben und das WLAN im Heim ist oft überlastet.
Wir haben unsere Heimatstadt Herat vor über vier Jahren wegen der Taliban verlassen. Wegen ihnen konnten wir auch nicht zur Schule gehen. Wir hatten zu Hause Unterricht. Die Lehrerin hat uns viel Englisch beigebracht. Durch den Iran sind wir in die Türkei gereist und von dort mit einem Schlauchboot und vielen anderen Menschen nach Lesbos übergesetzt. Das war furchtbar.
Wir waren zuerst im Camp Moria. Es gab wenig Essen, ein Zelt für uns alle, keine Schule, viel zu viele Leute. Weil meine Mutter krank wurde, konnten wir später nach Athen. Dort bin ich zwei Jahre lang in eine griechische Schule gegangen. Nachmittags habe ich das Projekt Elix für Flüchtlingskinder besucht und Griechisch, Mathe und viel Spannendes gelernt. Letzten Sommer habe ich die 5. Klasse in Griechenland geschafft. Ich hatte auch eine tolle griechische Schulfreundin.
Im letzten Herbst ist meine Familie nach Berlin gezogen. Ich musste vier Monate warten, bis ich eine Willkommensklasse besuchen konnte, und nach nur zwei Wochen war es wegen Corona eben schon vorbei. Langsam beginnt der Unterricht wieder: montags, mittwochs und freitags eine Stunde Deutsch. Einige Wörter sind mir wieder eingefallen. Ich habe sonst keine Möglichkeit Deutsch zu lernen, weil ich noch keine deutschen Kinder kenne.
Wenn ich die Leute mit den Masken sehe, erinnert mich das an die Frauen in Afghanistan. Ich muss dann immer fast weinen, will aber nicht, dass meine Eltern das merken. Ich vermisse meine Omas in Herat und auch meine griechische Freundin in Athen.
Jetzt im Ramadan ist es besonders schwer. Wir teilen uns mit vier Familien die Küche und zwei Toiletten. Abends wollen alle kochen. Es ist sehr eng. Da ist es sehr anstrengend, die Hygieneregeln einzuhalten. Wir beten im Ramadan viel, dass Gott uns hilft und Corona beendet. Wir halten als Familie zusammen. Wir haben schon so viel überstanden. Wir müssen nach vorne blicken.
Gesprächsprotokoll: Cosima Jagow-Duda
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Beitrag von Cosima Jagow-Duda
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