#Wiegehtesuns? | Heimgekehrte Auswanderer
René aus Lübbenau hat sich vor etwa zehn Jahren einen Aussteigertraum verwirklicht. Er hat in Indonesien geheiratet, ein Kind bekommen und ein Gästehaus betrieben. Jetzt ist er - samt Familie - zurück im Spreewald. Coronabedingt. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
René kommt aus Lübbenau und ist vor knapp zehn Jahren nach Indonesien ausgewandert. Dort hat er seine Frau Rini geheiratet und mit ihr und später auch der gemeinsamen Tochter Emma auf einer kleinen Insel gelebt. Die hat die Familie auf einer Insel ein Gästehaus geführt. Nun ist René samt Familie zurück in Brandenburg. So geht es Réne, Rini und ihrer Tochter Emma:
René: Unser Gästehaus auf der Insel lief gut. Wir waren als Familie sehr glücklich. Bis dann die Corona-Pandemie aufkam, deretwegen wir unser Leben in Indonesien leider aufgeben mussten. Denn unsere Einnahmen haben wir zu 95 Prozent durch zumeist deutschsprachige Tagestouristen erwirtschaftet. Da dann niemand mehr nach Indonesien einreisen durfte und auch, weil wir uns das Leben so nicht weiter vorstellen konnten, sind wir nach Brandenburg übergesiedelt.
Andere Arbeitsmöglichkeiten als den Tourismus hat es für mich als Ausländer in Indonesien kaum gegeben. Auch, weil ich nicht spezialisiert ausgebildet bin. Ich war in Deutschland in der Öffentlichen Verwaltung tätig. Meine Frau Rini hat früher, bevor wir auf die Insel gezogen sind, in Indonesien als Lehrerin gearbeitet. Aber auch wenn sie in diesen Beruf zurückkehren würde, würde uns das nicht zu dritt finanzieren, denn das Einkommen ist zu gering.
Weil wir auch an unser zu diesem Zeitpunkt siebenjähriges Kind denken mussten, haben wir uns, nachdem wir lange Zeit überlegt haben, entschieden, nach Deutschland zu gehen. Unser Hauptgrund zu gehen war unsere finanzielle Situation. Ohne finanzielle Möglichkeiten hätten wir unsere Tochter nicht ausbilden können. Obwohl wir sie schon viel selbst unterrichtet haben, hätten wir ja auch Schulmaterial und vieles mehr gebraucht.
Die Corona-Maßnahmen in Indonesien selbst sind sehr hart und sehr strikt. Eine Weile stand auch im Raum, dass das Militär die Macht übernehmen könnte. Das empfand ich als dort lebender Ausländer durchaus als großes Risiko. Wir waren dahingehend froh, auf unserer abgelegenen Insel zu leben. Dort wurden wir weitgehend in Ruhe gelassen. Wir waren zwar auch im Lockdown und es wurde mehr Polizei und mehr Armee zur Insel geschickt, weil sie als strategischer Standort galt. Aber man ließ uns in Frieden. Das sah in den Städten anders aus.
Zudem wurden Ausländer, auch wenn sie schon vor der Pandemie in Indonesien waren, anfangs wirklich schief angeschaut. Denn es hieß ja, Corona kommt nicht aus Indonesien, sondern von den Ausländern. Das war schon ein bisschen beängstigend. Also haben wir uns entschlossen, in den sauren Apfel zu beißen und zu gehen. Und das für lange Zeit. Es war von Anfang an klar, dass wenn wir gehen, wir nicht nur für ein paar Jahre gehen, sondern wahrscheinlich mindestens bis zu Emmas Schulabschluss. Wäre Emma nicht an Bord, hätten wir wahrscheinlich versucht, weiter durchzuhalten.
Seit Oktober 2020 leben wir jetzt in Brandenburg. Auch wenn die Umstellung heftig war, haben wir uns gut eingelebt. Ich habe Arbeit gefunden, unsere Tochter geht in die Schule und ist dort gut integriert. Wir sind glücklich, dass wir zurückgekehrt sind.
Rini: Ich finde auch, dass wir gut angekommen sind. Natürlich mussten wir uns erst einmal eingewöhnen. Aber jetzt fühle ich mich hier in Lübbenau zu Hause. Auch wenn es schon sehr kalt ist. Die Wärme fehlt mir. Aber es gefällt mir trotzdem und es ist eine Abwechslung.
Eigentlich haben wir Emma versprochen, dass wir jedes Jahr in den Ferien nach Indonesien fahren. Aber im vergangenen Sommer ist genau die Delta-Variante dort angekommen und wir konnten nicht hin. Außerdem hält uns auch die vorgeschriebene Hotel-Quarantäne davon ab. Deshalb können wir nicht einmal unseren nächsten Urlaub dorthin planen. Geschweige denn unsere Rückkehr. Zwar gehören uns immer noch das Land und unser Haus auf der Insel. Aber um dort leben zu können, müsste der Tourismus erst einmal wieder richtig losgehen.
René: Was die Corona-Maßnahmen betrifft, sind wir es ja schon lange gewöhnt beispielsweise Masken zu tragen. Schon als es in Deutschland noch hieß, Masken würden nichts bringen, haben in Indonesien alle, sobald sie das Haus verließen, eine Maske getragen. Da hat man großen Wert drauf gelegt. Auch dass die Maske da getragen wird, wo sie sein soll: über Mund und Nase. Niemand ist in Indonesien draußen ohne Maske unterwegs gewesen. Wer sie nicht trägt, wird dort auch bestraft. Wer ohne erwischt wurde, wurde beispielsweise von der Polizei aufgefordert Liegestütze machen, dabei gefilmt und dann in den Sozialen Medien oder im Fernsehen öffentlich bloßgestellt. Sodass derjenige sein Gesicht verlor. So ist das in Indonesien üblich.
Die Corona-Maßnahmen hier in Deutschland finde ich völlig nachvollziehbar. Ich verstehe auch, dass man – insbesondere im Hinblick auf Omikron und die kritische Infrastruktur – über eine Impfpflicht nachdenkt. Gerade bei medizinischem Personal, Feuerwehr oder Polizei wird es vielleicht gar nicht ohne Pflicht gehen. Denn wenn dort nicht genug Personal vorhanden wäre, wäre das ja fatal.
Rini: Wir kommen ja aus einem Land, wo sämtliche Maßnahmen viel stärker sind als hier in Deutschland. Man darf noch immer nur doppelt geimpft und mit zehntägiger Hotel-Quarantäne überhaupt nach Indonesien einreisen. Da muss man bei der Einreise direkt vom Flughafen hin – und muss das auch alles selbst bezahlen. Den Impfnachweis braucht man auch, wenn man einen Inlandsflug antreten will oder in eine Shopping Mall rein will. Das ist ja hier in Deutschland alles deutlich lockerer.
René: In Indonesien wurde sowieso gar nicht über irgendwelche Maßnahmen diskutiert, da wurde ein Lockdown ab dem nächsten Tag verhängt, Ende. Die meisten Entscheidungen wurden über Nacht gültig. Dagegen gab es in den großen Städten auch Proteste - aber nur am Anfang. Inzwischen leben dort alle ihr Leben – bis auf manchmal vorkommende Ausbrüche – ziemlich normal weiter. Ausbrüche gibt es oft nach Feiertagen. Dann gibt es wieder härtere Einschränkungen für ein paar Wochen. Das akzeptieren die Menschen aber. Es ist ihre Normalität geworden. Aber solche rigiden Maßnahmen durchzusetzen, wäre in einem Rechtstaat wie Deutschland ja sehr schwer.
Obwohl wir uns jetzt in Brandenburg sehr wohl fühlen, würden wir am liebsten gleich morgen zurück nach Indonesien gehen. Aber wir müssen uns jetzt erstmal hier eine Perspektive erarbeiten. Auch, damit wir Rücklagen haben, wenn wir wieder zurückgehen können. Also genießen wir es jetzt erst einmal, hier sein zu dürfen. So hat auch meine Familie was von ihrem Enkelkind Emma.
Emma: Ich fühle mich wohl hier. Aber ich vermisse meine Katze Barbara. Hier kann ich keine haben, weil wir in einer Wohnung wohnen und sie nicht raus könnte.
Gesprächsprotokoll: Sabine Priess
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