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Quelle: dpa/Sven Simon

#Wiegehtesuns? | Berliner Friseurin

"Die Kunden sind alle kurz vorm Durchdrehen. Wir selbst auch."

Obwohl ihr Styling-Salon in Prenzlauer Berg derzeit geöffnet sein darf, hat Inhaberin Jana Zakertzewski schlaflose Nächte. Denn es bleibt unklar, wie es weitergeht. Außerdem ist da noch der Schnellkredit, den sie abzahlen muss. Ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Jana Zakertzewski ist Friseurin und Inhaberin des Styling-Salons "Etablissement" in Berlin Prenzlauer Berg mit zwei Angestellten. Ihr Salon ist seit Anfang März zwar wieder offen. Schlaflose Nächte hat sie aber immer noch. Schließlich weiß man nicht, wie es weiter geht und außerdem ist da noch der Schnellkredit, der in den nächsten Jahren abbezahlt werden muss. So geht es Jana Zakertzewski.

Salon-Inhaberin Jana Zakertzewski | Quelle: privat

Ich schlafe nicht gut. Das meine ich wortwörtlich. Die Existenzangst und die Angst, dass es irgendwie gar nicht weitergeht, rauben mir den Schlaf.

Förderlich ist da auch nicht, dass wir Friseure durch die Hygienemaßnahmen derzeit zehn bis zwölf Stunden täglich unter der Maske arbeiten. Das macht schon was mit der Sauerstoffzufuhr. Ich glaube, das kann jeder bestätigen, der Masken im Dauereinsatz trägt.

Ich muss in der Rückschau sagen, dass ich den ersten Lockdown nicht so schlimm fand. Das war irgendwie eine kollektive Sache. Keiner wusste, wie es weiter geht und alle hatten noch Hoffnung, dass es bald besser wird. Den zweiten Lockdown fand ich zu lasch. Ich finde sogar, dass man uns zu lange aufgelassen hat.

Meine beiden Angestellten habe ich zwischenzeitlich in Kurzarbeit schicken müssen. Anders ging das nicht. Wir können ja als Friseure nur schlecht Click & Collect anbieten. Wir haben uns vor dem Weihnachts-Lockdown bei Akademien in London und L.A. für Online-Seminare angemeldet. So haben wir die Zeit während des Lockdowns sinnvoll nutzen und uns fortbilden können. Wir haben uns in der Zeit auch digitalisiert. Wir haben jetzt Online-Kassensysteme und so weiter. Wir waren also immerhin beschäftigt.

Aber am bisher anstrengendsten finde ich, auch wenn wir öffnen dürfen, den jetzigen Lockdown. Denn mit der Empathie lässt es langsam nach. Die Leute - Kunden und wir selbst auch - sind alle kurz vorm Durchdrehen.

Es scheint so vieles willkürlich. Was soll das denn, dass man jetzt Gründonnerstag und Ostersamstag dicht macht und den Menschen schon wieder einen Teil ihres Umsatzes nimmt. Wir müssen doch auf jeden Cent und Euro achten.

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Als wir noch geschlossen hatten, gab es eine Menge Kunden, die uns gebeten haben, zu ihnen nach Hause zu kommen und sie dort zu frisieren. Ich habe schon darüber nachgedacht, ob ich mir eine SMS als Antwort-Vorlage fertig mache, die ich auf solche Anfragen verschicken kann. Ich habe jeweils ruhig vermittelt, dass für uns die Strafe in keiner Relation zur Verlockung steht. Es standen ja nicht nur Berufsverbot, sondern auch der dauerhafte Entzug von Gesellen- und Meisterbrief im Raum. Die meisten konnten das annehmen. Einige wenige waren penetrant.

Wir haben insgesamt nur wenige Kunden, die ihre Maske nicht tragen wollen oder Corona insgesamt leugnen. Aber da wäre ich auch ganz klar. Ich habe ja das Hausrecht und bin zudem für meine Angestellten und die anderen Kunden verantwortlich: Kunden ohne Maske hätte ich nicht bedient.

Unser Salon ist zwei Mal vom Ordnungsamt kontrolliert worden. Ich war beide Male alleine da. Beim ersten Mal, da war es noch warm und die Tür war immer offen, wurde gar nichts bemängelt. Beim zweiten Mal, da war es schon kalt draußen, wurde ich darauf hingewiesen, dass ich auf die Wege der Kunden im Salon achten und das Abkassieren am Platz vornehmen sollte. Und auch, dass die Kunden nur einzeln zur Toilette gehen.

Manchmal habe ich schon Zweifel, ob ich das noch lange durchhalte. Einerseits ist da die finanzielle Seite. Wir stehen zwar vordergründig ganz gut da. Das liegt aber daran, dass wir einen Schnellkredit bekommen haben. Aber auch ein Schnellkredit ist ein Kredit. Ich zahle da jetzt jahrelang Geld zurück für eine Sache, an der ich keine Schuld trage und die vielleicht auch anders hätte gelöst werden können. Das ist schon ein harter Brocken.

Klar können wir uns so von einem Lockdown zum nächsten hangeln. Aber die Frage ist, inwieweit ich das meiner Psyche und meinem Seelenheil antun will. Ich frage mich immer wieder, wo mein Limit ist. Auch emotional. Das schlaucht. Ich habe extrem abgenommen und war von Januar bis März immer wieder krank. Also ich hatte kein Corona – ich habe mich immer wieder testen lassen.

Dabei haben wir noch Glück als Friseure – das ist für uns keine Branchenkrise. Sobald die Pandemie vorbei ist, sind unsere Kunden wieder da. Das ist in anderen Bereichen anders.

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Was mich wirklich wütend macht ist, dass der R-Wert eigentlich bei Schließungen kaum noch beachtet wird. Für uns "körpernahe Dienstleistungen" liegt der bei etwa 0,6. Bei Großraumbüros sieht das ganz anders aus. Da geht man von einer viel höheren Ansteckungsgefahr aus.

Warum kann man die Orte, die schlüssige Hygienekonzepte haben, umsetzen und kontrollieren, nicht offen lassen? Wir machen dann dicht, während die Leute im Großraumbüro immer noch ohne Maske sitzen. Oder sich andere in ein Flugzeug nach Mallorca setzen.

Vieles ist einfach nicht nachvollziehbar. Es gibt auch eigentlich freiberufliche Stylisten und Friseure, die sich während des Lockdowns für sogenanntes innerbetriebliches Arbeiten für Filmarbeiten von Produktionsfirmen haben anstellen lasse . Das war ein Schlupfloch. Da konnten dann super viele Leute zusammenarbeiten und sich alle anstecken.

Ich finde, Großfirmen sollten einfach in die Pflicht genommen werden. Auch mit einer Homeoffice-Pflicht.

Gesprächsprotokoll: Sabine Priess

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