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Quelle: imago images/Christoph Reichwein

#Wiegehtesuns | Mutter zweier Grundschüler

"Jetzt sitzen die Kinder wieder bei fünf Grad am offenen Fenster und frieren"

An die Schulschließungen erinnert sich Julia T. nicht gern. Denn auch ihre Kinder haben diese Zeit nur schwer wegstecken können. Nun hofft sie, dass es trotz hoher Inzidenzen nicht nochmal so weit kommt - und ärgert sich über fehlende Luftfilter. Ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Julia T. (*Name von der Redaktion geändert) ist die Mutter zweier Grundschüler, die zehn und zwölf Jahre alt sind. Sie leben gemeinsam, mit Julias Mann, in Berlin-Pankow, wo die Kinder auch zur Schule gehen. Die bisherige Corona-Zeit, insbesondere die Schulschließungen, haben der Familie einiges abverlangt. Jetzt hofft Julia, dass es so weit nicht noch einmal kommt. So geht es Julia:

Ich arbeite fast Vollzeit, genau wie mein Mann. Wir haben unsere Stellen beide – schon vor Corona – ein wenig reduziert, sodass wir uns die Betreuung der Kinder an den Nachmittagen aufteilen können.

#Wiegehtesuns? | Der Grundschüler

"Manchmal haben mich die vielen Veränderungen durcheinandergebracht"

Präsenzunterricht, Homeschooling, Videokonferenzen, Wechselunterricht, Masken, Tests - zum Ferienstart blickt der elfjährige Lunes aus Königs Wusterhausen auf ein turbulentes Schuljahr zurück. Ein Gesprächsprotokoll.

Was Corona betrifft, gehen die Zahlen ja jetzt wieder durch die Decke, die Ministerpräsidenten wollen wieder tagen und die Booster-Impfungen werden diskutiert. Und ich muss sagen, dass es mich wirklich ärgert, dass alle so überrascht sind in diesem zweiten Corona-Winter. Überrascht davon, dass es so kommt wie vorhergesagt. Trotzdem schauen sich alle mit großen Augen an und fragen sich, was sie jetzt machen sollen.

Berlins Regierender Bürgermeister hat ja auch kürzlich erst gesagt, dass die Maskenpflicht an den Grundschulen ausgesetzt bleiben soll. Da bin ich echt hin- und hergerissen. Einerseits ist die oberste Prämisse, dass die Schulen offenbleiben sollen. Um das zu erreichen gibt es ja, neben dem Tragen von Masken, mehrere Maßnahmen.

Für meine Tochter war das Maskentragen bis vor die Herbstferien total selbstverständlich, als Schutz für sich selbst und für andere. Mein Sohn hingegen hat sich immer mal wieder beklagt, dass er nicht richtig atmen kann und dass es ihn anstrengt. Ich denke, er zieht die Maske dann unbewusst unter die Nase, sodass sie im Grunde auch nicht mehr so viel bringt. Trotzdem ist der Schutz in der Klasse insgesamt höher, wenn die Kinder eine Maske tragen, denke ich, selbst wenn die eine oder andere mal nicht richtig sitzt. Also von mir aus sollen die Kinder lieber wieder Masken tragen, bevor die Schulen wieder geschlossen werden. Ich finde aber, dass das was in den Schulen gilt, auch woanders gelten muss - wie im Kino oder Museum.

Insgesamt ist Corona für meine Kinder zu einer Art Normalität geworden, mein Sohn kann sich nicht erinnern, dass wir "früher" ohne Masken Bahn gefahren sind. Und meine Tochter war sehr froh und erleichtert, als sie endlich geimpft werden konnte - da habe ich gemerkt, dass die Kinder Ängste haben, über die sie nicht so viel sprechen.

Was mich wirklich aufregt ist, dass es in Berlin noch immer kaum Luftfilter in den Schulen gibt. Das ist totales Politikversagen. Man weiß seit über einem Jahr, dass die helfen und will sie im Grunde genommen auch einsetzen – trotzdem sind in den Klassenräumen meiner Kinder weder faktisch Filter noch gibt es ein Datum, wann es sie geben wird. Da sitzen die Kinder jetzt wieder bei fünf Grad und offenem Fenster im Unterricht. Das bringt mich auf.

Ich, mein Mann und mein größeres Kind sind ja geimpft. Insofern habe ich nicht die Sorge, dass wir schwer erkranken könnten. Mein kleiner Sohn ist der einzige, der nicht geimpft ist. Aber auch bei ihm ist die Wahrscheinlichkeit, dass er schwer erkranken könnte, nicht sehr hoch, weil er ja ein Kind ist. Daher habe ich vor Corona selbst keine große Angst.

Was mir am meisten Sorge bereitet ist, dass die Schulen wieder schließen könnten. Bei den bisherigen Lockdowns waren die psychologischen Folgen für die Kinder, nicht nur für meine, teils recht schwerwiegend. Im ersten Lockdown waren ja alle erstmal überfordert. Da hat man ja auch wirklich gar keine Leute mehr getroffen und die Schulen waren zu. Das hat meine Kinder – und gerade meinen zehnjährigen Sohn - schon ziemlich aus der Bahn geworfen. Er hat dadurch eine depressive Verstimmung bekommen – von der war zuvor nie etwas zu spüren. Die hat sich darin geäußert, dass er die meiste Zeit traurig war und das durch übermäßiges Essen kompensiert hat.

Mit beiden Kindern sind wir durch die Schulschließungen und das Homeschooling aber auch in echte Rollenkonflikte gekommen. Meine zwölfjährige Tochter hat mich oft aufgebracht gefragt, warum sie dieses oder jenes Mathe-Blatt machen solle. Ich musste dann sagen, dass das die Schule verlangt und mit ihr herumstreiten. Aber auch mein kleiner Sohn hat irgendwann seine Arbeitsblätter zerissen. Wir hatten also deutlich mehr Streit. Die eigene Arbeit zu stemmen und zwei Kinder, die immer lustloser wurden, zu beschulen – das war echt ein ziemlicher Spagat.

#Wiegehtesuns? | Lehrerin in Brandenburg

"Mein Gehirn verträgt noch genau ein Reboot"

Der ständige und kurzfristige Wechsel zwischen Präsenz-, Distanzunterricht und den verschiedensten Lernplattformen frustriert die Brandenburger Lehrerin Birgit Schroeder. Für sie kümmert sich die Politik nur um die Interessen von Schülern und Eltern. Ein Gesprächsprotokoll.

Für mich selbst sind allerdings beruflich einige Aufgaben weggefallen, denn ich reise normalerweise viel. Da musste ich mich auch erstmal neu sortieren. Ich bin wirklich ein großer Fan vom Homeoffice und ich denke, dass viele Arbeitgeber, außer meinem, in der Krise bemerkt haben, dass das gut funktioniert.

Dass die Reisen wegfallen, hat sich für mich als sehr positiv herausgestellt, denn ich habe einfach mehr Zeit. Und mehr Zeit mit den Kindern und der Familie zu haben ist ja auch schön. Nur wenn man dabei zu isoliert ist, ist das auch nicht unbedingt gut. Aber gerade in dem Jahr vor Corona habe ich unheimlich viel gearbeitet, und so hatte und habe ich doch immerhin merklich mehr Luft.

Wir haben uns dann jetzt im Sommer einen Hund angeschafft, wovon ich immer geträumt habe. Ich bin gar nicht sicher, ob wir uns diesen Hund auch ohne Corona zugetraut hätten. Leider haben wir keinen Tierheim-Hund bekommen können, weil ja so viele Leute plötzlich einen Hund haben wollten. So haben wir einen Welpen beim Züchter gekauft, der uns allen viel Freude macht.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass in jedem Fall die Schulen offenbleiben. Dass also das Versprechen, das ja auch im vergangenen Winter gegeben und nicht gehalten wurde, dass die Schulen nicht geschlossen werden sollten, sondern, wenn überhaupt, erstmal in Wechselunterricht gehen sollten, diesmal gehalten wird. Vergangenen Dezember war dann ja auf einen Schlag alles dicht.

Sendung: Fritz, 03.11.2021, 21:30 Uhr

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