#Wiegehtesuns? | Die Kosmetikerin
Arbeiten mit Maske, Schutzbrille und Visier – und das oft zehn Stunden am Tag. Für Kosmetikerin Jenna ist ihre Arbeit durch die strengen Hygieneauflagen zum Kraftakt geworden, auch finanziell. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Jenna Woche (24) ist ausgebildete Kosmetikerin und Masseurin in Reinickendorf. Vor drei Jahren eröffnet sie ihr eigenes Studio, auch eine Mitarbeiterin hat sie inzwischen. Nach dem Lockdown ist ihre Situation alles andere als einfach. So geht es Jenna:
Mein Arbeitsalltag ist extrem zeitaufwendig geworden. Man muss wirklich strukturiert und organisiert sein. Gerade in den Behandlungsräumen hat sich einiges verändert, weil wir die Bezüge nach jedem Kunden wechseln müssen. Generell dürfen wir nur Einwegprodukte verwenden, zum Beispiel Einmal-Schürzen. Bei der Behandlung tragen wir ein Visier und darunter eine Schutzbrille, einen Mundschutz und Handschuhe natürlich. Die werden ebenfalls desinfiziert.
Die ganze Mundschutz-Geschichte ist besonders belastend. Man kriegt schwer Luft, hat Atemnot, vor allem bei der Hitze. Eine Behandlung musste ich deshalb schon mal kurz abbrechen, weil mir schwarz vor Augen wurde.
Unsere Stammkunden kommen zwar regelmäßig. Aber einige sagen auch ganz offen, dass sie wegen Corona wegbleiben. Weil sie Angst haben. Wir haben auch einige ältere Kunden, da ist die Infektionsgefahr zu groß.
Ich habe mich inzwischen aber daran gewöhnt, dass weniger Buchungen kommen. Zwischen den Terminen gibt es dadurch große Abstände: Ein Kunde kommt beispielsweise um 10 Uhr, der nächste erst zwei Stunden später.
Finanziell ist mir mehr als die Hälfte meiner Einnahmen weggebrochen. Mein Gehalt fällt somit sehr gering aus. Dadurch muss ich jetzt an allen Ecken sparen und auf vieles verzichten – im Privaten und im Geschäft. Ich fahre jetzt zum Beispiel kaum noch mit dem Auto und komme oft mit dem Fahrrad. Auch im Studio gucken wir, dass wir preiswertere Produkte einkaufen, was wiederum für den Kunden nicht schön ist.
So wie es jetzt gerade ist, macht mir die Arbeit keinen Spaß. Und für die Kunden bleibt das Wellnessgefühl total auf der Strecke. Die muss ich schon bei der Begrüßung darauf hinweisen, dass sie den Mundschutz tragen, sich die Hände desinfizieren und Handy und Tasche am besten gar nicht benutzen. Viele fragen mich auch, ob sie ihre Maske im Studio doch abnehmen dürfen. Bei einer Gesichtsbehandlung geht das natürlich nicht anders, aber ansonsten darf das nicht sein. Angenommen, das Ordnungsamt macht eine Hygienekontrolle und sieht das. Dann hätte ich wahrscheinlich ein ordentliches Bußgeld zu zahlen.
Wenn Kunden mal ein Glas Wasser wollen, muss ich ihnen sagen: Nein, das geht nicht. Das ist mir unangenehm. Wegen der Hygienemaßnahmen darf ich nämlich nichts anbieten. Warum, weiß ich nicht. In der Gastronomie trinkst du auch aus einem Glas. Das ist halt sehr widersprüchlich. Man sollte eigentlich das System nochmal überarbeiten - damit jeder gleichberechtigt ist.
Ich arbeite momentan von Montag bis Samstag durch. Es geht nicht anders. Montags hatte ich normalerweise geschlossen. Wenn es die Möglichkeit gäbe, würde ich sogar sonntags öffnen, um erstmal den Umsatz ein wenig aufzustocken. Das ist so ein ruhiger und entspannter Tag für viele Menschen. Ich denke, dass das einige nutzen würden. Gesundheitlich würde ich das aber nicht lange durchhalten.
Mein Erspartes ist inzwischen weg, genauso wie die 5.000 Euro Soforthilfe, die ich im April bekommen hatte. Das Geld darf ich allerdings nur für die Ladenmiete und meine Leasing-Geräte verwenden. Ich muss also voraussichtlich etwa 2.000 Euro zurückzahlen. Dabei muss ich ja auch für meine eigene Miete und Versicherungen aufkommen, plus die ganz normalen Lebenshaltungskosten. Als Selbständige habe ich außerdem sehr hohe Krankenkassenbeiträge.
Dass ich dafür auch meine eigenen Rücklagen aufbrauchen musste, tut sehr weh. Ich habe immer gut gewirtschaftet und gespart. Aber ich hätte es gerne für Geräte oder Schulungen ausgegeben. Nicht für Corona.
Gesprächsprotokoll: Jessy Lee Noll
Wie geht es Ihnen? Wie sieht Ihr Alltag gerade aus? Erzählen Sie rbb|24 Ihre Geschichte in Zeiten von Corona! Einfach eine Mail schicken an internet@rbb-online.de. Wir melden uns bei Ihnen.
Sendung:
Artikel im mobilen Angebot lesen