Eigentlich wäre Karl jetzt in Kanada, aber mit dem Auslandsjahr hat es für den Schüler aus Wriezen nicht geklappt - wegen Corona. Stattdessen saß er sechs Monate im Home-Schooling. Der Präsenzunterricht ist für ihn seit Langem ein Schritt nach vorn. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Karl Herrmann ist 17 Jahre alt und besucht die 11. Klasse des evangelischen Johanniter Gymnasiums in Wriezen. In den letzten sechs Monaten fand der Unterricht vor allem in seinem Zimmer vor dem Laptop statt. Dabei wollte Karl eigentlich das Schuljahr an einer High-School in den kanadischen Rocky Mountains verbringen. So geht es Karl:
Da die Abiturienten weg sind, dürfen wir nun als Abschlussklasse endlich wieder in den Präsenzunterricht. Es fühlt sich gut an, die Freunde wiederzusehen, auch einfach mal wieder jemand anderen zu sehen außer den Laptop zu Hause.
Ich habe es auch wirklich satt, drin herumzusitzen und auf den Bildschirm zu starren. In der Schule, da pflegt man einen direkten Austausch. Alles ist einfach direkter und nichts so unpersönlich wie im Home-Schooling.
Eigentlich wollen sie durchstarten, doch stattdessen erleben viele junge Erwachsene derzeit eine Vollbremsung. Der Film von Cosima Jagow-Duda (rbb), Hans Jakob Rausch(NDR) und Judith Heinze (MDR) begleitet einen Schüler, eine Studentin und eine Auszubildende im Corona-Alltag.
Mir fällt es teilweise auch schwer, dem Lehrer vor dem Laptop zuzuhören und über 80 Minuten eine erhöhte Konzentration und Mitarbeit im Unterricht abzuliefern. Oft ist die Kamera bei vielen Schülern nicht an und es ist mehr so ein anonymes Ding, man spricht im Prinzip wie gegen eine Wand. Auch die Internetverbindung ist nicht immer die Beste.
Ich mache mir schon Sorgen, den Anschluss zu verlieren. Ich habe Vieles im Home-Schooling noch nicht fertig gemacht. Man versteht auch einfach nicht alles so richtig. Nicht alle Schüler haben das Selbstvertrauen, online nachzufragen, zu sagen: 'Hab' ich nicht verstanden, bitte nochmal erklären!' Das ist immer so eine Sache.
Mein Abi sehe ich nicht in Gefahr, würde ich sagen. Aber viele meiner Freunde sagen auch, dass sie eventuell die Elfte wiederholen wollen beziehungsweise nach der Elften abgehen werden, mit dem Fach-Abi. Viele haben auch Angst, dass unser Abitur nicht so viel wert sein wird. Ich denke aber, wenn man ein Abi mit 1 hat, das zeigt doch, dass man fleißig war, auch während Corona.
Wenn Corona nicht wäre, dann würde ich Fußball spielen im Verein. Alleine Sport zu Hause machen oder laufen gehen, das ist einfach nicht das Gleiche für mich.
Dann würde ich mich mehr mit Freunden treffen und ins Kino gehen. Ich bin ja jemand, der viel Kontakt zu seinen Freunden braucht – das fehlt komplett.
Eigentlich war im letzten Sommer geplant, für ein Auslandsjahr nach Kanada zu gehen, nach Revelstoke in den Rocky Mountains. Ich hatte eine Zusage, meine Gastfamilie stand bereit, ich hatte meinen Koffer im Prinzip schon gepackt, habe selber Geld verdient und mir eine Ski-Ausrüstung gekauft. Zwei Tage vor der Abreise wurde das Ganze dann ausgesetzt, weil das Visum noch nicht gekommen war, und dann war uns schon klar, das könnte zu einer Absage führen. Dann haben sie uns noch sechs Wochen hingehalten, um es vielleicht doch noch möglich zu machen. Es wurde dann doch nichts. Das Auslandsjahr in British Columbia war plötzlich Geschichte.
Ich wollte nach Kanada, um mir ein Jahr Auszeit zu nehmen und auch mal etwas anderes zu sehen, außerhalb von Europa. Die Chance zu so einem High School Jahr mit Gastfamilie ist für mich nun nicht mehr da, das geht halt nur nach der 10. Klasse, und das ist jetzt einfach nicht mehr möglich.
Natürlich fühle ich mich ausgebremst, für mich war dieses Jahr ein Rückschritt in fast allen Bereichen.
Prinzipiell hoffe ich aber das Beste, dass es so weitergeht und wieder alles aufmacht mit der Zeit - aber bestimmen kann ich das halt nicht.