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Symbolbild | Quelle: dpa/Krämer

#Wiegehtesuns? | Pflegende Angehörige

"Ich müsste mich verschulden, um sie weiterhin zu pflegen"

Eine junge Frau kümmert sich seit vielen Jahren um ihre hilfsbedürftige Mutter. Um sie nicht anzustecken, nimmt sie Pflegezeit in Anspruch. Die Freistellung vom Job bedeutet aber: kein Lohn. Das Protokoll einer pflegenden Angehörigen.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Mina Z.* [Name von der Redaktion geändert], 31 Jahre alt, alleinstehend, ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet im öffentlichen Dienst. Mit ihrer pflegebedürftigen Mutter lebt sie in Potsdam-Mittelmark im gemeinsamen Haushalt. So geht es Mina.

Ich pflege meine Mutter schon, seit ich Schülerin bin. Sie hat seit mehr als 40 Jahren chronisches Rheuma, und ist dadurch in ihrem Bewegungsapparat eingeschränkt. Ihr Immunsystem ist ebenfalls angegriffen. Meine Mutter ist über 70 Jahre alt und gehört auch durch ihre Vorerkrankung - als Kind hatte sie beispielsweise Tuberkulose - zur gefährdeten Corona-Risikogruppe.

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Um ihren Alltag bewältigen zu können, ist sie auf Hilfe angewiesen. Ich helfe ihr beim Aufstehen und Anziehen, bereite die Mahlzeiten zu, stelle alles hin, was sie braucht, damit sie zurechtkommt, wenn ich arbeiten gehe. In guten Zeiten unterstützt uns eine private Pflegekraft, aber seit letztem Jahr bin ich allein.

Als sich die Situation um Corona zugespitzt hat, habe ich sehr schnell gehandelt. Ich kann meine Mutter nicht pflegen und gleichzeitig eine räumliche Distanz einhalten. Um zu vermeiden, dass ich sie anstecke, habe ich vom 9. März bis 30. April Pflegezeit genommen. Das ist eigentlich eine gute Sache: Renten- und Krankenkassenbeiträge werden weitergezahlt. Aber der große Nachteil des Pflegezeitgesetzes, egal ob Corona oder nicht: Man wird in dieser Zeit nicht bezahlt. Home-Office ist in meinem Job nicht möglich. Folglich kriege ich weder eine Lohnfortzahlung noch eine staatliche Unterstützung. Ich habe lediglich die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen aufzunehmen über das Familienministerium. Ich müsste mich verschulden, um sie zu pflegen.

Diese Situation macht mir große Sorgen. Sowieso ist der Alltag für alle, die mit einer pflegebedürftigen Person im gemeinsamen Haushalt leben - den Eltern, Ehepartnern oder Kindern - eine enorme Herausforderung. Meist übernehmen Frauen die Pflege. Wir müssen in unserem eigenen Leben zurückstecken. Das ist schon schwer. Dafür gibt es wenig Beachtung, finde ich.  

Durch Corona kommen existenzielle Probleme hinzu, da der Zeitraum auch nicht planbar ist. In vielen Fällen können es sich die pflegenden Angehörigen nicht erlauben, über einen längeren Zeitraum auf eine Lohnfortzahlung zu verzichten. Auch ich weiß nicht, wie lange ich das machen kann.

Ich habe das mehrfach dem Familienministerium geschildert, da hieß es nur: Ja, wir haben das Thema auf dem Schirm. Aber bislang sieht noch niemand eine Veranlassung, zu handeln. Meine Mutter und ich befinden uns jetzt beide in vorsorglicher Quarantäne, auf unbestimmte Zeit. Wir gehen nur zum Spazierengehen auf die Straße. Ich erledige unsere Einkäufe mit Schutzmaske und Handschuhen. Meine Mutter und ich haben ein sehr gutes Verhältnis. Deswegen überstehen wir diese Quarantäne, glaube ich, auch ganz gut. Aber es ist trotzdem eine enorme Belastung für uns beide.

Gesprächsprotokoll: Ula Brunner

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