#Wiegehtesuns? | Der Konzertveranstalter
Die Event- und Konzertbranche ist von Corona hart betroffen. Thomas Spindler ist Geschäftsführer von Trinity Music, einem der größten Konzertveranstalter in Berlin. Ihn frustriert vor allem, dass keine Ende in Sicht ist. Ein Protokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Thomas Spindler ist seit über 20 Jahren im Konzertgeschäft. Normalerweise würde gerade das von ihm veranstaltete "Citadel Music Festival" auf der Zitadelle Spandau voll im Gange sein. Aber es herrscht Stillstand. So geht es Thomas Spindler:
Alles, wofür ich gelebt habe und alles, was ich liebe, ist praktisch über Nacht weggebrochen. Wenn ich mir vorstelle, dass das mindestens noch ein halbes Jahr so weitergeht - denn Konzerte werden wir wohl dieses Jahr keine mehr machen - bekomme ich Angst.
Seit Anfang März haben wir keinerlei Einnahmen. Der Firmenverbund, dem Trinity angehört, beschäftigt etwa 500 Menschen. Von den Festangestellten mussten wir mehr als Zweidrittel in Kurzarbeit schicken. Dramatisch war es, als wir für März/April die Abrechnung bekommen haben. Das waren trotz Kurzarbeit Personalkosten von 100.000 Euro. Und demgegenüber stehen null Cent Einnahmen, das ist extrem bitter.
Wir beschäftigen auch viele Freelancer, Selbstständige, Studenten. Ich führe jeden Tag sehr emotionale Mitarbeiter-Gespräche, die mich oft traurig zurücklassen. In den Restaurants und Cafés, die wir betreiben, ist Kurzarbeit keine Option, da du dafür immer eine Perspektive brauchst. In der Erlebnis-Gastronomie können wir aber derzeit keine Arbeit zusichern und mussten uns von Leuten verabschieden.
Oft werde ich gefragt: Wie kann der Konzert- und Eventbranche geholfen werden? Die einzige Antwort, die ich inzwischen darauf habe: Indem wir wieder Konzerte veranstalten und die Clubs wieder öffnen können. Ja, ich habe mittlerweile den Eindruck, dass man registriert, wie wichtig das ist, was wir für diese Stadt leisten. Das ändert aber leider nichts daran, dass wir sehenden Auges in eine Katastrophe hineinsteuern. Und solange die Politiker auf den 1,50 Meter Mindestanstand bestehen, bedeutet das für uns: Es geht nicht voran. Für mich stimmen die Relationen der Entscheidungen einfach nicht. Es bleibt frustrierend.
Die Lockerungen in Bezug auf die Open-Air-Veranstaltungen verstärken nur meine Frustration. Open Air-Veranstaltungen für 200 oder 500 Leute sind für uns sinnbefreit. Wie soll das funktionieren? Auf welchen Plätzen soll das stattfinden? Und: All diese Konzerte mit bis zu 1.000 Teilnehmern sind Kulturarbeit. Sie werden in der Regel von uns Veranstaltern aus eigener Tasche subventioniert. Die kleinen Clubgeschichten sind bedeutend, weil aus ihnen oft die Stars erwachsen. Aber du brauchst wiederum die großen Namen und die Veranstaltungen ab 2.000 Teilnehmern, damit sich das Ganze rechnet.
Open-Air-Veranstaltungen mit 5.000 Teilnehmern, das würde uns wirtschaftlich etwas bringen. Unter Sicherheitsauflagen, allerdings ohne 1,50 Meter Mindestabstand, das ist ausgeschlossen. Aber ganz genau zu erfassen, wer die Konzerte besucht hat, um Ketten nachvollziehen zu können, das trauen wir uns zu. Das wäre eine gute Lösung.
Die ersten Soforthilfen, die der Senat auf den Weg gebracht hat, sind insofern trügerisch, weil sie die ganze Dramatik für die Konzertbranche und für die Gastronomie und Clubs in der Stadt nur aufschieben. Diese Hilfen retten dich über anderthalb bis zwei Jahre. Ich bin den Politikern dankbar, dass wir sehr schnell Geld bekommen haben. Aber es ist auch so, dass du für die Soforthilfen, die vom Senat mit 90 Prozent abgesichert wurden, als Eigentümer mit 100 Prozent gerade stehst. Alles, was ich aufgenommen habe, zahle ich in spätestens zwei Jahren komplett zurück.
Die Soforthilfe soll die monatlichen Fixkosten abdecken, ohne vollumfängliche Rückzahlungsforderung - ein wichtiger Schritt, aber auch dafür musst du gute Zahlen präsentieren. Viele Leute aus unserer Branche sind Überzeugungstäter. Die tun das aus Liebe und sehen nicht unbedingt den wirtschaftlichen Aspekt. Für sie wird es schwierig, dieses Geld zu bekommen.
Es hilft uns nicht, wenn 30 Prozent der großen Clubs und Veranstalter weiterkommen, aber der Rest, die kleineren Clubs, dran glauben müssen. Das wäre ein immenser Schaden für unsere Stadt. Diese Kulturvielfalt, das, was Berlin ausmacht und braucht, hier denkt die Stadt nicht mittel- bzw. längerfristig.
Indoor-Konzerte unter Corona-Bedingungen? Das wäre Verrat. Ich würde meine Seele verkaufen, wenn ich eine gute Band auf die Bühne hole und dann aber dafür Sorge tragen muss, dass im Publikum der Abstand gewahrt wird. Mal davon abgesehen, dass das eh nicht funktionieren würde. Das ist nicht das, wofür ein Clubkonzert steht. Mich deprimiert das zutiefst. Eigentlich muss man so ehrlich sein und sagen, große Konzerte und Veranstaltungen wird es erst wieder geben, wenn ein Impfstoff da ist.
Über irgendwelche alternativen Konzertkonzepte machen wir uns keine Gedanken. Ideen wie Autokino-Konzerte, in denen Bands auf der Bühne spielen und man selbst im Auto sitzt und die Musik durch Billiglautsprecher hört - das kommt für uns nicht in Frage, das ist totaler Schrott.
Die Trinity hat einen Jahresumsatz von mehreren Millionen, die 2020 fehlen. Wir machen normalerweise 1.000 Veranstaltungen im Jahr, das sind drei Events pro Tag. Einen Teil der geplatzten Veranstaltungen schieben wir ins nächste Jahr. Nun aber 2021 das Doppelte zu veranstalten, wird auch schwer. Irgendwann ist das logistisch nicht mehr zu realisieren und noch entscheidender: Das Geld der Leute für Tickets wird knapp sein.
Gesprächsprotokoll: Alke Lorenzen
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