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Quelle: rbb/M. Behrendt

rbb|24-Adventskalender | Hochgestochen, tiefgestapelt

1. Tür: Hahohe, ein grüner Bahnhof

Diesmal: besonders tief. Vor rund 120 Jahren konzipierte Berlin eine U-Bahn, die ihre Fahrgäste bis an die Stadtgrenze im Norden bringen sollte. Dann aber wurde aus dem Plan lange nix, dann verschob sich die Stadtgrenze und noch später ging gar nichts mehr.

24 Geschichten mit Höhen und Tiefen aus Berlin und Brandenburg. Was ist besonders hoch oder tief, ist nur besonders speziell zu erreichen oder irgendwie anders besonders. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Tiefe Tunnel durch hohe Berge braucht es in Berlin nicht. Wird hier eine Unterführung geschaffen, sind dafür meist nur ein paar Schippen Sand zu bewegen. So richtig weit runter also reichen die Berliner Tunnel nicht. Bis auf einen: Der U-Bahnhof Gesundbrunnen ist der (damals, als er entstand) tiefste seiner Art in der Stadt mit knapp 15 alpinen Metern. Manche Chronisten zählen 18.

Doch nicht nur der Abstand zum Pflaster auf der Brunnen- oder der Badstraße ist eine Bestmarke. Auch seine Bau- und Betriebsgeschichte ist gespickt mit Ausnahmewerten. Mehr als 20 Jahre war er als Bahnhof angekündigt, wurde projektiert, umgeplant und dann doch ganz anders. 1907 wurden erste Entwürfe vorgestellt, 1930 aber erst wurde er eingeweiht - das war damals eine Ewigkeit, schließlich fiel in diese Zeit die Erweiterung des Stadtgebiets auf Groß-Berlin und damit etwa eine Verdoppelung der Einwohner.

Geplant für ganz weit draußen

Gesundbrunnen lag darum seit 1920 nicht mehr am Rand Berlins sondern mittendrin. Die AEG hatte Bahnhöfe und Strecke dorthin bauen wollen, machte die Pläne, doch die Stadt hatte anderes vor. Die Wirtschaft kriselte, man stritt über "oberirdisch" und "unterirdisch", über die Strecke und übers Geld natürlich. Die von der AEG für den Bau gegründete Firma ging darüber pleite. Rund sieben Jahre ruhten die Arbeiten und schließlich baute die Stadt den Tunnel selbst fertig.

Seit 1880 bereits war Gesundbrunnen ein Fernbahnhof mit Gleisen tief unter der Brunnenstraße. Darunter und also noch tiefer musste nun der U-Bahnhof gegraben werden - gestaltet von Alfred Grenander und seit 1930 bis heute erhalten: in Grün.

Im zweiten Weltkrieg wurden die Tunnel der U-Bahn sowie damit verbundene weitere Katakomben und Bunker für den Zivilschutz genutzt, ein Gewirr, durch das heute der Verein "Berliner Unterwelten" alljährlich tausende Besucher führt.

Zugemauert und verkauft

Der tiefe U-Bahnhof ist Bestandteil der Funktion als Nordkreuz für S- und Regionalbahnen. Doch diese Funktion wurde dem Bahnhof mit Teilung der Stadt und Mauerbau nahezu völlig amputiert. Er lag nun direkt an der Zonengrenze. Im Osten machte die S-Bahn nach 1961 eine 90-Gradkurve von der Schönhauser nach Pankow. Und genauso blieb die West-S-Bahn-hoch nach Frohnau im Westen und tunnelte nur Berlin-Mitte. Gesundbrunnen wurde das toteste aller Berliner Bahnkreuze. Seit 20 Jahren aber rollt es hier wieder mit ICE-Halten und Ostsee-IC-Stopps und mit neuen Regionalbahnlinien.

Fast könnte man sagen, dass der Bahnhof Gesundbrunnen auch noch der blaueste aller Berliner Bahnhöfe ist - schließlich ging es von hier aus auf den Platz der Hertha. Aber das ist seit etwa 50 Jahren vorbei. Plumpe nannten die Leute das Stadion am Gesundbrunnen. Heute findet man es nur noch in Geschichtsbüchern, weil Hertha das Gelände versilbert hat und dort nun Wohnhäuser stehen. Die Kneipen östlich der Behmstraße sind nun meist von hippen Union-Anhängern besetzt. Dafür ist Gesundbrunnen der Bahnhof mit den meisten Hertha-Malereien und Klebereien. Der blau-weißeste.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

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