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Quelle: rbb/M. Behrendt

rbb|24-Adventskalender | Hochgestochen, tiefgestapelt

18. Tür: Wie hohl soll er werden

Diesmal: besonders hohl. Dieses Türchen öffnet sich in Richtung Schöneberg und hat fast nichts in sich. Es war einst hochexplosiv gefüllt und ist heute noch immer aufgeladen. Dass es einmal richtig schick und total in ist, darauf hätte keiner gewettet.

24 Geschichten mit Höhen und Tiefen aus Berlin und Brandenburg. Was ist besonders hoch oder tief, ist nur besonders speziell zu erreichen oder irgendwie anders besonders. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

"Tempel sind wieder in Mode." - Dieser Satz sollte eigentlich in kursiven und halbfetten Versalien auf dieser Kalendertür stehen. Die Anführungszeichen hatten wir schon hingemalt, der Name des Zitatgebers sollte in Frakturschrift darunter. Historisierend, wie man so schön sagt. Es geht hier ja schließlich um Geschichte. Aber wir konnten niemanden finden, der das da oben auch wirklich gesagt hat: "Tempel sind wieder in Mode." Also sagen wir es jetzt und lassen die Anführungszeichen weg. Es ist eine Weihnachtskalender-These.

Gas erleuchtet die Stadt

Es geht um den Tempel Schöneberg. Er ist ein Gasometer, also eine runde Konstruktion in deren Innern früher Gas gespeichert wurde und für die seitdem die Menschen nach einer neuen Bestimmung suchen.

Berlin brauchte im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Gas für seine Industrien und seine Wohnungen. Das Gas stellte sicher, dass die Stadt gedieh und wuchs und leuchtete. Zunächst wurden die Gasspeicher gemauert, später dann- wie in Schöneberg - aus Stahl konstruiert. Sie waren so eine Art Mittelstufe der Energiespeicher. Sie stellten sicher, dass immer und zu jeder Zeit Gas, Wärme und Energie parat standen.

Ein ausfahrbarer Tank

Der Gasometer Schöneberg war in seinem Umfang bei seiner Errichtung 1910 der drittgrößte Europas, eine Art Quantensprung zu älteren Speichern in seiner Konstruktion, Funktion und Kapazität. Verglichen etwa mit dem heutigen Fichtebunker, einst ebenfalls ein Gasometer, klassisch gemauert und fast 50 Jahre älter als der in Schöneberg. Schönebergs Speicher war ein Teleskop-Gasometer. Entsprechend seiner Auslastung konnte der Speichertank nach oben ins Gerüst ausgefahren und erweitert werden.

98 Prozent der Berliner Häuser und Grundstücke hatten um 1900 einen Gasanschluss, 30 Gasspeicher hatte die Stadt und brauchte mehr. Schöneberg war darum auch nicht der letzte. Doch dann, zur Mitte des 20. Jahrhunderts änderten sich Nutzung und Versorgung. Gas kam über Pipelines in die Stadt und wurde kaum oder in noch größeren Lagern außerhalb der Zentren gelagert. Licht und Energie wurden zudem zunehmen mit Strom erzeugt, die Stadt entließ seine Speicher und riss sie ab.

Wohl wenig bewusst

 

Genutzt, erweitert und immer wieder erneuert wurden die Anlagen des Geländes in Schöneberg dann bis 1995. 2007, so schreibt es das Landesdenkmalamt, wurde das Gelände verkauft. Jetzt sitzt dort der Euref-Campus - Forschungs- und Entwicklungsstandort "Europäisches Energieforum". Der Gasometer selbst aber auf dem Gelände beschäftigt die Stadtentwickler weiter, denn alle wissen genau, wie der einstige "Niederdruckbehälter" mal auszusehen hat.

Über die Eisenträger des Speichers, die 78 Meter in die Höhe ragen und bei Führungen Ausblicke über die Stadt erlauben, wurde gestritten. Wie viele Etagen des Gerüsts sollen frei stehen bleiben und damit ausweisen, was das hier einst war? Eigentlich aber ist genau das bereits entschieden.

Lyonel Feininger malte einst den Speicher, als er gerade stand, etwa 1912. Auf seinem Bild sieht es aus, als stehe der Turm in Flammen. Und oben war viel frei. Mindestens eine Etage.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

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