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Quelle: rbb

An der Tanke in Brandenburg

"Bei uns werden die Grundlagen geschaffen!"

Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: eine Erzieherin, die sich bessere Arbeitsbedingungen wünscht und sich wegen des Rechtsrucks sorgt.

rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "an der Tanke" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.

Wie es mir geht? Sehr unterschiedlich.

Sie steht neben ihrem Auto am Sauggerät, das sie gerade versucht, zum Laufen zu bekommen.

Arbeit ist natürlich immer ein bisschen stressig, aber andererseits auch schön, weil wir demnächst Abschlussfest haben mit den Vorschulkindern. Es ist schön, dass wir die Nächsten soweit gebracht haben, dass sie in die Schule können. Aber wir stecken auch sehr im Umbau: Innerhalb des Hauses wird es ein neues Konzept geben. Das ist anstrengend - auch privat, weil wir am Samstag Jugendweihe haben - da ist noch eine Menge zu tun.

Sie lacht.

Die AWO hat beim Kita-Streik nicht mitgestreikt, obwohl wir immer wieder zu wenig Personal haben. Es heißt immer, 'der Erzieher-Kinder-Schlüssel stimmt' und eigentlich haben wir sogar einen Kollegen zu viel. Aber sobald ein, zwei Leute ausfallen, weiß man gar nicht mehr, wo man stopfen soll.

In der Praxis heißt das: Wenn meine Kollegin Urlaub hat oder Fortbildung, dann ist sie laut Schlüssel trotzdem anwesend. Dann stehe ich mit 20 Kindern alleine da und soll alles machen. Nicht nur Betreuung, sondern auch Förderung. Auch die Migrationskinder sprachlich fördern, die, die sowieso erhöhten Förderbedarf haben, extra fördern - was im Grunde gar nicht geht.

Sie drückt sich sehr gewählt aus und spricht deutlich. Man merkt, wie wichtig ihr dieses Thema ist.

Ich hoffe dann darauf, dass die Kinder, die schon sehr weit sind, sich wirklich selbstständig beschäftigen, sodass ich mit den Anderen etwas machen kann. Mit unserer Gruppe klappt es sehr gut, weil wir sie schon sehr weit gekriegt haben. Aber wenn ich andere Gruppen bei uns in der Kita angucke - das geht nicht. Wir haben Gruppen, wo wir teilweise zu dritt arbeiten müssen, weil die Kinder so auffällig sind, dass das zu zweit gar nicht funktioniert.

Wir haben circa 30 Prozent Migrationshintergrund in der Kita. Klar sind die Eltern und auch die Kinder bemüht, aber man schafft es nicht, mit allen Kindern gleich zu arbeiten. Man muss sich wirklich maximal ein, zwei Kinder nehmen und extra fördern. Das geht nicht, wenn ich alleine bin mit 20 Kindern.

Man hört immer nur, bei den Schulen muss sich was ändern. Aber davor ja auch schon! Bei uns werden die Grundlagen geschaffen!

Bei uns lernen die Kinder sprechen, bei uns bekommen sie den ersten Kontakt zu Buchstaben, zu Zahlen. Das heißt, wenn die Grundlagen in der Kita nicht mehr gelegt werden, wo wollen denn dann die Schulen anknüpfen? Die bauen doch auf uns auf. Wenn es im Kindergarten schon hapert, geht es in der Grundschule weiter und die weiterführenden Schulen haben dann ebenfalls das Problem. Man muss wirklich unten ansetzen, damit es nach oben hin besser wird. Pisa lässt grüßen!

Seit letztem Jahr wohnt meine Mutter mit hier in Beeskow, die habe ich aus Thüringen her geholt. Mein Bruder wohnt in Hamburg. Jetzt muss er wenigstens nur noch hierher kommen und sich nicht mehr zerteilen. Das heißt, die Familie ist öfter mal zusammen. Das ist schön! Ich freue mich dieses Jahr auf den Urlaub an der Ostsee und dass es hoffentlich positiv weitergeht.

Ich muss ehrlich sagen - ich bin verwitwet - mein Mann ist vor zehn Jahren gestorben. Ohne Witwenrente würd ich es nicht schaffen. Ich habe ein Haus, das Auto. Klar, das Kind will auch ein bisschen was machen und braucht gerade jetzt im Wachstum neue Sachen. Ohne Witwenrente wüsste ich nicht, wie ich es aufbringen sollte. Dann die gestiegenen Energiekosten. Es ist sehr schwer.

Ich habe das Ergebnis der Wahl fast so erwartet, bin aber schockiert, weil ich diesen Rechtsruck katastrophal finde. Das wird noch schlimm enden, wenn wir in dieser Richtung bleiben.

In meinem Unfeld ist jetzt keiner rechtsradikal. Aber ich merke schon, dass der ein oder andere überlegt hat, Richtung AfD zu wählen. Die sehen das gar nicht unbedingt so, dass das ein Rechtsruck ist. Ich weiß nicht, warum sie da so blauäugig sind, aber wahrscheinlich, weil die anderen Parteien momentan auch keine richtigen Lösungen haben. Wobei, was die AfD bringt, ist ja auch keine Lösung.

Im Freundeskreis wird da eher weniger drüber gesprochen. Man hat so das Gefühl, jeder sagt seine Meinung, aber man kommt nicht auf einen Nenner. Jeder bleibt bei seiner Meinung. Ich hoffe ja wirklich, dass noch ein paar Menschen wach werden und vielleicht doch noch die anderen Parteien wählen und nicht so rechtsgerichtet. Ich befürchte Schlimmes.

Als wir auf das Thema "Krieg und Frieden" zu sprechen kommen, wird sie ernster. Sie nickt bestimmt.

Ja, das macht mir sehr große Sorgen. Ich habe gerade gehört: die generelle Wehrpflicht will man wohl doch nicht so einführen. Ich glaube, wenn die wieder kommen würde, würde ich meinem Kind wahrscheinlich sagen: 'Mach' ein freiwilliges Jahr, aber keine Wehrpflicht!'

Klar hat man Angst. Ich habe auch im Kindergarten viele Eltern aus Syrien, aus der Ukraine. Man kann verstehen, dass da die Väter rechtzeitig geflüchtet sind. Wer will sich schon hinstellen und töten lassen, freiwillig? Ich kann verstehen, dass die Leute sagen: 'Nee, ich möchte nicht kämpfen und sterben. Ich möchte mein Kind aufwachsen sehen.' Die Gefahr, dass sich das ausweitet, sehe ich gerade. Definitiv ja! Wenn hier die AfD so groß wird - die sympathisieren ja doch ein bisschen mit Putin.

Die Politiker sollten ein bisschen mehr auf die Bürger hören, mehr auf sie zugehen. Gucken, was ihnen wirklich drückt und vielleicht ihre ganzen Entscheidungen ein bisschen mehr erklären - warum sie das so entscheiden müssen. Viele hören immer nur 'das und das ist entschieden', aber verstehen nicht warum. Wer sich mit Politik nicht so beschäftigt, sagt dann 'Was soll das? Dann wähle ich lieber die anderen.' Sie müssten viel mehr auf die Bürger zugehen und das verständlich rüberbringen.

Das Gespräch führte Jonas Wintermantel, rbb|24

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