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Quelle: rbb

An der Tanke in Brandenburg

"Die Leute sagen: So geht es nicht!"

Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: Eine Rentnerin, die sich als Frau nicht geachtet fühlt und Angst vor einem Krieg hat.

rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "an der Tanke" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.

Noch bevor das Gespräch richtig beginnt, ruft sie: 'Es geht beschissen!" Dabei wirkt sie keineswegs verbittert oder wütend. Immer wieder huscht ein verschmitztes Lächeln über ihr Gesicht. Sie steht an ihrem Auto und tankt.

Ich hatte eine Gaststätte, die habe ich noch. Ich arbeite nebenbei, weil die Rente, die man hat, zu wenig ist. Das reicht nicht.

Sie kichert.

Wir Deutsche kriegen nicht so viel. Ich war selbstständig. Mein Mann ist nicht mehr. Ich musste dann sein Geschäft übernehmen. Die Kosten, die ich an die Rentenversicherung hätte abdrücken müssen, in diesen acht Jahren waren 98.000 €. Und die habe ich nicht gehabt ...

Mir geht es gut. Ich habe ein Dach überm Kopf und ich habe ein Bett zum schlafen und mehr braucht man nicht. So haben wir das als Kinder gelernt bekommen. Wir haben zu essen und zu trinken und das ist gut.

Angesprochen auf ihr "beschissen" vom Anfang des Gesprächs, muss sie wieder lachen.

Ich kann Ihnen das sagen. Zwischen Osten und Westen - im Osten wurden wir Leute besser anerkannt. Auch wir Frauen. Im Westen habe ich gleich nach einem halben Jahr zu meinem Mann gesagt: 'Was ist denn jetzt hier los?' Da sagt er: 'Mama, das ist der Kapitalismus.' Ich sage: 'Aber wir sind doch auch da?' Er sagt: 'Nein, das müssen wir jetzt wieder lernen.' Ich sage 'Das versteh' ich nicht.'

Also, in DDR-Zeiten waren wir Frauen genauso viel wert wie die Männer, was jetzt im Westen nicht mehr so ist.

Und ich muss auch sagen: Die Stasi hat die kleinen Leute in DDR-Zeiten leben lassen. Da haben wir uns ein bisschen angepasst oder so - die kleinen Leute haben sie leben lassen, was jetzt nicht mehr so ist. Jetzt gibt es ja keine Stasi mehr. Jetzt gibt es nur noch die anderen Leute, die uns den Hahn zudrehen.

Das Finanzamt, die da oben, unsere Regierung. Die wissen ja gar nicht, was unten im Volk los ist. Darum habe ich ja gestaunt - überall hieß es 'AfD groß! AfD groß!'

Ja, die Leute sagen: So geht es nicht!

Wir werden unterbrochen - das nächste Auto will an die Zapfsäule. Sie parkt um.

Ich habe nichts gegen Ausländer, ich habe nichts gegen Leute, die Flüchtlinge sind. Meine Eltern waren auch Flüchtlinge, aber die müssen sich an unser Land anpassen. Wir sind Fremde im eigenen Land. Das brauchen sie nicht bloß mich fragen. Das sagen so viele, dass wir Fremde im eigenen Land sind. Und das ist nicht gut.

Auf die Frage, in welchen Situationen sie sich im Alltag fremd fühlt, hält sie kurz inne.

Das kriegt man mit. Das kriegt man überall mit. Da kann ich Ihnen jetzt keine Beispiele sagen, aber das kriegen wir mit.

Die Wahl hat mich überrascht. Weil im Osten alles blau war. Alles AfD. Da habe ich gedacht 'wow!'

Und dann sagten mir die Journalisten von drüben - ich gucke mir immer die ganzen Liveberichte an - ihnen kommt es jetzt so vor, dass die Grenze zwischen Ost und West wieder höher geworden ist. Ja, so kommt es mir auch vor. Das ist ein Zeichen, dass die da oben überlegen sollen, was unten passiert.

Was mir jetzt auch auffällt: wenn die im Radio sagen: 'die Jungwähler, die Jungwähler!' ... ich denke, ja, die wählen ja auch, aber da steht doch kein Name drauf. Wieso können die sagen, die jungen Wähler wählen AfD? Das verstehe ich nicht.

Die Politiker müssten mehr unten arbeiten. Vor allen Dingen die von den Grünen!

Ihre Stimme wird jetzt etwas höher und lauter.

Die "Biotonne"! Die muss erst mal in die Schule gehen und einen Beruf lernen. Einen Besen in die Hand nehmen, damit sie die Straße fegen kann. Damit sie erst mal lernt, was sie falsch macht. Die hätte ich schon längst ...

Den letzten Teil des Satzes - mitsamt Schimpfwort - flüstert sie ganz leise.

Die Geschichte wiederholt sich, weil die Menschen aus dem Krieg niemals lernen. Die wollen alle Frieden haben. Aber warum bauen sie Panzer? Diesen Zwiespalt verstehe ich nicht.

Wenn ich Russland beobachte und das da unten bei den Israelis beobachte - da habe ich Angst davor. Da danke ich jeden Tag, dass wir alle noch in Ruhe leben können. Wenn ich weiß, dass da was kommt, dann stelle ich mich draußen hin, damit ich schnell weg bin. Denn hinterher gehen wir alle elendig zugrunde. Und die Welt geht auch unter, weil die Menschen haben daraus nie was gelernt.

Das habe ich mir gemerkt, weil die Männer das immer viel erzählt haben: 'Wenn wieder mal was kommt, stellt euch draußen hin und dann ist Ruhe.'

Das Gespräch führte Jonas Wintermantel, rbb|24

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