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Quelle: rbb / Sophia Bernert

An der Tanke in Brandenburg

"Wenn ich wirklich weggehe, dann verlasse ich Deutschland"

Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: eine Prenzlauerin, die das Vertrauen in das politische System verloren hat.

rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "An der Tanke" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.

Gerade geht's mir ehrlich gesagt ein bisschen doof, weil meine Mama im Krankenhaus ist. Das ganze System haut einfach nicht mehr hin. Das Krankensystem, Gesundheitssystem, was will man machen? Sie wurde an der Hüfte operiert - das ist jetzt alles Metall. In dem Krankenhaus in Berlin-Steglitz liegen meistens Demenz-Kranke. Na ja, die Schwestern kümmern sich einfach nicht um diese Patienten.

Sie hat gerade in der Tankstelle Pause gemacht. Nun zündet sie sich eine Zigarette an.

Dass es zu wenig Leute gibt, ist ein Thema. Wenn ich höre, eine Schwester schafft es nicht, den Toilettenstuhl zu leeren, das ist für mich Faulheit, weil ich mach' den Job ja nicht umsonst. Zurzeit kann ich nur sonntags hin, weil ich in der Woche arbeite. Das nervt mich, und sie ist gar nicht gewohnt, so weit weg zu sein.

Sie wirkt zunächst fröhlich und gesprächig. Als sie über ihre Mutter spricht, läuft ihr eine Träne über die Wange. Sie wischt sie weg.

Das ist schon traurig, dass ich acht Jahre mit ihr rumgefahren bin, in Greifswald und überall war, und sie keiner operieren wollte. Dann hat man endlich eine Klinik, und dann ist so was. Dass sie dann - auf Deutsch gesagt - vernachlässigt wird. Mensch, die Frau ist 70 Jahre, die hat ihre eigene Mutti gepflegt und muss sowas jetzt erleben?

Wie ich über die Runden komme? Ich kann mich nicht beschweren, ich habe Tariflohn. Wenn ich aber den Lohn von meinem Mann sehe als Mindestlohner im Schichtsystem, finde ich traurig, was die verdienen. Das ist schlechter geworden. Wenn ich schon online lese - unsere ganzen Gelder, die gehen ins Ausland. Wenn ich jetzt hier im Osten gucke - da drüben - das beste Beispiel!

Den letzten Satz ruft sie laut und deutet mit der Hand auf ein großes Bürogebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Das große alte Gebäude - das konnte man nicht sanieren auf die ganzen Jahre. Jetzt, wo die Asylbewerber reinsollen - jetzt können sie es sanieren? Da soll ein Asylbewerberheim rein. Das ist aber durch den Bürgerentscheid, der von der AfD ausgeht, noch in der Schwebe.

Haben wir nicht in der Berliner Straße ein großes Asylantenheim, wo hinten ein ganzer Container leer steht? Ich hab nichts dagegen, die können von mir aus kommen. Aber dann bringt sie doch dahin, wo wir Platz haben und wo das für die eigentlich mal gedacht war, denn das haben sie ja damals unten ausgebaut extra für unsere Migranten.

Ich bin geborener Prenzlauer. Ich war sechs Jahre in Berlin durch Arbeit, bin aber zurückgekommen, weil das Heimweh einfach da war. Die richtigen Prenzlauer - wir sind ganz anders. Wir sind offen, wir reden über alles. Man kennt sich von klein an die meisten. Man gehört ins Stadtbild. Noch mal weg aus Prenzlau? Nee, gar nicht mehr.

Und wenn ich wirklich weggehe, dann aber verlasse ich Deutschland. Viele hauen jetzt gerade ab nach Bulgarien, Belgien, könnte ich mir dann überlegen. Der Hauptgrund? Ehrlich: unsere Politik. Unsere ganze Ampel-Regierung. Wenn ich das schon wieder höre, was alle schon wieder vorhaben.

Alleine wenn ich mir die Landwirtschaft, die Unternehmer angucke - Hauseigentümer - unser Gas, das steigt ohne Ende. 89, 90 - als die Wende war, hat man uns geraten, Erdgas oder Erdöl zu nehmen. Und heute werden wir bestraft? Beschissen fühlt sich das an, weil wir haben ja die Häuser nicht umsonst gebaut. Wir haben ja früher alle Ofenheizungen gehabt. Wir kannten ja gar nicht diese Fernwärme in den Eigenheimen. So, jetzt wollen Sie 2024 noch Kamine verbieten. Was soll das?

Ich war 15 zur Wende. Ich habe dadurch meine Kindheit in der DDR verbracht. Bin dann nachher auch frühzeitig Mama geworden und dann bin ich ja nach Berlin gegangen. Ich habe drei Kinder. Das kostet alles Geld und das stimmt alles nicht mehr - die Preise und das Gehalt oder das Einkommen - das stimmt alles nicht mehr.

Na ja, gut, wir fahren ja noch viel in den Urlaub und der muss auch nicht im Ausland sein. Wir bleiben auch gerne mal in Deutschland. Wir fahren gerne mal Ostsee, Harz, so ne Ecken.

Ein Wunsch, den ich hätte? Weltfrieden. Muss ich gestehen.

Sie macht eine längere Pause.

Ich hole mir dazu auch nicht auf unseren normalen Seiten meine Infos, weil man ja nicht mehr allem glauben kann. Genauso wie jetzt mit den Bauern-Demos. Man hört ja gar nichts. Und wenn ich mich im Internet umgucke, dann weiß ich, was im Ausland los ist.

Telegram, Twitter, Facebook. Ist ja auch nicht mehr das Wahre. Aber da hole ich mir meine ganzen Infos eigentlich her und ich finde das wirklich traurig. Man steht morgens auf, da ist schon wieder ein neuer Krieg. Wieso? Warum? Und da wird eben wirklich geschrieben, was zum Beispiel - ich sag mal jetzt - in Brüssel los war. Alles durchlesen tut man heutzutage auch nicht, weil man kann ja nichts mehr glauben.

So lange, wie ihr alle bei der Wahrheit bleibt, macht das. Aber lasst euch nicht kaufen!

Auf die Frage, wer genau die Journalist:innen kaufen würde, schaut sie vielsagend und mit großen Augen.

Wollen wir darüber jetzt wirklich diskutieren? [siehe Anmerkung unten, Zitat Nr. 1] Und das ist ja eigentlich das Traurige daran. Ich finde: diese freien Reporter, die wirklich schreiben, was sie denken und was auch die Leute so sagen - wirklich, davor ziehe ich den Hut. Die haben keine Angst vor den Konsequenzen.

Die meisten in meinem Umfeld haben die gleiche Meinung. Wir sind laut den Medien eigentlich rechts. Nein. Ich würde mich nicht als rechts bezeichnen. Also ich war mit einem Rumänen verheiratet in meiner ersten Ehe. Ich habe sogar einen Sohn mit ihm zusammen.

Als sie auf die kommende Wahl in Brandenburg-Wahl zu sprechen kommt, werden ihre Augen größer. Sie scheinen fast zu leuchten.

Au ja, ich werd' auch ins Wahllokal gehen, mich aufstellen lassen als Wahlbegleiterin [siehe Anmerkung unten, Zitat Nr. 2].

Und jetzt sind wir doch mal ehrlich. Ich unterhalte mich ja auch öfters mal mit meinen Kunden und die haben alle die gleiche Meinung. [siehe Anmerkung unten, Zitat Nr. 3] Die Leute haben eine ganz andere Meinung, als was im Endeffekt bei der Wahl rausgekommen ist.

Hinweis der Redaktion: In diesem Gespräch trifft die Interviewte Aussagen, von denen sich die Redaktion rbb|24 ausdrücklich distanziert. Für diese Aussagen bzw. Tatsachenbehauptungen gibt es keinerlei Belege. Um die Aussagen kenntlich zu machen, haben wir sie aus dem Text gelöst und listen sie hier auf.

1) Na eigentlich ist es ja der Staat, unsere Ampel-Regierung. Die meisten Reporter haben es ja auch schon zugegeben, dass sie ja nicht alles mehr veröffentlichen dürfen.

2) weil ich zum Beispiel weiß, hier sind schon Stimmen verschwunden vor ein paar Jahren.

3) Und wenn ich mir dann das Wahlergebnis angucke, dann kann das nicht stimmen.

Das Gespräch führte Jonas Wintermantel, rbb|24.

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