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Video: rbb24 Abendschau | 08.12.2023 | Sami Chahbani | Quelle: privat

#Wiegehtesuns | Berliner im Gazastreifen

"Vier Tage nach unserer Ankunft begann der Krieg"

Abed Hassan wird während eines Familienbesuchs im Gazastreifen unerwartet Zeuge der Eskalation des Nahost-Konflikts. Inmitten von Bombardierung und Zerstörung steckt der Berliner fest - 33 Tage lang.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Abed Hassan ist 27 Jahre alt und arbeitet in einer Uhrenmanufaktur in Berlin. Der Deutsch-Palästinenser ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Bei einem Familienbesuch in Gaza wird er vom Krieg überrascht, der nach dem Angriff der Hamas auf Israel ausbricht. Nach 33 Tagen im Kriegsgebiet kehrt er zurück nach Berlin. Ein Gesprächsprotokoll.

Ich befinde mich gerade in der schwierigsten Phase meines Lebens. Jeden Tag stehe ich auf und hoffe, dass keine weiteren Familienmitglieder getötet wurden. Ich habe so viel Trauer, Zerstörung und Leid erlebt. Um mich selbst zu schützen, versuche ich, das Geschehene zu ignorieren und Abstand zu gewinnen.

In den letzten drei Jahren war ich drei Mal im Gazastreifen. Diese Reisen sind für mich sehr wichtig. Als jemand mit Migrationshintergrund, der in Deutschland geboren wurde, ist es nicht immer einfach, sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen. Für mich geht es nicht darum, entweder Palästinensisch oder Deutsch zu sein, sondern darum, meine Wurzeln zu kennen und genau zu wissen, woher ich komme. Die Besuche im Gazastreifen helfen mir dabei, meinen inneren Reset-Knopf zu drücken. Dadurch werden meine Identität und Persönlichkeit gestärkt, so dass ich mit offenen Augen durch die Welt gehen kann. Im Gazastreifen sind Dinge wie Luxus unwichtig. Stromausfälle oder fehlende Klimaanlagen sind kein Problem. Ich habe dort immer nur positive Erinnerungen gesammelt.

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Vier Tage nach unserer Ankunft begann der Krieg. Schon in der ersten Nacht spürte ich die Einschläge; das Haus bewegte sich und ich konnte nicht schlafen. Anfangs wirkte das alles surreal auf mich, wie in einem Kinofilm. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch noch keine Leichen gesehen.

Ich habe mich direkt bei den deutschen Behörden gemeldet, um herauszufinden, ob eine Ausreise möglich ist. Als Deutsch-Palästinenser durfte ich jedoch nicht über die israelische Grenze ausreisen und auch die Grenze nach Ägypten wurde nach Bombardierungen geschlossen. Die Behörden teilten mir mit, dass es derzeit keine politische Lösung gibt. Ich war also auf mich allein gestellt und musste warten, bis sich eine Lösung ergibt.

Jede Nacht ging ich mit dem Gedanken schlafen, dass es mein letzter Tag sein könnte. Es bleibt einem auch nichts anderes übrig. Man hört ständig die Drohnen, fast die ganze Zeit Luftangriffe. Man atmet die meiste Zeit Luft ein wie an Silvester.

Als das Nachbarhaus getroffen wurde, war ich wie in Trance. 30 Sekunden zuvor waren mein Cousin und ich genau an diesem Haus vorbeigelaufen. Wir haben eine Frau aus den Trümmern gerettet. Sie war eine von zwei Überlebenden bei dem Angriff, bei dem 40 Menschen starben. Ich habe die Leichen selbst gesehen, die toten Kinder. In diesem Moment ist ein Teil meiner Menschlichkeit gestorben.

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Ich bin grundsätzlich ein Mensch, der versucht immer positiv zu bleiben. Wenn du dir die ganze Zeit Sorgen machst, wirst du lethargisch. Das konnte ich nicht zulassen. Ich war mit meiner Mutter da. Ich musste für sie stark sein. Meine größte Angst war, dass ihr etwas zustößt.

Jeden Tag hörten wir von neuen Todesfällen. Bald konnten wir nur noch sagen: "Möge Gott mit ihnen barmherzig sein." Trauerfeiern waren nicht möglich. Beerdigungen waren nicht möglich. Willst du eine Beerdigung besuchen, um selbst als nächstes beerdigt zu werden?

Der Druck, die Grenzen zu öffnen, wuchs und schließlich gelang es dem Auswärtigen Amt, die Namen meiner Mutter und mir an der ägyptischen Grenze durchzubringen. Auf dem Weg dorthin sah ich bombardierte Autos und Leichen auf den Straßen. Glücklicherweise kamen wir sicher durch.

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Wenn ich meinen Emotionen nachgeben würde, würde ich nichts tun, außer zu weinen. Also versuche ich, einen normalen Alltag zu führen und bete täglich, dass keine weiteren Verwandten getötet werden. Das ist alles, was ich tun kann. In diesen Zeiten wünsche ich mir mehr Nächstenliebe. Im Moment befürchte ich, dass die Menschen, die dort sterben, nur noch als Nummern, als Zahlen wahrgenommen werden. Das darf nicht passieren.

Ich halte den Kontakt zu meiner Familie aufrecht, aber es fällt mir emotional schwer. Ihre schwierige Lage belastet mich. Trotz der Trauer bewahren sie einen Funken Optimismus und versichern mir, dass es ihnen gut geht. Sie sind froh, dass zumindest meine Mutter und ich in Sicherheit sind.

Schon während meines Aufenthalts in Gaza habe ich von den Spannungen in Berlin gehört. Das hat mich traurig gemacht, denn es sollte unser Ziel sein, als Menschen zueinander zu finden, indem wir miteinander reden. Jeder sollte sein Leid äußern dürfen, jeder sollte seine Perspektiven aufzeigen dürfen. Nur durch den Austausch finden wir zusammen. Das gelingt jedoch nicht durch Wut. Das gelingt nicht durch Gewalt gegen Polizisten, Gewalt ist niemals die Lösung und führt nur zu mehr Gewalt. Das gelingt aber auch nicht, indem man eine ganze Gruppe von Menschen diffamiert.

Letztendlich sind wir alle Menschen, unabhängig von unserer Religion. Uns verbindet unsere Menschlichkeit, und darauf sollten wir Wert legen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.12.2023, 19:30 Uhr

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