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Audio: Inforadio | 04.12.2023 | Lisa Splanemann | Quelle: Berliner Stadtmission/Breuer

#wiegehtesuns? | Der Kältebusfahrer

"Man bekommt viel Dank von den Menschen zurück"

Oliver Stemmann arbeitet hauptberuflich in der Pflegebranche. Nebenbei fährt er im Winter jeden Freitag mit seinem Team den Kältebus der Berliner Stadtmission und hilft wohnungslosen Menschen. Die Tätigkeit erfüllt ihn sehr, sagt er. Ein Gesprächsprotokoll.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Der Kältebus wurde vor circa 30 Jahren ins Leben gerufen; ab November bis Ende März fährt der Bus durch die Straßen Berlins auf der Suche nach Wohnungslosen, die Hilfe benötigen. Oliver Stemmann engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Kältebusfahrer in der Wohnungslosenhilfe der Berliner Stadtmission – für ihn ist es eine sehr schöne und besondere Arbeit.

Meine erste Tour mit dem Kältebus habe ich vor 13 Jahren gemacht. Ein Arbeitskollege, der damals schon Kältebus fuhr, sagte zu mir: "Herr Stemmann, ich glaube, das ist was für Sie, kommen Sie mal einfach mit." Okay, mache ich, habe ich gesagt. Das haben wir dann umgesetzt und sind losgefahren.

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Es war Februar und recht kalt. Wir waren zu dritt und sind bis drei Uhr morgens umhergefahren. Als ich in die Notübernachtungen in der Zentrale in der Lehrter Straße kam und gesehen habe, wie die Leute vor Ort auf dem nackten Boden lagen und auf Bänken, weil alle Plätze schon belegt waren, hat mich das fassungslos gemacht. Das hatte ich so noch nie in meinem Leben gesehen, und ich kenne diese Stadt sehr gut. Da habe ich gedacht, da möchte ich gerne mitmachen. Das war der Auslöser, weshalb ich als Kältebusfahrer angefangen habe.

Eine meiner Kolleginnen sagte einmal treffend, nur eine Sache bei unserer Tätigkeit sei immer dieselbe: den Bus packen, losfahren und am Ende des Abends den Bus parken und auspacken. Ansonsten ist jeder Abendablauf anders.

Wir treffen uns immer eine halbe Stunde vorher, bereiten den Bus vor und bestücken das Fahrzeug mit Dingen, die noch fehlen – zum Beispiel Tütensuppen – oder wir bereiten Wasser für Tee und Kaffee vor. Wir schauen, ob genügend Schlafsäcke, Isomatten oder warme Kleidung vorhanden sind. Wenn alles erledigt ist, kommen wir zu einem kleinen Ruhepunkt. Ich finde das sehr angenehm – bei der Stadtmission gibt es dann nämlich eine kleine Andacht.

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Das Kältebus -Telefon ist ab 20 Uhr geschaltet, und dann geht es für uns so richtig los. Mittlerweile haben wir ein „Callcenter“, das heißt, einer unserer Kollegen sitzt am Telefon. Er nimmt die Anrufe entgegen, die über das Kältebus-Telefon eingehen und trägt sie in eine Software ein – die erscheinen dann bei uns im Kältebus auf einem Tablet.

Die Aufträge werden in verschiedenen Farben angezeigt – die roten sind die dringlichsten, die grünen sind nicht allzu dringend. Wenn keine Aufträge eingehen, dann ist das auch etwas sehr Schönes. Dann macht man "aufsuchende Kältehilfearbeit" bei den Leuten, von denen man weiß, dass sie nie mitkommen. Man kennt die Orte.

Es gibt Situationen, die wirklich nicht einfach sind. Es gibt Begebenheiten, wo man sagen kann: Diese sind von Besonderheit und über solche Fälle unterhalten wir uns dann untereinander. Wir kennen einige unserer Gäste und Mitfahrer, die wir mitnehmen. Da kann man lustige Geschichten, aber auch traurige Geschichten erzählen. Wir können uns im Team darüber austauschen, wir haben regelmäßige Teamsitzungen, das ist gut. Wir sind mittlerweile ein Team von rund 60 Leuten.

Wir erleben uns selbst als stolze Speerspitze der Kältehilfe. Wir gehen dorthin, wo keiner hingeht und das mitten in der Nacht. Manchmal ist es aber auch sehr frustrierend, wenn man jeden Abend jemanden in eine Notübernachtung bringt und derjenige um acht Uhr morgens wieder raus muss – da geht das ganze Spiel von vorne los.

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Wenn wir dann mal in einem Jahr ein oder zwei Menschen wirklich von der Straße wegbekommen, in eine Einrichtung oder in ein Pflegeheim beispielsweise, sind wir zufrieden. Da kann man dann sagen: Wir haben etwas erlebt, wir haben etwas geleistet. Bei geschätzt 7.000 Wohnungslosen – die genauen Zahlen sind ja nicht bekannt – sind diese wenigen Fälle zwar ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber trotzdem baut das auf, wenn wir etwas hinkriegen.

Mir geht es gut, ich habe eine warme Wohnung und wenn es kalt ist, drehe ich die Heizung auf. Das können andere nicht. Deshalb habe ich mir gedacht, dass ich ein Stück von dem Guten, das ich habe, abgeben kann. Ich komme gut mit den Menschen klar, ich kann gut mit ihnen reden. Viele sagen „Papa“ oder „Chef“, wenn wir auf der Straße unterwegs sind. Man bekommt viel Dank von den Menschen zurück, das ist ungemein beglückend.

Hinzu kommt, dass wir alle in einem Team arbeiten. Wir sind alle „per Du“. Wir entscheiden gemeinsam. Auch das ist eine Sache, die unglaublich schön ist.

Gesprächsprotokoll: Lisa Splanemann

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.12.2023, 12:07 Uhr

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