#Wiegehtesuns? | Berlinerin zieht nach Brandenburg
Als ihr ältestes Kind eingeschult werden soll, zieht Andrea Ewers mit ihrer Familie von Berlin-Pankow nach Brandenburg. Ihnen gefällt es gut, sagt sie. Die Schnittmenge zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen könnte allerdings noch größer sein.
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Andrea Ewers (42) ist Architektin und lebt – nach vielen Jahren in Berlin - inzwischen gemeinsam mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Biesenthal (Barnim). Die Kleinstadt liegt nordöstlich von Berlin. Ohne S-Bahn, aber mit einem recht gut funktionierenden Regionalbahn-Anschluss.
Als vor etwa neun Jahren bei meiner ältesten Tochter die Einschulung anstand, hatten wir uns schon länger mit dem Gedanken beschäftigt, uns zu verändern. Also unsere Mietwohnung in Berlin-Pankow, die direkt an einer großen Kreuzung lag, gegen ein Zuhause mit Garten einzutauschen. Die Einschulung schien uns dafür ein guter Zeitpunkt zu sein.
Wir haben zuerst in Berlin nach einem alten Haus geschaut, aber keines gefunden, das für uns in Frage kam. Da haben wir die Fühler weiter ausgestreckt und Biesenthal als Wohnort ins Auge gefasst. Dahin hatten wir auch eine familiäre Bindung, weil meine Schwiegereltern einige Jahre zuvor dorthin gezogen waren. Uns gefielen der Ort selbst und das Umfeld mit den vielen Seen. Ein Teil der Innenstadt steht sogar unter Denkmalschutz, weil es dort so viele alte und sehr schöne Häuser gibt.
Ich selbst bin zusammen mit vier Geschwistern, meinen Eltern, den Großeltern und einem Onkel in einer kleinen Bauernschaft im Münsterland aufgewachsen. Deshalb kann und kenne ich das Landleben.
Wobei Biesenthal im Vergleich zum Münsterland viel weniger ländlich ist. Wir genießen es sehr, die Natur direkt vor der Tür und gleichzeitig die große Stadt weiter in der Nähe zu haben. Und zwar so, dass wir - wann immer es die Zeit zulässt - kulturelles und städtisches Programm mit machen können. Da geht es vor allem darum, einfach die Option dazu zu haben – unabhängig davon, wie oft wir das im trubeligen Familienalltag tatsächlich schaffen.
Unser Umzug damals war schon ziemlich aufregend. Auch weil unser Haus nicht ganz fertig war und wir erst einmal recht provisorisch gelebt haben. Wir haben dann gleich zu Anfang über das tägliche Bahnfahren nach Berlin – wir arbeiten nach wie vor beide dort - viele der Menschen kennengelernt, mit denen wir jetzt immer noch in Kontakt sind und die unseren Freundeskreis ausmachen. Tatsächlich haben wir uns in der Bahn kennenglernt, weil sich da zu Stoßzeiten gern dieselben Menschen einfanden. Über die Kita und die Schule kam dann mit der Zeit auch der Kontakt zu anderen Familien hinzu. Meist sind das Menschen, die in einer ähnlichen Lebenssituation sind wie wir. Die meisten haben sogar einen Berliner Hintergrund und sind ebenfalls rausgezogen. Kontakte zu Ur-Biesenthalern haben vor allem unsere Kinder über die Kita und die Schule. Was ich wichtig und schön finde.
Die Biesenthaler selbst sind uns immer offen und freundlich gegenübergetreten. Wir haben allerdings in einer alten Villengegend gebaut und unser modernes Haus gefällt nicht jedem. So hat unser Haus dafür gesorgt, dass wir ganz unabsichtlich schon vor dem Einzug einen gewissen Bekanntheitsgrad im Ort erlangt haben. Aber es haben zu uns persönlich sehr selten Menschen etwas Negatives gesagt. Einmal hat jemand gemeint, das Haus passe nicht in die Straße. Aber das darf man ja auch so sehen.
Wir haben uns sehr schnell wohlgefühlt in Biesenthal, und auch zugehörig. Wobei man sich da natürlich die Frage stellen muss, wozu man sich zugehörig fühlt. Denn es gibt in diesem Ort sehr viele Menschen, die sich ehrenamtlich in ganz klassischen Vereinen wie dem Fußballverein oder der Freiwilligen Feuerwehr engagieren. Das sind in meiner Wahrnehmung vor allem Menschen, die schon seit Generationen hier leben. Gleichzeitig ziehen viele hierher, die das kulturelle Angebot der Stadt erweitern und sich einsetzen für alle Arten von Begegnungen. Das sind schon zwei unterschiedliche Gruppen. Wenn es gelingt, die Schnittmenge beider Gruppen über Gemeinsamkeiten wie Fußball, Kita und Schule zu vergrößern, würde das mich persönlich sehr freuen.
Unterschiede gehören aber sicher trotzdem einfach dazu - insbesondere zu Orten, die viel Zuzug haben. Ich fühle mich zugehörig – zu meiner Gruppe und zu Biesenthal. Wenn man jetzt die alteingesessenen Biesenthaler fragen würde, ob wir dazugehören, könnte das auch anders beantwortet werden.
Gesprächsprotokoll: Sabine Priess
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