#Wiegehtesuns | Notfallseelsorgerin
Unfall, Katastrophen, Tod: Der plötzliche Verlust von geliebten Menschen kann Angehörige in die Verzweiflung führen. In solchen Momenten ist Beate Bergmann da und unterstützt Betroffene als Seelsorgerin mit großem Engagement.
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten ist Beate Bergmann ehrenamtliche Notfallseelsorgerin im Landkreis Oberspreewald-Lausitz. Geboren wurde Beate Bergmann 1971 in Lauchhammer. Aufgewachsen ist sie in Ruhland. Als sie 1989 nach Hermsdorf zog, änderte sich alles. Der Ortspfarrer ging in den Westen und das Krippenspiel zu Weihnachten drohte auszufallen, sie übernahm und später wurde daraus ihr Beruf. Heute arbeitet sie als Katechetin in Senftenberg und ist Krankenhausseelsorgerin.
Ich liebe Blaulicht und ich mag es, von Null auf 100 in Einsätze zu gehen. Es ist erfülllend, Menschen zu helfen, die in einer Katastrophe nicht weiterwissen.
Ich gehe mit den Menschen ein paar Schritte, die die ersten Schritte nicht allein gehen können - Momente, in denen sie so von der Trauer gefangen sind, dass sie nicht wissen, wo hinten und vorne ist. Ich helfe ihnen dann wieder auf die Beine, sodass sie wieder gehen können und dann verschwinde ich aus dem Leben und bin wieder weg.
Ich bin geprägt von meinen Eltern. Wir haben ein sehr harmonisches Familienleben gehabt, zumindest, soweit ich mich erinnern kann. Bis ich zwölf war. Dann starb meine Mutter und ich bin automatisch hochgerückt als Hausfrau und Ersatzmutter für meinen Bruder.
Mein erster Berufswunsch war zu DDR-Zeiten Erzieher für behinderte Kinder. Das ging aber nicht, weil ich mein Zuhause hätte verlassen müssen. Also habe ich Facharbeiter für Tierproduktion gelernt. In meinem Zeugnis habe ich beurkundet bekommen, dass ich mich vor allem um die Härtefälle gekümmert habe. Alles, was medizinisch zu versorgen war oder mit der Flasche großgezogen werden musste, lag schnell bei mir. Das war zwar nicht ökonomisch und effektiv, aber es war meins.
Und deswegen glaube ich, dass ich meinen Weg in die richtige Richtung gelenkt bekam. Gott wollte mich offensichtlich an anderer Stelle. Mein Beruf ist tatsächlich eine Berufung. Ich bin noch nie auf Arbeit gegangen und habe gesagt 'Oh, heute muss ich auf Arbeit'.
Besonders erinnere ich mich immer an Einsätze mit Kindern. Es ist schlimm, den Kindern zu sagen, dass ein Elternteil nicht mehr lebt. Das ist am allerschlimmsten. Auch wenn ein Kind stirbt, ist es furchtbar.
Manchmal können Gespräche mit Kindern aber auch leichter sein. Kinder wissen nämlich nicht, wie lange das wehtut und was da für ein Rattenschwanz auf den ersten Schock folgt. Bei vielen hängt daran die Existenz. Dazu kommen noch die Fragen und Ängste des zurückbleibenden Elternteils: Kann ich das Haus halten? Krieg ich die Kinder durch? Wie zahle ich alles ab? Also manchmal ist es schon hart an der Grenze.
Meine Bewältigungsstrategie ist: Ich fahre Auto. Ganz langsam. Dann bete ich. Dann singe ich, pfeife und telefoniere mitunter mit Pfarrer Stefan Baier. Er ist unser Landeskoordinator und eigentlich Mecklenburger. Und als Kind bin ich ganz oft im Urlaub in Mecklenburg gewesen. Und ich liebe diesen Dialekt.
Als mein Bruder starb, wechselten viele die Straßenseite, wenn sie uns sahen. Das nimmst du natürlich persönlich, weil du ja selber so verletzt bist in deinem Innersten. Und dann habe ich gesagt, die können einfach nicht mit Trauer umgehen, deswegen gehen die dir aus dem Weg. Das ist aber Quatsch! Geh hin, klingle. Frage, ob du was tun kannst.
Man kann nichts falsch machen. Nichts. Gar nichts. Und wenn derjenige sagt: 'Ich kann jetzt aber gerade nicht.' Dann sei nicht traurig, sei nicht sauer, sondern versuche es einfach wieder.
Sendung: rbb Fernsehen, 29.11.2023, 22:30 Uhr
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