#wiegehtesuns? | Der BSR-Mitarbeiter
Für manche Menschen sind saubere Straßen selbstverständlich. Dabei arbeiten Mitarbeiter von der Berliner Stadtreinigung wie Andreas Bürger hart dafür. Er findet, gute Arbeit muss gut entlohnt werden – und setzt große Hoffnungen in die anstehenden Tarifverhandlungen. Ein Gesprächsprotokoll
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Mal entfernt er Taubenkot, mal ist er mit Streufahrzeugen unterwegs: Andreas Bürger arbeitet seit 2001 bei der Berliner Stadtreinigung. Steigende Energie- und Lebensmittelpreise machen ihm und seinen Kollegen zu schaffen. Der 61-Jährige fände es nur fair, wenn auch die Gehälter steigen. So geht es Andreas Bürger:
Seit 22 Jahren stehe ich nachts um 3 Uhr auf, um zur Arbeit zu gehen. Mindestens. Manchmal auch schon um 1 Uhr 30, wenn es glatt ist und ich mit dem Streufahrzeug unterwegs bin. Aber spätestens um 3 Uhr. Ich glaube, ich könnte das gar nicht mehr anders. Wenn ich mal nicht mehr arbeite, im Rentenalter, wache ich wahrscheinlich trotzdem um diese Uhrzeit auf.
Ich bin mit zwei anderen Kollegen damit beschäftigt, die Taubenkacke in der Stadt zu beseitigen. Unter Brücken, an Bahnhöfen. Am Kottbusser Tor. Heutzutage hat man nicht nur mit Taubenkot zu tun, denn es wohnen ja auch viele Menschen auf der Straße. Die Hinterlassenschaften muss ich auch entfernen. Das macht nicht jeder gerne. Mich stört das nicht. Immerhin ist das ein sinnvoller Job.
Besonders anstrengend ist es, wenn ich mit den Streufahrzeugen unterwegs bin. Wenn es schneit, und glatt ist. Wenn es dann noch stürmt oder regnet, muss man sich schon sehr stark konzentrieren. Heutzutage zeigt immerhin ein Navi an, wo man streuen muss. Sie müssen die Streupunkte einhalten, Gefahrenstellen erkennen und nebenbei noch den Verkehr beachten. Während Sie arbeiten, merken Sie gar nicht, wie anstrengend das ist. Erst dann, wenn Sie nach Hause kommen. Wenn dann die Hände ein bisschen zittern, dann merken Sie, was Sie getan haben.
Die Leute nehmen das oft für selbstverständlich. Dass eine Straße sauber ist. Dass ein Park sauber ist. Aber da steckt Arbeit dahinter. Leistung. Und wenn es stark schneit, müssen wir oft noch Überstunden machen. Manchmal zwei. Manchmal auch vier. Wenn es schneit, bedeutet das für mich: Überstunden! Und die Handreiniger sind noch schlimmer dran, die sind acht Stunden draußen. Ich sitze im beheizten Fahrzeug. Ich habe es also noch gut.
Ich finde, unsere Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Deshalb setze mich ein für mehr Lohn. Die Leute sollen nach den Tarifverhandlungen sagen: Das ist super! Für das Geld arbeite ich gerne. Klar, die Unternehmen finden die Forderungen zu hoch. Aber die sind nicht zu hoch. Die sind gerechtfertigt.
Schließlich ist alles teurer geworden. Lebensmittel. Benzin. Urlaub. Kleidung. Heizen. Mir geht es ja noch gut. Wenn ich das mal mit Mindestlohnempfängern vergleiche – die können ja kaum existieren. Wir haben bei der BSR immerhin einen sicheren Job.
Mir selbst geht es nicht schlecht. Was ich brauche, kann ich mir derzeit noch leisten. Ich verdiene 2.100 Euro netto. Aber ich bin eben auch schon 61 Jahre alt und lange dabei. Und auch ich merke natürlich, dass alles teurer geworden ist. Unser Lohn ist nicht so gewachsen, dass wir mit der Inflation mithalten können. Wenn ein Stück Fleisch jetzt 25 Euro kostet, das gönnt man sich dann nicht jede Woche. Wer soll das denn bezahlen?
Ich lebe in einem Gartenhaus in einer Laubenkolonie, heize mit Propangas. Mein Gastank hat 3.500 Liter. Der hat vor zwei Jahren 800 Euro gekostet, eine Füllung. Jetzt sind wir bei über 2.000 Euro. Das reicht für ein Dreivierteljahr. Das sind wirklich Preise, die sind jenseits von Gut und Böse, es ist wirklich unglaublich.
Ein einfacher Quark, der früher 79 Cent gekostet hat, kostet jetzt 1,15 Euro. Und dann ist auch noch weniger drin als früher. Man sieht es an solchen kleinen Sachen. Das muss man ja alles bezahlen.
Und einige meiner jüngeren Kollegen, die noch nicht so viel Erfahrung haben, verdienen mehrere Hundert Euro weniger als ich. Die, die kleine Kinder zuhause haben, für die ist es zum Teil schwierig. Es sagt zwar niemand direkt zu mir: Mein Geld reicht nicht. Aber man hört das trotzdem raus. Wenn man ihnen zuhört. Wenn ich zum Beispiel frage, wohin sie in Urlaub fahren, und wenn sie dann sagen: Ach, wir haben gar nichts vor. Dann weiß ich schon Bescheid.
Ich arbeite, seit ich 16 bin. Angefangen habe ich als Gebäudereiniger. Parkettabziehen, Fassadenreinigung, Polsterreinigung – alles, was dazugehört. Später habe ich im Ofenbau gearbeitet. Straßenbahn kann ich auch fahren. Ich war Hausmeister. Und jetzt bin ich eben bei der BSR.
An sich mag ich die Arbeit. Der Job ist abwechslungsreich. Mit Maschinen umzugehen, ist schon was Schönes. Manchmal aber auch stressig. Ich fände es schon gerecht, wenn die Löhne steigen. Arbeit muss sich lohnen. Es kann doch nicht sein, dass ich vom 1. bis zum 31. arbeite, und gerade so mit dem Geld hinkomme. Von dem Geld muss doch was übrigbleiben, ich will doch auch mal in den Urlaub fahren.
Ich glaube, der Lohn steht uns zu. Jede Großveranstaltung, die in Berlin stattfindet, macht die BSR sauber. Jeder Staatsbesuch – da müssen die Gullis versiegelt werden. Irgendwie muss da eine Wertschätzung her, so dass man sagt: Man ist gerne BSR. Viele von uns sind das ja. Aber es muss eben auch entlohnt werden. Das ist einfach so.
Das Gespräch führte Anja Herr.
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