#wiegehtesuns | Mutter von Kita-Kind
Ab Montag ruft Verdi zu fünf Tagen Kita-Streik auf. Die Berlinerin Franziska Lent ist dagegen. Sie hat zwei Kinder, davon ist eins schon in der Schule, eins geht noch in die Kita und wird im September eingeschult.
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Leben gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
"Mich macht dieser Streik hilflos, wütend und ich habe mäßig Verständnis dafür. Auch wenn ich grundsätzlich die Ziele, die Verdi in dem Tarifvertrag nennt, gut finde und auch unterstütze.
Was ich wirklich vermisse, ist eine Kommunikation mit uns Eltern. Wir kriegen dann wieder einen Brief: "Ja, es wird wieder gestreikt, bitte organisieren Sie sich selber." Ha ha! Also das finde ich zu wenig, und ich bräuchte da einen Dialog.
Vor einem halben Jahr ging es bei den Streiks um Löhne, da ging es um Inflationsausgleich, das kann man konkret fordern. Pauschal „wir brauchen eine bessere Personaldecke und die soll uns garantiert werden“ - das finde ich schwierig per Streik zu erpressen - und dann auch nur für die landeseigenen Kitas.
Was mich wirklich ärgert, ist auch etwas Moralisches. Die kriegen ja auch Streikgeld. Ich bin selbst Freiberuflerin, und wenn ich nicht arbeiten gehe, kriege ich kein Geld. Ich krieg's auch nicht, wenn ich krank bin, ich krieg's auch nicht, wenn ich Urlaub mache, ich kriege auch keinen Ausgleich wegen der Inflation.
Ich denke: Okay, man kann auch mal streiken gehen. Aber in dem Ausmaß finde ich es nicht in Ordnung.
Ich glaube, es muss irgendwann andere Wege geben. Ich fühle mich hängengelassen, auch wenn ich verstehe, dass sich die Erzieher genauso hängengelassen fühlen.
Ein Problem ist ja, dass es nicht genug Personal gibt – nicht in den öffentlichen Kitas und genauso wenig bei den freien Trägern. Die große Frage muss die nach der Personalgewinnung sein, finde ich: Wie können wir Leute kriegen?
Da müssen wir weiterdenken. Man könnte zusätzlich mit kleinen Stellen arbeiten - der Personalschlüssel ist ja in den meisten Kitas noch nicht ausgereizt - und Leuten die Möglichkeit geben, in den Job reinzuschnuppern und vielleicht nur Teilzeit zu arbeiten, weil der Job eben sehr anstrengend ist.
Es wird immer so auf Vollzeit gepocht, oft heißt es "nur in Teilzeit", das klingt so wertend. Ich frage mich auch, ob das noch so zeitgemäß ist. Gerade in nervlich anstrengenden Jobs kann Teilzeit ein Schlüssel sein
Damit wird man wahrscheinlich nicht die ganze Personaldecke weben können. Es muss auch immer die geben, die 30 und 40 Stunden da sind, um eine Kontinuität zu ermöglichen. Die gibt's ja auch, aber die muss man entlasten. Es ist schon ganz viel wert, wenn man die an zwei Tagen entlastet.
Bei den freien Trägern schaue ich mir manchmal die Stellenausschreibungen an, ich bin auch als Musikpädagogin in Kitas unterwegs. Da nehme ich wahr, dass es studentische Mitarbeiter gibt, die nur an einem Donnerstag und an einem Freitag arbeiten, oder dass es pädagogische Fachkräfte gibt, die nur an zwei Tagen da sind. Das ist wahrscheinlich nicht optimal, aber es ist besser als nix und es ist ein Ansatz. Eben nicht nur diese fünf-Tage-Woche, sondern flexibler agieren. Das muss man ausprobieren, denke ich. Vielleicht verwirft man bestimmte Ideen wieder, aber ich glaube, es lohnt sich, die auszuprobieren.
Oder zum Beispiel Aushilfskräfte auf Übungsleiterpauschale oder FSJler oder Bufdis [Absolvent:innen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder des Bundesfreiwilligendienstes, d. Red]. Das macht natürlich alles zusätzliche Arbeit, möglicherweise auch ein bisschen mehr Chaos in den Kitas. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, die Leute mit ins Boot zu holen. Vielleicht wird jemand merken, der ungelernt ist und auf Übungsleiterpauschale aushilft, dass er oder sie das ganz gut kann und dann eine Weiterbildung zur Erzieherhelferin oder –helfer macht.
Das ist niedrigschwellig, das können auch Leute ohne Abschluss machen. Einfach nur darauf zu bestehen, dass es pädagogische Fachkräfte sein müssen, wird nicht funktionieren. Die sind nicht da und die werden auch so schnell nicht da sein.
Der Streik ist einfach das falsche Mittel. Ich glaube, es ist nicht unrealistisch, die Personaldecke langfristig zu verbessern. Das wollen wir alle, und da müssen sich viele, viele Leute an den Tisch setzen, Verbände, Organisationen, LEAK [Landeselternausschuss Kita, d. Red.], Eigenbetriebe, Ver.di, andere Gewerkschaften.
Ich will überhaupt nicht die pädagogische Arbeit der Erzieher:innen infrage stellen. Die verdienen ganz, ganz großes Lob, und die verdienen auch ein ganz, ganz, großes Lob, dass sie das bisher so wuppen. Ich verstehe auch, dass es denen schwerfällt, dabei zu bleiben.
Es ist eine wahnsinnig schwierige Situation. Aber ich glaube, dass dieser Streik keine Aussicht auf Erfolg hat, weil es so eine schnelle Lösung einfach nicht gibt.“
Gesprächsprotokoll: Christina Rubarth
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.07.2024, 19:30 Uhr
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