rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Quelle: rbb

#Wiegehtesuns? | Anhängerin von Fesselkunst "Shibari"

"Durch BDSM habe ich gelernt, zu vertrauen"

Medusa kam als Kind afghanischer Geflüchteter nach Berlin. Sie hat zuhause Gewalt und Unterdrückung erfahren. Jetzt, als Erwachsene, ist sie in der BDSM-Szene aktiv. Das hilft ihr, ihre eigenen Grenzen zu finden. Ein Gesprächsprotokoll

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Medusa ist eine junge queere Frau in ihren Zwanzigern. Sie ist das Kind afghanischer Geflüchteter und lebt seit ihrem fünften Lebensjahr in Berlin. Seit einigen Jahren ist sie in der BDSM-Szene aktiv.

Ich bin in einem sehr religiösen, konservativen Haushalt groß geworden. Ich wusste nicht, wie die Welt draußen war. Mir wurde nie etwas über Sexualität erklärt. Ich war dann ein verlorenes Heimkind, nachdem ich mich von meiner Familie emanzipiert hatte. Ich war komplett überfordert. Ich habe so gehungert nach Liebe. Sexuelle Gewalt war in meiner Vergangenheit ein großes Thema. Ich habe Jahre gebraucht, um es zu verarbeiten.

#Wiegehtesuns | Sexpositiv feiern

"Es gibt Sex-Partys? Da will ich auch hin!"

Lange fühlt sich Martina unwohl in ihrem Körper. Im Sommer ist sie zum ersten Mal auf einer Sexparty in Berlin. Für die italienische Studentin wird das Erlebnis auch zu einem Befreiungsschlag. Ein Gesprächsprotokoll

Ich praktiziere "Shibari", das ist eine Fesselkunst. Man wird mit Seilen gefesselt, und das ist unglaublich intensiv. Ich habe Spaß daran. Ich mag Schmerzen. Es ist ein anderes Gefühl, diese raue Essenz von jemandem zu spüren, wie sie dich anpacken. Die Geräusche, die sie machen, den Atem. Teilweise finde ich es intimer als den Akt des Eindringens. Für mich ist ein Seil wie eine verlängerte Hand, es kann einen Menschen umfassen, festhalten. Dadurch habe ich sehr stark loslassen gelernt – auch wenn es vielleicht paradox klingt. Es gibt mir viel, weil ich sehr oft stark sein und mich zusammenreißen muss.

Am Anfang war ich total dogmatisch, nur Kink, kein “Vanilla Sex” oder sonst was. "Vanilla" ist jemand der nicht "kinky" ist und nichts mit Fetischen oder irgendwelchen Vorlieben zu tun hat. Aber ironischerweise habe ich gerade durch diese Härte auch diese Weichheit zurückbekommen. Bei BDSM kann man einen Raum kreieren, in dem man verletzlich sein kann, aber auch aufgefangen wird.

Ich habe Konsens, Gespräch und Absprachen gelernt. Wo sind meine Grenzen? Was möchte ich? Was möchte ich nicht? Das bietet einfach einen Raum, wenn man jemanden hat, der sich an die Absprachen hält, wo es eine gesunde Beziehung und Verbindung gibt. Der wichtigste und größte Teil, den ich durch BDSM gelernt habe, war zu vertrauen. Zu verstehen, dass ich darauf achten sollte, dass ich auch das zurückbekomme, was ich verdiene und dafür auch nicht meine eigenen Erwartungen runterschrauben muss. Das war ein langer Prozess, aber mittlerweile bin ich soweit, dass ich mein Vertrauen den Richtigen gebe. Ich habe so einen wundervollen Kreis um mich herum, für den ich unglaublich dankbar bin. Natürlich kann man das auch anders lernen, aber das war mein Weg.

#Wiegehtesuns | Sexpositive Beziehung

"Wenn ich eine andere Frau mit ihm sehe, geht mein Herz auf"

Die Berlinerin Lisa Rug und ihr Mann Christian gehen zusammen auf sexpositive Partys. Sie daten auch gern andere Menschen – gemeinsam und einzeln. Daten in einer Beziehung – wie kann das funktionieren? Ein Gesprächsprotokoll

Ich glaube, das war mein Weg, die Sexualität zu finden. Interessanterweise kann ich durch BDSM die negativen Erfahrungen auch mit anderen Erfahrungen überspielen. Ich denke, man findet überall Menschen mit Traumata, aber nicht überall gibt es einen Raum, in dem man seine Verletzlichkeit zeigen kann.

In der sexpositiven Community kommunizieren die Menschen offen und transparent. Es ist mir wichtig, dass wir unsere Sexualität kreativ und selbstbestimmt ausleben. Solange es mit Konsens geschieht und jeder, der beteiligt ist, volljährig ist. Ich rede offen darüber, denn unser Körper ist ein Tempel, aber er ist auch ein Freizeitpark.

Gesprächsprotokoll: Marie Villetelle

Sendung: F*ck Berlin, ARD Mediathek

Artikel im mobilen Angebot lesen