FDP stellt Antrag auf Abwahl - Neuköllner Ordnungsstadträtin lässt Mitarbeiter nicht an Razzia teilnehmen
Die Neuköllner Stadträtin Sarah Nagel ließ Mitarbeitende ihres Ordnungsamtes nicht an einem Polizeieinsatz im Clan-Milieu teilnehmen. Im Bezirksamt schlägt der Fall hohe Wellen, auch weil der Bezirk den Einsatz selbst koordiniert hat. Von Roberto Jurkschat
- In Neukölln haben Einsatzkräfte der Polizei und vom Zoll wegen des Verdachts der Schwarzarbeit ein Lokal kontrolliert. Dort sollen Mitglieder einer Clan-Familie verkehren.
- Ursprünglich sollte sich das Ordnungsamt Neukölln an der Durchsuchung beteiligen. Die zuständige Stadträtin hat dies jedoch unterbunden, unter anderem um eine pauschale Stigmatisierung zu verhindern.
- Die FDP-Fraktion der BVV in Neukölln hat nun einen Antrag auf Abwahl der Stadträtin gestellt.
Die Neuköllner Stadträtin Sarah Nagel (Linke) hat Mitarbeitenden ihres Ordnungsamtes untersagt, an einer Razzia in einem Britzer Nobelrestaurant teilzunehmen. Bei der Kontrolle des Lokals, in dem laut "Tagesspiegel"-Bericht auch Mitglieder einer libanesischen Clan-Familie verkehren sollen, ging es um den Verdacht auf Schwarzarbeit, wie ein Sprecher des Bezirksamtes rbb|24 bestätigte.
Polizei und Zoll stellen Versäumnisse fest - ohne das Ordnungsamt
Am Samstag hatten 30 Beamte der Berliner Polizei und vom Zoll das Lokal kontrolliert. Die Razzia in dem Restaurant war ursprünglich als Verbundeinsatz geplant - also als eine Kooperation anderer Behörden mit dem Neuköllner Ordnungsamt. Der Einsatz wurde laut einem Sprecher sogar aus dem Bezirksamt heraus koordiniert - doch zu einer Kooperation mit dem Ordnungsamt kam es am Ende nicht, weil Stadträtin und Ordnungsamtschefin Sarah Nagel die Zusammenarbeit ablehnte.
Bei dem Einsatz am Samstag waren Zollbeamte mit der Polizei in das Lokal gegangen, dort stellten sie verschiedene Verstöße fest, unter anderem wegen Schwarzarbeit und unsauberer Kassenführung. Mindestens zwei Verdächtige wurden vorübergehend festgenommen.
Bezirksbürgermeister kritisiert Stadträtin
Wie die "B.Z." berichtet, soll Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) die Stadträtin hinterher für ihre Blockadehaltung kritisiert haben: "Das Ordnungsamt muss natürlich seine rechtlichen Aufgaben erfüllen können und dabei auch mit anderen Behörden zusammenarbeiten."
Der Vorsitzende der dreiköpfigen FDP-Fraktion in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Roland Lappek kündigte zudem an, am Mittwoch in der BVV einen Antrag auf Abwahl der Ordnungsamtschefin zu stellen. Verschiedene Medien hatten zuvor berichtet, Bezirksstadträtin Nagel habe die Teilnahme an der Razzia verweigert, da sie solche Kontrollen pauschal als stigmatisierend empfinde. Bereits im Vorfeld habe Nagel sich immer wieder kritisch über Verbundeinsätze gegen Spätis, Shisha-Bars und Restaurants geäußert.
Nagel widerspricht Darstellungen teilweise
Im Gespräch mit rbb|24 erklärte Nagel am Dienstag, ihr Hauptbeweggrund für die verweigerte Zusammenarbeit sei ein anderer gewesen: "Nach einer Studie des HWR dienen Gewerbekontrollen oft der Informationsgewinnung der Polizei", so Nagel. "Mir war es wichtig, dass der Rechtsrahmen der Gewerbeüberwachung nicht überschritten wird. Ich habe gleichzeitig gesagt, dass eine zügige Kontrolle des Gewerbes geboten ist. Die Diskussion über Stigmatisierung und strukturelle Diskriminierung durch solche Verbundeinsätze spielt aber auch eine Rolle."
Darstellungen, sie habe schon öfter Razzien in Spätis, Shisha-Bars oder Restaurants blockiert, seien allerdings falsch, dies sei das erste Mal gewesen, dass sie die Teilnahme von Ordnungsamtsmitarbeitern an einer Razzia ablehnte.
Hikels Koordinierungsstelle bat Polizei um Amtshilfe
Angefangen hatte der Streit im Neuköllner Bezirksamt nach einer Gewerbekontrolle des Ordnungsamtes in der vergangenen Woche: Die Beamten hatten schon an diesem Tag "Auffälligkeiten" in dem Lokal in der Straße Grüner Weg festgestellt: Erst wurden sie von Mitarbeitern nicht in "gewisse Bereiche" des Restaurants vorgelassen, wie ein Bezirkssprecher rbb|24 bestätigte. "Beobachtet wurde auch, dass Personen in Küchenkleidung geflohen waren."
Die Ordnungsamtsmitarbeiter regten daraufhin an, das Lokal erneut unter die Lupe zu nehmen - diesmal im Verbund mit Polizei und Zoll. Zuständig für die Koordination solcher Verbundeinsätze ist im Bezirksamt aber nicht Stadträtin Sarah Nagel - sondern die Koordinationsstelle für Sicherheit und Ordnung, die Bezirksbürgermeister Hikel unterstellt ist. Nachdem Hikels Bereich die Berliner Polizei um Amtshilfe gebeten hatte, lehnte Ordnungsamtschefin Nagel die Zusammenarbeit ab.
Ein Sprecher des Bezirks erklärte rbb|24, im Bezirksamt werde derzeit an einer Lösung für künftige Verbundeinsätze in Neukölln gearbeitet.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.12.2022, 12:00 Uhr