Neuer CDU-Vorsitzender in Brandenburg - Redmann statt Schlachteplatte
Die Brandenburger CDU hat einen neuen Vorsitzenden: Jan Redmann. Mit dem 43-Jährigen setzt ein Generationenwechsel ein. Dass dies bemerkenswert geräuschlos verlaufen ist, liege am Vorbild der SPD. Auf das Lob folgt umgehend die Attacke. Von Michael Schon
Conquest of Paradise, die Eroberung des Paradieses. Der CDU-Parteitag begann mit bombastischen Synthie-Klängen, Filmmusik aus den Neunzigern. Nicht für Redmann, sondern für den Einmarsch von Hendrik Wüst, CDU-Landeschef und Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, der als ehemaliger WG-Kollege Redmanns eine Unterstützungsrede für seinen Parteifreund hielt. "Was macht Ihr so traurige Musik, wenn ich reinkomme?", fragte der verdutzt. Allerdings war es auch nicht er, sondern Redmann, der sich zu einem Eroberungszug anschickte.
Die Wahl zum Parteivorsitzenden ist der bisherige Höhepunkt in der politischen Karriere des 43 Jahre alten Prignitzers, die er fokussiert und strategisch verfolgt hat. Der promovierte Rechtsanwalt trat 2014 erstmals zur Landtagswahl an und wurde sofort Parlamentarischer Fraktions-Geschäftsführer. Fünf Jahre später, nach dem schlechten Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl 2019, griff er nach dem Fraktionsvorsitz. Parteichef wurde damals Michael Stübgen, der in der neuen Koalition mit SPD und Bündnisgrünen das Amt des Innenministers übernahm.
Knapp zwei Jahre vor der Landtagswahl signalisierte Redmann schließlich, dass es Zeit für einen Generationenwechsel in Brandenburgs CDU sei. Stübgen sah davon ab, sich noch einmal als Landeschef zur Wahl zu stellen.
Das Kalkül ging auf
Dem Drang der Brandenburger CDU, sich auf Parteitagen über Personalfragen selbst zu zerfleischen und so die längst sprichwörtliche Schlachteplatte anzurichten, beugte Redmann mit einer Mitgliederbefragung vor. Ein Novum bei der Wahl des Parteichefs im Landesverband. Dabei erhielt er Anfang März eine Zustimmung von 84 Prozent. Er war der einzige Kandidat. Keiner seiner potentiellen Gegner hatte sich aus der Deckung gewagt. Die Bestätigung durch die Delegierten auf dem Landesparteitag galt deshalb als Formsache. Dieses Kalkül ging auf.
Auch die Besetzung des übrigen Landesvorstandes lief nach Redmanns Vorstellungen. Als Generalsekretär hatte er seinen Fraktionskollegen Gordon Hoffmann vorgeschlagen, der das Amt bereits 2019 übernommen hatte. Hoffmann erhielt bei der Wahl 91,3 Prozent der Stimmen. Seine Stellvertreter wurden die Landtagsabgeordneten Kristy Augustin (Kreisvorsitzende in Märkisch-Oderland) und Frank Bommert (Kreisvorsitzender in Oberhavel) sowie die Landräte Karina Dörk (Uckermark) und Christian Jaschinski (Elbe-Elster).
Fokus auf Wirtschafts-, Bildungs- und Einwanderungspolitik
Redmann hatte die Partei zuvor in einer kämpferischen Rede darauf eingeschworen, die Führungsrolle in Brandenburg anzustreben. Brandenburg müsse wirtschaftlich zu anderen Umlandregionen von Metropolen aufschließen, er nannte London und Paris. "Was für ein Land wollen wir sein", fragte Redmann, "ein Land, das wieder ein kleines bisschen zu bescheiden ist, oder eines, das neuen Stolz entwickelt?" Brandenburg müsse sich nicht verstecken.
Scharfe Kritik übte er an der Bildungspolitik der SPD, die dieses Ressort auch in der gemeinsamen Koalition verantwortet. Brandenburg belege in Bildungsvergleichen hintere Plätze. Das CDU-regierte Sachsen sei in Lesen und Mathematik hingegen an der Spitze, obwohl beide Länder nach der Wende mit den gleichen Voraussetzungen gestartet seien. Er forderte mehr Digitalisierung und eine konsequentere Bekämpfung des Unterrichtsausfalls. Tugenden wie Fleiß und Respekt müssten in den Schulen wieder mehr Gewicht bekommen.
Mit Blick auf den Kampf gegen den Klimawandel forderte er erneut ein Umdenken beim Thema CCS, also der Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid. "CCS ist ein Zukunftsthema für Brandenburg, das Wohlstand, Wachstum und Klimaschutz miteinander versöhnt", sagte Redmann. Bereits in der Vergangenheit hatte er Pipelines für abgeschiedenes CO2 vorgeschlagen, mit denen das Gas in unterirdische Speicher in Skandinavien oder der Nordsee transportiert werden soll.
Zur Einwanderungspolitik sagte Redmann, Brandenburg müsse sagen, "wer uns braucht und wen wir brauchen". Das Land müsse denjenigen helfen, die verfolgt und vor Krieg und Gewalt geflohen seien. Geltendes Recht müsse aber bei Abschiebungen konsequent angewendet werden. Zugleich sei gezielte Einwanderung ein wichtiges Mittel, um den Fachkräftemangel zu lindern. Fremdenfeindlichkeit habe keinen Platz in Brandenburg.
Absage an die Schlachteplatte
Zuvor hatte der scheidende Landesvorsitzende Michael Stübgen, Brandenburgs Innenminister, in einer knappen Passage seiner Rede die Arbeit Redmanns als Fraktionsvorsitzender gelobt: "Unsere Fraktion ist die Aktivste", sagte Stübgen. Dafür danke er Redmann. Eindringlicher war sein Appell an die Parteifreunde, den Mythos der Brandenburger Schlachteplatte abzuschütteln.
In diesem einen Punkt solle sich die Partei die SPD als Vorbild nehmen und bei inhaltlichen und personellen Konflikten nach außen geschlossen auftreten. Die Menschen interessiere nicht, wer sich streite, sondern wie die Probleme im Land gelöst würden.
Die Eroberung der Brandenburger CDU hat Redmann am Samstag abgeschlossen. Er ist jetzt der 14. Landeschef seit 1990. Auf dem Weg ins persönliche Paradies ist das wohl nur eine Etappe. Redmann hat bereits angekündigt, bei der Landtagswahl im kommenden Jahr als Spitzenkandidat gegen Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) antreten zu wollen.
Auf dem Landesparteitag sprach sich Redmann am Samstag mit einem Zitat des früheren CDU-Landesvorsitzenden Jörg Schönbohm selbst Mut zu: "Kämpft, denn es ist nicht gottgegeben, dass dieses Land SPD-regiert wird. Zeigen wir, dass Jörg Schönbohm Recht hat", sagte Redmann. Diese Operation dürfte angesichts der aktuellen Umfragewerte der CDU, in denen sie hinter SPD und AfD liegt, deutlich schwieriger werden als die Übernahme des Parteivorsitzes.
Sendung: Radioeins, 26.03.2023, 9.30 Uhr