Verdacht der Veruntreuung - Wie es zum Millionenschaden bei einer Charité-Tochter kam
Eine Charité-Tochter soll mehrere Millionen Euro veruntreut haben. Der Senat hat nun weitere Details mitgeteilt. Die Mitarbeiter, die den Skandal aufdeckten, mussten teuer dafür bezahlen. Die Linke fordert nun deren Rehabilitation. Von René Althammer
Der mutmaßliche Millionenschaden bei der Charité-Tochter Charité Facility Management (CFM) soll vor allem - so der bisherige Verdacht - durch nicht erbrachte oder "überteuerte Leistungen aus Geschäftsbeziehungen mit Dritten erfolgt sein". Konkret heißt das, Mitarbeiter der CFM werden verdächtigt, Rechnungen von Firmen bezahlt zu haben, obwohl dafür entweder keine Leistungen erbracht worden waren oder die Preise viel zu hoch waren.
Dies teilte die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichberechtigung dem Abgeordneten Tobias Schulze (Linke) auf eine parlamentarische Anfrage mit und bestätigte damit Recherchen des rbb. Die Antwort liegt rbb24 Recherche vor.
Nach den bisherigen Ermittlungen besteht außerdem der Verdacht, dass "externe Unternehmen teils Verbindungen zu handelnden Personen der CFM aufwiesen". So wurden Aufträge ohne Ausschreibung an Firmen vergeben, die weder in einschlägigen Firmendatenbanken verzeichnet waren noch anders öffentlich in Erscheinung traten. In einem Fall handelte es sich um die Firma einer Mitarbeiterin der CFM.
Aus einer aktuellen Senats-Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktionsvorsitzenden Kristin Brinker geht außerdem hervor, dass die "potentiell strafrechtlich relevanten Sachverhalte in dem Zeitraum von 2017 bis 2022" stattfanden.
Charité-Revision wird im zweiten Anlauf fündig
Die interne Revision der Charité war erst im zweiten Anlauf auf die mutmaßlichen Straftaten gestoßen. Mitarbeiter der CFM hatten sich bereits Anfang 2021 an den Vertrauensanwalt der CFM gewendet und ihn über ihren Verdacht informiert. Im Sommer 2021 wurde dann auch Astrid Lurati, die Vorsitzende des Aufsichtsrats und Mitglied des Charité-Vorstands, informiert. Anschließend beauftragte Deutschlands größtes Universitätsklinikum eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, möglichen Verstößen gegen das Vergaberecht und Compliance-Vorschriften nachzugehen.
Das Ergebnis der Wirtschaftsprüfer wurde der Staatsanwaltschaft übermittelt, die damals jedoch keinen Anfangsverdacht erkannte und im Dezember das zuvor eingeleitete Ermittlungsverfahren "mangels Tatverdacht" wieder einstellte. Nachdem sich bei rbb-Recherchen herausstellte, dass es Auffälligkeiten bei den Metadaten diverser Angebote und Rechnungen gab, nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf.
Die Charité-Revision wurde eingeschaltet und hat die CFM wohl einer Tiefenprüfung unterzogen, deren Ergebnis im Februar dann dem Aufsichtsrat vorgestellt wurde. "Mit Bekanntwerden der potentiell strafrechtlich relevanten Sachverhalte wurden seitens der CFM unverzüglich personalrechtliche Konsequenzen eingeleitet", heißt es in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage. Laut Handelsregister schied eine Geschäftsführerin aus und einem Mitarbeiter wurde die Prokura - also die Berechtigung, Aufträge zu erteilen und die Bezahlung von Rechnungen anzuweisen - entzogen.
Aufmerksame Mitarbeiter wurden gekündigt
Einige der Mitarbeiter, die den Skandal intern aufgedeckt hatten, arbeiten inzwischen nicht mehr bei dem Unternehmen: Sie wurden - anders als die Tatverdächtigen - noch 2021 freigestellt oder gekündigt. Tobias Schulze fordert jetzt eine Rehabilitation der Mitarbeiter. "Diese Mitarbeiter haben mutig und ohne Ansehen des eigenen Wohlergehens im Interesse der Charité und der Öffentlichkeit skandalöse Missstände aufgedeckt", schreibt Schulze dem rbb. Nach seiner Auffassung "wäre die Rücknahme aller Maßnahmen gegen sie fällig."
In der Antwort an die AfD-Fraktionsvorsitzende Brinker heißt es aus der Senatsverwaltung dagegen, dass die "arbeitsrechtlichen Maßnahmen", also Kündigungen und Freistellungen, "nach Angaben der Charité nicht wegen der Abgabe von Hinweisen" erfolgten.
Verdi hatte dagegen schon im März erklärt, dass eine "Diskussion um die Kündigung der Hinweisgeber" aus der CFM im Aufsichtsrat "nicht gewünscht" war. In einer Pressemitteilung hatte die Charité mitgeteilt, dass sowohl "der Vorstand der Charité, als auch die neue CFM-Geschäftsführung" die Aufklärung in der CFM "maßgeblich vorangetrieben" hätten.
Auf Anfrage des rbb wies der Charité-Pressesprecher am Mittwoch den Vorwurf zurück, dass CFM-Mitarbeiter "wegen der Abgabe von Hinweisen zu einem möglichen Fehlverhalten" gekündigt wurden. Er verwies auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, wegen der das Unternehmen sich nicht weiter zu Details äußern könne.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.04.2023, 17:00 Uhr