Zusätzliche Kredite - Berlin will fünf Milliarden Euro zusätzlich in Klimaschutz investieren

Di 25.07.23 | 13:01 Uhr | Von Jan Menzel
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Symbolbild: Demo vor dem Roten Rathaus in Berlin - für Nachhaltigkeit und Radwegeausbau. (Quelle: dpa/C. Gateau)
Video: rbb24 Abendschau | 25.07.2023 | A. Sundermeyer | Bild: dpa/C. Gateau

Mit einem Haushalt neben dem Haushalt will der Senat mehr für den Klimaschutz tun. Was sich einfach anhört, ist wegen der Schuldenbremse rechtlich kompliziert. Doch Schwarz-Rot glaubt, einen Weg gefunden zu haben. Von Jan Menzel

Eindeutiger als im Grundgesetz geht es kaum. "Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen", steht in Artikel 109 in schönster Schnörkellosigkeit. Allerdings gilt auch hier: Keine Regel ohne Ausnahme. So dürfen auch große Kredite sehr wohl aufgenommen werden, wenn Naturkatastrophen, eine Rezession oder unverschuldete Notlagen das Land treffen.

Anders ausgedrückt: Wer die Schuldenbremse ausbremsen will, braucht gute Gründe. Der Bund etwa hat das sogenannte Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr mit dem Argument aufgelegt, dass sich die Sicherheitslage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine radikal verändert hat. Der Berliner Senat will mit seinem Sondervermögen "Klimaschutz" auf Nummer sicher gehen. Deshalb gibt es eine doppelte Begründung für diesen Extra-Haushalt.

Senat will in der Klimakrise nicht warten

Den wissenschaftlich belegten Klimawandel heranzuziehen, liegt dabei nahe. Schon 2021 erklärte der damalige Senat die Klimanotlage für Berlin. In einer viel beachteten Entscheidung hat das Bundesverfassungsrecht dem Klimaschutz im selben Jahr quasi Grundrechtscharakter verliehen. Darauf baut nun der aktuelle Senat auf. Die massiven Klimaveränderungen würden eine schnelle Reaktion des Staates erfordern. "Zu warten würde nur weiteren Schaden bedeuten", so Finanzsenator Stefan Evers (CDU).

Doch so ganz mag der Senat nicht darauf vertrauen, dass diese eine Notlage reicht - auch wenn vor Gericht gegen den Milliarden-Kredit geklagt werden sollte. Deshalb sollen die stark gestiegenen Energiepreise als weiterer "Auslöser" einer Notlage, auf die das Land reagieren müsse, herangezogen werden. Finanzsenator Evers spricht von einem "tiefgreifenden, äußeren Schock" - ausgelöst durch Ukraine-Krieg, Russland-Sanktionen und explodierte Energiepreise.

Parlament entscheidet über Klima-Milliarden

Voraussetzung für ein rechtssicheres Sondervermögen ist aus Sicht des Senats, dass das Abgeordnetenhaus diese doppelte Notlage formal feststellt. Das Parlament soll überhaupt die Schlüsselrolle bekommen und final entscheiden, wofür das Geld aus dem Sondervermögen ausgegeben wird. Berlin will nicht den Fehler der hessischen Landesregierung wiederholen. Sie hatte seinerzeit ein Corona-Sondervermögen eingerichtet, das später vom Landesverfassungsgericht wegen mangelnder Parlamentsbeteiligung für verfassungswidrig erklärt wurde. In Berlin soll der Hauptausschuss des Parlaments das letzte Wort haben.

So gesehen geht der Senat bei seinem Sondervermögen "Klimaschutz, Resilienz und Transformation" mit Netz und doppeltem Boden zu Werke. Die Bewältigung der umfassenden Notlage sei so gewaltig und so teuer, dass sie nicht einfach aus dem regulären Haushalt bezahlt werden könne, argumentiert der Finanzsenator. Fünf Milliarden Euro müssten für den "engen Zweck" der definierten Notlage verwendet werden. Und es muss für "zusätzliche" Maßnahmen ausgegeben werden, die sonst nicht finanzierbar wären, ist Stefan Evers wichtig zu betonen.

CO2-Einsparung ist das Maß der Dinge

Wo genau in Klimaschutz und Energie-Unabhängigkeit investiert werden soll, ist aber noch weitgehend offen. Konkrete Vorhaben können die Senatsverwaltungen erst anmelden, wenn das Sondervermögen beschlossen ist. Kriterien für die Bewilligung der Mittel sollen die CO2-Einsparung und das Umsetzungs-Tempo der jeweiligen Maßnahme sein. Definiert sind vier große Bereiche, in die das Geld fließen soll. Einer davon ist der Gebäudesektor. Hier könnten energetische Sanierungen von Gebäuden, effiziente Gebäudetechnik oder moderne, weniger CO2- intensive Bauweisen finanziert werden.

Der zweite Bereich ist die Transformation der Energieversorgung und Erzeugung mit Großvorhaben wie dem Umbau der Kraftwerke. Derzeit werden dort überwiegend Kohle und Gas verfeuert. Die Umstellung auf erneuerbare Energien wird Milliarden kosten. Für solche klimafreundlichen Investitionen könnte Geld aus dem Sondervermögen fließen. Für den Rückkauf der "alten" klimaschädlichen Kraftwerks- und Leitungsinfrastruktur hingegen nicht, sagt Finanzsenator Evers.

Drittes Cluster ist mit dem Verkehrssektor eines der Berliner Sorgenkinder mit Blick auf den CO2-Ausstoß. Hier könnten ein besseres Angebot im öffentlichen Nahverkehr, neue Radwege oder die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte von Land und Bezirken laut Evers "denkbare Anwendungsfälle" sein.

Im vierten Cluster will der Senat die Transformation der Wirtschaft hin zu klimafreundlicher Produktion unterstützen.

Straffer Zeitplan, entspannter Tilgungsplan

Der weitere Zeitplan ist straff: Nach den Sommerferien soll das Parlament mit den Beratungen beginnen. Vorgesehen ist auch Experten anzuhören. Berlin kann zudem auf eigene Erfahrungen mit Extra-Haushalten zurückgreifen. Seit neun Jahren gibt es das Siwa/Siwana-Sondervermögen für die wachsende Stadt. Anders als bei Siwa/Siwana soll das Klima-Sondervermögen aber nicht auf einen Schlag mit Geld befüllt werden. Erst wenn konkrete Projekte bewilligt sind, soll der dafür erforderliche Betrag am Kreditmarkt aufgenommen werden. Schluss ist, wenn die fünf Milliarden Euro ausgeschöpft sind.

Der Finanzsenator hofft, dadurch Zinsen zu sparen. Teuer wird das Sondervermögen für die zukünftigen Steuerzahler dennoch. Die Schulden müssen schließlich wieder abgestottert werden. Auch hier machen Grundgesetz und Berliner Schuldenbremsengesetz Vorgaben. Der Senat will mit der Tilgung 2030 beginnen. Bis 2056 sollen die Kredite des Sondervermögens vollständig zurückgezahlt sein.

Sendung: rbb24 Abendschau, 25.07.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

88 Kommentare

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  1. 88.

    Ich würde ja auch gern klimaneutral werden. Werde mal mit meiner Sparkasse über ein Sondervermögen reden.
    Oder lieber nicht - wahrscheinlich verstehen die meinen Humor nicht und holen entweder die Polizei oder die von der Psychatrie…
    Aber die Politiker dürfen das - die sind ja gewählt und letztlich doch nicht für Verluste verantwortlich, die sie verursachen. Das macht natürlich mutig.

  2. 87.

    "Dazu Ihr Beharren auf dem gegenwärtigen Strommix, der jedoch im Wandel begriffen ist." Die letzten Jahre vollzog sich der Wandel hin zu höherem CO2 Ausstoß. Im Rekordjahr 2020 kam fast die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Quellen - ein Wert, der seitdem nicht wieder erreicht wurde.

    Schweden setzt wieder auf Kernenergie "wir brauchen mehr Stromproduktion, wir brauchen sauberen Strom und wir brauchen ein stabiles Energiesystem." sagt die Schwedische Finanzministerin Elisabeth Svantesson. Die Änderung des Ziels von „100 Prozent erneuerbare Energien“ wird nun zu „100 Prozent fossilfreien“ Strom.

  3. 86.

    Mal abgesehen davon dass der CO2 Markt kein grünes Gesetz ist sondern eher eine Erfindung der Marktgläubigen Konservativen bzw. Liberalen spielt es für Berlin wohl kaum eine Rolle ob der CO2 Markt weltweit gerecht aufgebaut ist.
    Berlin hat doch neben der eigenen Energieversorgung und dem Verkehr kaum größere Emittenten.
    Und für beide Sektoren gibt es wohl kaum praktikable Alternativen in Ländern ohne CO2 Preis. Somit ist für Berlin der deutsche/europäische CO2 Preis relevant. Und um Berlin geht es doch im Artikel oder?
    Für Stahlwerke u.ä. sieht es anders aus, die konkurrieren mit anderen Ländern in denen lascher damit umgegangen wird.

  4. 85.

    Hat aber alles nix aber auch gar nichts mit dem CO2 Preis im Berliner Fernwärmenetz zu tun. Und darum geht es doch in der Diskussion. 2-3ct/kWh nur fürs CO2 dürften es doch bei Vattenfall auch schon sein mit klar steigendem Trend. Da lohnt sich schon so einige Alternative zum simplen verbrennen von Gas oder Kohle.
    Aus irgendwo wo es keinen CO2 Preis geben sollte wird man die Wärme für Berlin wohl kaum gewinnen können.

  5. 84.

    Sie scheinen nicht zu begreifen, dass wir GENAU JETZT – JETZT GERADE EBEN NOCH SO – die Chance haben, die schlimmsten Folgen für uns und zukünftige Generationen auf diesem Planeten noch ein wenig abzumildern, oder? Was glauben Sie, wo die Menschen aus dem globalen Süden – ja schon allein aus Südeuropa – hindrängen werden, wenn das Leben dort aufgrund von zu großer Hitze und Trockenheit / Wassermangel nicht mehr möglich sein wird? Das wird nicht „eventuell irgendwann“ passieren – diese Prozesse sind bereits in vollem Gange! Und dabei sollen wir Ihrer Meinung nach einfach tatenlos zusehen und NICHT unser Möglichstes versuchen? Von selbst wird sich dieses Problem nicht lösen …

  6. 83.

    Was kostet es uns wenn wir nichts gegen den Klimawandel und seinen Folgen unternehmen? Investionen dieser Art sind immer Investionen in die Zukunft, im Gegensatz zu noch mehr Autobahnen.

    Die bringen kurzfristig Wählerstimmen. Und Partei"spenden".

  7. 82.

    Äh, okay. Für die ganz Einfältigen werde ich demnächst meine Scherze untertiteln. Scheint bei ihnen nötig zu sein.

    Aber im Ernst. Das Bienensterben ist real, genau wie der Klimawandel. Beides wollen gewisse Kreise nicht wahrhaben.

    Womit ich elegant wieder zurück zum Thema gekommen bin.

  8. 81.

    Da die negativen Auswirkungen des Klimawandels überall auf der Welt immer deutlicher spürbar werden, wird es sich bald kaum noch ein Land leisten können, keine Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen, keine Sorge. Warum sollte – zumal, wenn um unser aller Zukunft auf diesem Planeten geht – ein Land wie Deutschland, das wirtschaftlich, wissenschaftlich und technologisch im internationalen Vergleich ganz vorne mit dabei ist und daher deutlich bessere Voraussetzungen als die allermeisten anderen Länder dafür mitbringt, nicht auch in puncto Klimaschutz eine führende Rolle übernehmen und anderen vormachen, wie es geht?

  9. 80.

    Nehmen wir an, die bequemen, weil nicht bemessbaren Schulden wurden umsonst gemacht, wenn sich das Berliner Klima nicht geändert oder verbessert hat. Rückzahlungspflicht mit sofortiger Fälligkeit? Oder soll „Ich finde...“ wieder ausreichen um Geld auszugeben?

  10. 79.

    Zum Leidwesen der Kremlins hat Habeck den von Putin im Sommer 2021 mit Nichtbefüllen der Speicher der Gasprom begonnenen Energiekrieg erfolgreich ausgekontert. Die Strompreise sind deshalb bekanntlich längst wieder auf dem Niveau zum Ende der Ära Merkel angekommen. Glauben Sie wirklich, dass Politiker wie Merz und Lindner grüne Politiker sind? Die wollen bekanntlich die Energiewende dem Markt überlassen und über CO2-Steuern regulierend eingreifen.

  11. 78.

    Woran wird denn das Bienensterben fest gemacht, am Honigertrag der profesinellen Imker?
    Wenn man hört wieviele Hobbyimker in den letzten Jahren ihre Arbeit aufnahmen und damit den profesesinelle die Beute streitig machen, kann man das so deuten.
    Aber wenn ich so die ganze Blütenvielfalt und die sich anbahnenden Erträge vieler Obstbäume sehe, wer war das?

  12. 77.

    Die CO2-Bepreisung würde nur funktionieren, wenn die größten CO2Emmitenten auch mitmachen würden. Habeck hat in Goa/Indien das Gegentell erfahren, und er hätte eigentlich die geplante CO2 Bepreisung aus Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland, wo schon der höchste Strompreis der Welt bezahlt wird, zurücknehmen müssen. So haben alle Länder, die die CO2 Bepreisung nicht vornehmen, einen Wettbewerbsvorteil, weil sie keine künstlich verteuerte Abgabe zahlen. Ein typisch grünes Gesetz halt, die CO2 Bepreisung.

  13. 76.

    Der weiteren Schädigung unseres Klimas nun endlich mal etwas konsequenter entgegenzuwirken, ist FÜR UNS ALLE von absoluter Dringlichkeit und Notwendigkeit – und das einzige, was Ihnen anscheinend dazu einfällt, ist, dass die Ausgaben dafür (zumindest Ihrer bescheidenen Meinung nach) nicht ordnungsgemäß deklariert sind? Ist das wirklich Ihr Ernst? Ich frag mich (natürlich bloß rein rhetorisch), wer von uns beiden hier wohl das „Thema verfehlt“ hat …

  14. 75.

    Und jetzt auch noch die längst widerlängte Mär der hohen Vorlauftemperatur. Selbst bei strengem Frost wird die nur selten benötigt, da gerade im Bestand Heizkörper oft überdimensioniert sind. Und falls nicht, lassen die sich meist vergleichsweise gegen größere Heizkörper tauschen. Dazu Ihr Beharren auf dem gegenwärtigen Strommix, der jedoch im Wandel begriffen ist.

  15. 74.

    Hier in Berlin regierten über Jahre andere Parteien zusammen mit der SPD ohne das viel für den Klimaschutz passiert es.

  16. 73.

    Stimmt. Zu spät, zu halbherzig und die Bremse FDP in der Ampel. Aber schön, dass sie "Der blaue Planet" von Karat erkannt haben.

    Fleißbienchen sind aber gerade aus. Die sind dem Bienensterben zum Opfer gefallen.

  17. 72.

    Darum geht's nicht. Es geht darum, daß in weiten Teilen der Welt keine CO2-Bepreisung existiert und somit mit jeder Preissteigerung für den CO2-Ausstoss bei uns die Produktion woanders günstiger wird. Die Industrie prüft genau, ob sie ein neues Werk unbedingt in D bauen muss, wenn's woanders günstiger ist.
    Die Lenkungswirkung des CO2-Preises wird sich schon noch entfalten, nur nicht so wie gedacht.

  18. 71.

    Das hat mit "Lügen" nichts zu tun. Die WP, unabhängig vom Professor Ganteför, arbeitet unrentabel wenn hohe Vorlauftemperaturen, so etwa bei dem Gros der Bestandsimmobilien erforderlich sind. Damit steigt der Stromverbrauch, und in dessen Folge auch die CO2-Belastung, bedingt durch den hohen fossilen Anteil im deutschen Strommix.

  19. 70.

    "Fliegt morgen früh um halb drei nur ein Fluch und ein Schrei durch die Finsternis. "

    Ja, wenn mal wieder neue Klimarettungsideen der Regierung über die Ticker laufen.

  20. 69.

    Ich wusste gar nicht dass das Berliner Fernwärmenetz von Vattenfall außerhalb Deutschlands verlegt ist.

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