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Audio: rbb24 Inforadio | 04.03.2022 | Natalija Yefimkina | Quelle: rbb/Natalija Yefimkina

Tagebuch (20): Ukraine im Krieg

"Die Russen stecken selbst bis zu den Ohren in der Scheiße und denken, dass das so sein sollte"

Vjacheslav hat einen Traum: "Vollständig das gesamte Territorium der Ukraine von diesen Mistkerlen befreien". Der 52-Jährige erzählt Natalija Yefimkina in ihrem Kriegstagebuch, wie er zum Militär kam und warum er keine Angst hat, im Krieg zu sterben.

Natalija Yefimkina: Rund um den Jahrestag des Kriegsbeginns war ich bei einer deutschen Bekannten. Sie sagte, egal worüber man rede, am Ende lande man immer bei diesem furchtbaren Krieg. Das alles mache sie so fertig. Sie habe das Gefühl, es werde mal wieder alles unter weißen Männern entschieden. Warum tritt man nicht einfach die Gebiete an Putin ab, um dem Elend endlich ein Ende zu bereiten?

Am Abend dann kam eine russische Freundin bei mir vorbei. Es war gerade der Todestag von Nemzow. Sie sagte, irgendwann werde der Mord an Boris Nemzow als der dreisteste Mord in die Geschichte eingehen. Warum lerne man nichts dazu, sagte sie. Als nächstes wäre dann Moldau dran oder sonst was, vielleicht Polen. Nichts hätte man aus der Geschichte gelernt, weil immer der Sieg vorgeschoben werde, nichts sei verarbeitet. Der einzige Weg für ihr Land sei eine Niederlage. Ohne Niederlage wäre ihr Land verloren, sie wünsche sich das aber nicht.

An Jahrestag selbst war ich auf der großen Demonstration, habe ein Interview gegeben und schreibe wieder mein Tagebuch. Egal wie oft man redet, manche hören es nicht. Sie hören es vielleicht, aber sie verstehen es nicht.

Zur Person

Ich bekomme einen Kontakt zu Vjacheslav, ohne zu wissen, wer er ist und was er macht. Er hingegen weiß sehr viel über mich. Er redet mit mir Ukrainisch, ich mit ihm Russisch.

Ich bitte ihn sich vorzustellen.

Ich habe 30 Jahre in der Armee gedient. 2018 bin ich leider ausgetreten und habe für eine internationale humanitäre Hilfsorganisation gearbeitet. Am 24. Februar 2022 wurde ich mobilisiert und diene seither in der ukrainischen Armee.

Wie alt sind Sie, Vjacheslav?

Leider bin ich 52… wahrscheinlich… ja, ich werde 53. Ein respektabler Kosake. Mit 18 trat ich in die Militärakademie ein und habe dort fünf Jahre studiert. Nach dem Abschluss 1993 wurde ich Kompaniechef, schrieb meine Doktorarbeit und war Postgraduierten-Student. Danach habe ich im Generalstab des Verteidigungsministeriums gearbeitet. Aber zu Kriegsbeginn habe ich mich wieder einberufen lassen.

Warum?

Wie warum? Im Land ist Krieg und du bist ein normaler Mann und sitzt weiter zu Hause? Natürlich nicht. Ich hatte schon lange den Eindruck, dass all das, was 2014 anfing, nicht von alleine zu Ende geht und in naher Zukunft noch schlimmer wird. Seit in die okkupierten Gebiete von Luhansk, Donezk und auf der Krim Investitionen flossen, war klar, dass Putin nicht aufhören wird.

Diese Überzeugung hatten ich und meine Freunde, also alle Menschen um mich herum - Armeeangehörige, Veteranen, die Bataillone der Freiwilligen - alle sagten, macht euch bereit, es wird Krieg geben. Sie haben das so laut herausgeschrien, aber leider wollten es die Menschen nicht immer hören.

Sie meinen, dass vorher schon klar war, dass es auf einen totalen Angriffskrieg hinausläuft?

Es war nicht klar wann, aber dass Putin nicht dort aufhören wird und er bereit ist für einen Krieg, daran hatte ich überhaupt keine Zweifel. Vorsorglich stockte ich meine Armee-Utensilien auf: Ich besorgte mir Schutzwesten, eine Uniform, Helme, eigenе Waffen. Mit Freunden trainierten wir damals ständig, sind gelaufen, haben Schießübungen gemacht. In der Nähe von Kiew spielten wir Überfälle in den Wäldern durch.

Als schon fühlbar war, dass nur noch ein paar Wochen übrigbleiben, schlossen sich uns zunehmend auch Zivilisten an. Alle interessierten sich plötzlich dafür, was man im Notrucksack dabei haben sollte, wie man sich fortbewegt, wie man mitten im Wald Wasser kocht, sich orientiert, welche Funksysteme und wie viel Geld man dabei haben sollte und was in die Reiseapotheke muss. Drei oder vier solcher Trainings hatten wir im Februar schon durchgeführt. Dann fing der Krieg an.

Irpin | Quelle: rbb/Natalija Yefimkina

Werden Sie in Ihrer Arbeit mit Kriegsverbrechen konfrontiert?

Ja, wir erfassen Kriegsverbrechen der russischen Armee in allen befreiten Gebieten, vor allem in den Regionen um Kiew, Chernihiv, Charkiw und Izum. Und überall gibt es eine unglaubliche Zahl an Kriegsverbrechen. Es ist nicht so, dass sie ihre Soldaten davon abhalten. Eher umgekehrt: Sie drängen ihre Soldaten sogar dazu, so etwas zu machen.

Wie halten Sie das alles aus? Ich habe mich viel mit der Geschichte der Gulags und des Nationalsozialismus beschäftigt, aber es schockiert mich trotzdem, denn wir befinden uns im 21. Jahrhundert, in einer völlig anderen Zeit.

Das humanitäre Völkerrecht definiert, dass die Menschen der beiden Partien sich auf der gleichen Betrachtungsebene befinden. Aber Sie können ja einem Affen nicht beibringen, was humanitäres Völkerrecht ist, richtig?

Richtig.

Aber leider befinden sich viele Menschen in Russland irgendwo im Mittelalter. Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele aus dem Leben: Noch vor dem Krieg machte in Russland die Geschichte die Runde, die Ukraine würde irgendwelche Zugvögel züchten, die sie mit einem Virus infizieren und diese Vögel flögen dann nach Russland und würden die Russen ausrotten.

In einem Dorf bei Chernihiv ertränkten dann Soldaten aus Burjatien [Anm.: Region im Fernen Osten Russlands] alle Hühner in einem See. Die Dorfleute fragten: Warum macht ihr das? Und sie haben geantwortet: Damit die Vögel nicht zu uns kommen und euren Virus zu uns bringen. Okay, Enten und Gänse fliegen, aber doch nicht die Hühner, wozu habt ihr sie ertränkt? Und sie stehen und sagen nichts. Das ist erschreckend und seltsam.

Sie haben uns gesagt, dass es sie sehr überrascht hat, dass wir so reiche Dörfer haben mit asphaltierten Straßen und Plasma-Bildschirmen in jedem Haus. Aber was sie am meisten verwundert hat, ist, dass "sogar eure Kinder keine Tastentelefone haben". Sie sagten nicht Smartphones, sondern "keine Tastentelefone".

In der Nähe von Kiew gab es ein Geschäft für Elektrotechnik. Als sie dessen Lagerhalle ausraubten, ließen sie die Bluetooth-Kopfhörer liegen. Später fragten Einheimische: Warum nehmt ihr die nicht mit? Da haben sie gesagt, dass sie doch kaputt seien, kein einziges habe ein Kabel. Wenn man das alles so sieht, denkt man, die kommen von einem anderen Planeten.

Hier in Deutschland verstehen viele Leute nicht, warum sich die beiden Seiten nicht einigen können.

Nehmen Sie mal die Kontakte in meinem Telefon: Seit der Großinvasion haben mehrere Dutzend Leute nicht mehr angerufen. Das sind Menschen, die ich kannte, mit denen ich Zeit verbracht habe, aus meinem nahen Umfeld. Aber du weißt, dass sie dich nie mehr anrufen werden. Bei einigen war ich persönlich auf der Beerdigung.

Wenn du auf der Beerdigung von deinem Freund stehst und weißt, dass er von Russen umgebracht wurde, wie soll man sich da – um mit unseren ungeschickten Politikern zu sprechen - in der Mitte treffen? Kann man das mit mir? Ich denke nein. Bis zu dem Punkt, an dem sie uns oder wir sie vernichten, wird es keinen Waffenstillstand geben.

Das heißt, Sie haben auch Freunde verloren?

Ja. Die, mit denen wir die Trainings durchgeführt haben. Wir hatten eine Gruppe von Freunden, mit denen wir im Urlaub in die Karpaten gefahren sind oder übers Wochenende zum Oleschky-Sand. Kennen Sie diese Wüste mitten in der Ukraine?

Irpin | Quelle: rbb/Natalija Yefimkina

Ja, kenne ich.

Wir sind also zusammen zur Oleschky-Wüste gefahren oder dorthin, wo der Dnipro ins Schwarze Meer mündet. Das war vor zwei Jahren. Jetzt ist dort überall die russische Armee. Kann ich ihnen verzeihen, sie entschuldigen, kann ich das oder kann ich das nicht? Natürlich nicht!

An dieser Stelle sollte man sich an eine tolle Person erinnern, an Golda Meir, die gesagt hat: "Wir wollen am Leben bleiben. Unsere Nachbarn wollen uns tot sehen. Das ist keine Frage, die viel Spielraum für Kompromisse lässt." Ich denke oft an diese Worte. Es wird in den nächsten Jahren mit Russland keinen Kompromiss geben.

Haben Sie Familie?

Mein älterer Sohn ist auch Offizier in der ukrainischen Armee. Er kämpft in der südlichen Richtung. Und der Jüngere geht noch zur Schule, deshalb lebt er noch hier, nicht weit von mir.

Haben Sie nicht Angst um ihren Sohn?

Es ist eine Sache, wenn Du selbst dort bist und nur für dich selbst verantwortlich, aber eine ganz andere, wenn deine Kinder im Krieg sind. In den Nachrichten schreiben sie, dass Saporischschja bombardiert wurde und du weißt, dass er heute dort ist.

Er ist den ganzen Tag nicht erreichbar. Nach Beschuss ist das meistens so, erst gegen Abend, wenn die Stromversorgung und das Netz wieder aufgebaut sind, ist er erreichbar und sagt, dass alles in Ordnung ist. Diese halben Tage, wenn Du nichts weißt, sind die unangenehmsten und die schlimmsten Stunden.

Wie alt ist er?

29 Jahre. Er hatte vor, im Frühling 2022 zu heiraten. Aber dann hat der Krieg angefangen (lacht traurig). Wie man so sagt - es war einem nicht danach. Deshalb sage ich immer, der Krieg zerstört nicht nur irgendwelche Häuser oder Straßen, er zerstört das Wesen des Lebens, er zerstört Menschen.

Ich dachte, dass ich vielleicht Enkelkinder bekomme, um die ich mich kümmern kann. Aber der Krieg hat seine Anpassungen vorgenommen, das Leben hat seine Anpassungen durch den Krieg vorgenommen.

Der Krieg geht schon so lange und die Menschen werden müde. Hier in Deutschland wollten alle erstmal helfen, aber jetzt tritt das Gefühl ein, der Krieg ist doch immer was Schlechtes. Also denkt man, dass der Krieg irgendwie anders beenden werden müsste.

Nein. Der Krieg hat erst ein Ende, wenn einer der Beteiligten siegt. Man kann sich nicht irgendwo in der Mitte einigen. Mit wem auch? Wenn man mit den Russen redet, dann sagen sie Worte, aber legen einen völlig anderen Sinn dahinter. Auch einen Friedensvertrag werden sie anders interpretieren und so verändern, wie es gerade passt.

Wie viele Tausende von russischen Gefangen haben wir und niemand von ihnen - ich habe mich bereits mit Hunderten von ihnen unterhalten - niemand hat ein Gefühl der Reue. Sie bedauern, dass man sie hierher gezwungen hat, bedauern, dass man ihnen kein Geld gezahlt hat, bedauern, dass man ihnen nicht die Waffen gegeben hat, die sie wollten, die Kampfpiloten bedauern, dass man ihnen versprochen hatte, dass es keine Luftabwehr geben wird und sie wurden dennoch abgeschossen. Aber niemand von ihnen sagte: Ja, ich verstehe, ich bin Okkupant, ich habe etwas Schlechtes gemacht.

Sie hegen nur Groll auf ihr Land, das ihnen nicht das versprochene Geld gezahlt und sie getäuscht hat, dass es hier leichter sein würde. Das ist das Einzige, was sie stört. Der ganze Rest, dass es hier keine Nazis gibt, von denen man ihnen erzählt hat, dass hier keine Nato-Armee steht, interessiert sie nicht.

Sie stecken selbst bis zu den Ohren in der Scheiße und denken, dass das so sein sollte. Man kann sich mit ihnen niemals einigen oder etwas verhandeln. Das ist meine persönliche Meinung.

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Ich habe ja bereits einen Soldaten interviewt, deshalb ist es interessant, mit jemandem zu reden, der mehr Verantwortung in der Armee hat.

Sagen wir mal so, ich beleuchte die Kämpfe in der Presseabteilung der Armee. Ich bin gerade krankgeschrieben, aber es wird der Arbeit nicht schaden. Noch ein paar Infusionen, dann fahre ich zurück.

Mein Vater sagt, die Gesundheit wird schlechter, wenn man die ganze Zeit schreckliche Sachen zum Frühstück liest.

Wissen Sie, Natalija, wenn du bei Bombenalarm in Kiew bist, kannst du nur ganz tief in einem Bunker oder in der U-Bahn sicher sein, am Leben zu bleiben. Die Rakete kann überall in der Stadt einschlagen. Es ist Gottes Wille, ob man am Leben bleibt oder nicht.

Die dummen Russen erzählen ja, dass sie die zweitstärkste Armee auf der Welt haben und Waffen, die ihresgleichen suchen. Aber wahr ist, dass von den Raketen, die in Kiew einschlagen, nur etwa zehn Prozent Armeeziele treffen und der Rest wegen ihrer Ungenauigkeit oder wegen sonst was zivile Gebäude, Wohnhäuser et cetera trifft.

Zu jeder Zeit kann es in deinem Haus einschlagen. Das macht die Leute nervös und wenn ein Mensch nervös ist, dann kommen alle Gesundheitsprobleme, die man schon hatte, hoch.

Ich musste gerade an Dnipro denken, diese Bilder von den eingestürzten Hochhausreihen und du weißt, dass überall dort Menschen drunter liegen.

In der Ortschaft Gastomel, ganz in der Nähe von dem Flughafen, auf dem unser riesiges Frachtflugzeug Mrija stand, gab es auch einen kleinen Armeestandort mit mehr als zehn Wohnhäusern. Sie wurden wie in Dnipro zerstört. Geht man dort vorbei, spürt man den Geruch von Organischem und ich bin mir nicht sicher, ob das nur aus den Kühlschränken dringt.

Gab es Momente, in denen Sie Angst hatten, Ihr Leben zu verlieren?

Ich habe einen Traum, für den ich maximal arbeite: vollständig das gesamte Territorium der Ukraine von diesen Mistkerlen befreien. Sie dürfen unter keinen Umständen mehr die Grenze übertreten können. Durch den Druck der internationalen Gemeinschaft braucht es eine demilitarisierte Zone, damit sie nicht näher als 200 km an ihre Nachbarn rankommen können.

Sie wissen ja, dass sie in der ersten Zeit des Krieges alle Fabriken in der Donezk-Region demontiert und abtransportiert haben. Was haben sie angerichtet, dass alle Stollen im Donbas jetzt unter Wasser stehen? All die Chemiefabriken sind zerstört, die Maschinen herausgerissen. Wenn man das alles zusammenzählt, muss Russland noch 100 Jahre der Ukraine Reparationszahlungen leisten, damit sie in der gleichen Scheiße weiterleben.

Das Beste, was man gegen Russland tun kann, ist sie zu isolieren und wie in einem Zoo um das Tier einen Graben zu ziehen, damit es nicht aus seinen Grenzen tritt.

Was hat sich in der Ukraine seither verändert? Ich habe zum Beispiel den Eindruck, dass sich das Land gerade seiner Korruption entledigt. Was denken Sie?

Ich sage natürlich nicht, dass es keine Korruption mehr gibt. Aber es fing 2014 an und der Höhepunkt war nach dem Einmarsch erreicht, dass die Gesellschaft zumindest auf der unteren Ebene keine Fehltritte mehr zulässt. Auch auf Regierungsebene kommt es zu großer medialer Verbreitung, sobald Korruption ruchbar wird. Langsam, langsam, verändert sich die Ukraine in die richtige Richtung.

Und auch die Frauen und ihre Kinder, die hier im Ausland leben, kommen ja vielleicht irgendwann zurück.

Leider gibt es eine Statistik, wonach Flüchtlinge, die mehr als ein Jahr im Ausland leben, nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit zurückkehren. Das wird noch ein harter Schlag für die Ukraine.

Wenn Menschen Monate lang einander nicht sehen, verändern sie sich und es wird schwierig, wieder ein gemeinsames Leben aufzubauen. Bei 90 Prozent meiner Bekannten hat sich das Familienleben seit 2014, sagen wir mal, verändert. Jemand hat sich getrennt, ein anderer hat eine neue Familie gegründet, manche leben noch mit der gleichen Person, trotzdem hat sich bei allen das Familienleben verändert.

Warum?

Ich weiß es nicht. Einer lebt im Krieg und der andere an einem friedlichen Ort. Warum der Mensch, der aus dem Krieg zurückkommt, sich so und so verhält, ist nicht immer klar. Da muss man viel Verständnis aufbringen, einfühlsam sein (lacht), einander bestimmte Taten verzeihen. Aber das schafft man nicht immer. Psychologen sind gerade eine sehr gefragte Berufsgruppe.

Wir haben Journalisten in eine Stadt begleitet, aber da es schon dunkel wurde, konnte man keine tolle Reportage mehr machen und wir fuhren nicht mehr, wie geplant, bis zur Front. Ich sagte: Lasst uns erst morgen an den Frontabschnitt fahren. Noch an diesem Abend kam plötzlich eine unglaubliche Zahl an Sanitätsautos mit sehr vielen Verletzten in die Stadt. Die kamen von genau diesem Frontabschnitt, wo wir eigentlich hinwollten. Die Journalisten sagten: Was wenn wir heute dahingefahren wären? Dann würden wir im besten Falle jetzt verletzt in den Autos liegen.

Dieses Wissen, dass der Tod ganz nah um einen herumschleicht, wirkt sich stark auf die Psyche aus - die ganze Zeit in Erwartung zu sein, dass etwas passieren könnte, ist schwierig.

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Groß waren die Sorgen der Brandenburger Wirtschaft nach Beginn des Ukraine-Krieges. Und in der Tat hat dieser Produktion und Handel verändert. Der Geschäftsführer der IHK-Ostbrandenburg über Alternativen, Lehrprozesse und Sparmaßnahmen.

Und jetzt haben sich alle dran gewöhnt.

Selbst bei Luftalarm wissen die Leute: Wenn es sich um eine Rakete handelt, muss man rennen und sich verstecken. Aber bei einer dieser Shahed-Drohnen aus dem Iran hat man noch 1,5 bis 2 Stunden Zeit, bis sie von der Grenze bis Kiew geflogen ist. Dann kann man noch schnell ins Cafe rennen (lacht) oder was anderes machen.

Als es die ersten Einschläge aufs Energiesystem gab, kam es zu so lustigen Situationen. Wir standen an einer Tankstelle. Da kommen zwei Frauen angelaufen, eine mit einem Fön, die andere mit einem Stuhl und sagen: Wir haben uns gerade die Haare gewaschen, als der Strom ausfiel, und jetzt können wir uns nicht fönen. Also nahmen sie auf dem mitgebrachten Stuhl Platz und trockneten sich die Haare.

Und jetzt sitzen alle an den Tankstellen mit ihren Laptops?

So ist es.

Gostomel | Quelle: rbb/Natalija Yefimkina

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.03.2023 | 09:08 Uhr

Beitrag von Natalija Yefimkina

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