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Audio: Inforadio | 15.05.2019 | Stephan Ueberbach | Quelle: AP/dpa/Jean-Francois Badias

Europawahl 2019

Ein Kreuz für den Kontinent

Plastikmüll, Sommerzeit, Kohlenstoffdioxid: EU-Themen bewegen zunehmend auch die Menschen in Berlin und Brandenburg - fast fünf Millionen von ihnen wählen am 26. Mai das Europaparlament für die nächsten fünf Jahre. Die wichtigsten Infos zur Wahl im Überblick.

Das Ende der Roaming-Gebühren und der Sommerzeit, der Kampf gegen den Plastikmüll und Kohlenstoffdioxid, Agrarsubventionen sowie nicht zuletzt die Urheberrechtsreform: Entscheidungen, die im Europaparlament getroffen werden, kommen zunehmend auch bei den Bürgern an.

Vom 23. bis 26. Mai wählen mehr als 400 Millionen wahlberechtigte Menschen in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union 751 Abgeordnete, die ihre Interessen in Europa vertreten sollen. Deutschland zählt mit 96 die meisten Abgeordneten. Auch Großbritannien ist entgegen der ursprünglichen Planung noch einmal dabei. Nach einem Brexit werden die 73 britischen Abgeordneten ihre Sitze verlieren. Diese Mandate werden zum Teil auf andere Mitgliedsstaaten verteilt, sodass im Europaparlament dann 705 Volksvertreter sitzen werden.  

Hintergrund

Europawahl 2019

Diese Berliner und Brandenburger wollen ins Europaparlament

Insgesamt 139 Menschen aus Berlin und Brandenburg bewerben sich fürs Europaparlament - acht von ihnen sitzen dort bereits. Ska Keller und Martin Schirdewan sind Spitzenkandidaten bei großen Parteien, Martin Sonneborn und Yanis Varoufakis bei kleinen.

Knapp ein Meter langer Stimmzettel

Berliner und Brandenburger haben deutlich mehr Auswahl als bei der Abstimmung vor fünf Jahren - und so viel wie noch nie. 40 Parteien und sonstige politische Vereinigungen kandidieren. Deshalb ist der Stimmzettel fast einen Meter lang, genau 94 Zentimeter. Neben den im Abgeordnetenhaus und Landtag vertretenen Parteien sind beispielsweise solche vertreten, die sich bestimmten Themen widmen - allein vier Parteien haben sich dem Tierschutz verschreiben, zwei neue Parteien sind Ableger von transnationalen Parteien und treten erstmals auch in Deutschland an (DiEM25, Volt).

Bei der vergangenen Europawahl hatte es lediglich 24 Parteien zur Auswahl gegeben. 14 davon schafften den Einzug ins Parlament; neben den im deutschen Bundestag vertretenen Parteien auch die Familien- und die Tierschutzpartei, die Freien Wähler, die ökologisch-demokratische ÖDP, die rechtsextreme NPD, die Piraten und Die Partei - alle sieben mit jeweils einem Vertreter.

Anders als bei der Bundestagswahl gilt bei der Europawahl seit 2014 keine Prozent-Hürde mehr. Das Bundesverfassungsgericht hatte die in Deutschland geltende Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl gekippt. Für den Einzug ins Parlament genügte den Spitzenkandidaten der Kleinparteien vor fünf Jahren bereits ein Stimmenanteil von 0,63 Prozent. Spätestens bei der Europawahl 2024 dürften die kleineren Parteien es aber wieder schwerer haben. Im Februar beschlossen die EU-Staaten eine Änderung des EU-Direktwahlaktes. Eine verpflichtende Sperrklausel soll zumindest für größere EU-Staaten wieder eingeführt werden. Sie soll zwischen zwei und fünf Prozent liegen.

AfD: Von den Euro-Kritikern blieb nur einer übrig

Bei der diesjährigen Europawahl ist die Alternative für Deutschland (AfD) zum zweiten Mal dabei. Trat die AfD vor fünf Jahren noch mit einer kritischen Haltung zu Euro und Währungspolitik an, sind die Kernthemen längst andere. Und von den sieben 2014 gewählten deutschen Abgeordneten gehört keiner mehr der AfD-Fraktion im Europaparlament an: sechs von ihnen traten aus der Partei aus, die Berliner Abgeordnete Beatrix von Storch errang 2017 ein Mandat für den deutschen Bundestag. Nur der für sie nachgerückte, jetzige Spitzenkandidat, Jörg Meuthen sitzt aktuell noch für die AfD im Straßburger Parlament.

Dort will die Partei nach der Europawahl mit der italienischen Lega und anderen rechtspopulistischen Parteien eine eigene Fraktion gründen. Während der damalige Spitzenkandidat Bernd Lucke mittlerweile mit den Liberal-Konservativen Reformern zur Wahl steht, wird Marcus Pretzell mit den Blauen nicht antreten.

Europawahl 2019

Die Europawahl ist eine Verhältniswahl mit Listenwahlvorschlägen - jeder Wähler hat eine Stimme. Offiziell spricht man zwar von "Europawahl", doch in Wahrheit bestimmt jedes EU-Mitglied seine Volksvertreter nach dem eigenen, nationalen Recht. In ganz Deutschland dürfen 64,4 Millionen Menschen abstimmen, darunter 61,4 Millionen Deutsche. Insgesamt können rund 400 Millionen Europäer in den 28 Mitgliedstaaten wählen gehen. Wegen des verschobenen Brexits könnten, zumindest am Anfang, auch wieder britische Abgeordnete an den Debatten teilnehmen. Das nächste EU-Parlament, das am 2. Juli erstmals zusammentritt, wird für fünf Jahre gewählt. Mit 96 Abgeordneten entsendet Deutschland weiterhin die meisten Mandatsträger, gefolgt von Frankreich und Italien. Kleinere EU-Staaten, wie Luxemburg, Malta oder Zypern, stellen jeweils nur sechs Volksvertreter, sind aber im Verhältnis zur Einwohnerzahl trotzdem deutlich besser repräsentiert.

4,6 Mio. Berliner und Brandenburger wahlberechtigt

Etwa 4,6 Millionen Wähler in Berlin und Brandenburg sind aufgerufen, ihre Vertreter in Straßburg und Brüssel zu wählen – in Berlin sind es rund 2,51 Millionen Bürgerinnen und Bürger, in Brandenburg rund 2,05 Millionen - jeweils einige Tausend weniger als vor fünf Jahren.

Teilnehmen dürfen Deutsche ab 18 Jahren, aber auch alle EU-Bürger, die in der Region leben, allein in Berlin wären das mehr als 250.000 Menschen, in Brandenburg wohl bis zu 40.000. EU-Bürger mussten jedoch einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeichnis ihrer Wohnsitzgemeinde stellen, wenn sie in Deutschland - und somit nicht in ihrem Heimatland - wählen wollen. Stichtag war der 5. Mai, bis dahin haben das lediglich sieben Prozent der Betroffenen getan. Briten wussten bis dahin noch nicht einmal, ob sie überhaupt noch an der Europawahl teilnehmen - nur 838 von 15.500 wahlberechtigten Briten in Berlin haben sich ins Wählerverzeichnis eingetragen.

Auch Deutsche, die in einem anderen EU-Staat wohnen, können selbst entscheiden, ob sie die Europaabgeordneten ihres Gastlandes mitwählen wollen oder die deutschen Vertreter im Europaparlament. Erstmals dürfen auch einige Hundert psychisch oder geistig beeinträchtigte Menschen wählen, die einen gerichtlich bestellten Betreuer haben.

Traditionell geringe Wahlbeteiligung

Das Interesse an der Europawahl ist in ganz Europa traditionell gering, im Schnitt gaben 2014 rund 42,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab (2009: 43,0 Prozent). Zählten Berlin und Brandenburg vor zehn Jahren noch zu den Europawahl-Muffeln mit gerade einmal 35,1 respektive 29,9 Prozent Wahlbeteiligung, steigerte sich die Region gemeinschaftlich auf 46,7 Prozent - wobei in Berlin parallel der Volksentscheid zur Bebauung des Tempelhofer Felds und in Brandenburg wie in diesem Jahr auch Kommunalwahlen stattfanden, die sicher zur höheren Wahlbeteiligung beigetragen haben.

Beliebt ist laut Landeswahlleitung die Briefwahl (Berlin | Brandenburg). Die Unterlagen können bis zum Freitag, 24. Mai (18.00 Uhr) online, postalisch oder persönlich in der Briefwahlstelle beantragt werden. Die ausgefüllten Briefwahlunterlagen müssen bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntag, 26. Mai (18.00 Uhr) beim zuständigen Bezirkswahlamt eingegangen sein. In Berlin nutzten fast 400.000 Menschen so bereits ihr Wahlrecht.

120 Berliner Kandidaten

Elf Berliner und Berlinerinnen zogen vor fünf Jahren ins Europaparlament ein. In diesem Jahr bewerben sich insgesamt 120 Kandidaten mit Wohnsitz in der Hauptstadt, 65 von ihnen stehen auf den aussichtsreichen ersten zehn Listenplätzen auf dem Stimmzettel für das Europäische Parlament, etwa ein Dutzend dürfte den Einzug schaffen.

Die Christdemokraten haben als einzige eine Liste für das Land Berlin aufgestellt. Alle anderen Parteien nominierten eine gemeinsame Liste für alle Länder.

Nach dem Stimmenanteil gewann bei der letzten Europawahl 2014 in Berlin die seinerzeit wiedererstarkte SPD (24,0 Prozent) vor der CDU (20,0 Prozent), die zuvor zwei Mal vorne lag. Die Grünen fielen nach einem Rekordergebnis 2009 wieder unter die 20-Prozent-Marke (19,1). Die Linke verbesserte ihr Ergebnis auf 16,2 Prozent. Die AfD kam auf Anhieb auf 7,9 Prozent, die FDP verlor deutlich und erreichte nur 2,8 Prozent, weniger als die Piraten (3,2 Prozent).

Brandenburg stellt wenigste Kandidaten

Nur 19 der insgesamt 1.293 deutschen Bewerber und Bewerberinnen für das Europäische Parlament kommen aus Brandenburg, so wenige wie aus keinem anderen Bundesland, auf dem Stimmzettel stehen 15 von ihnen. Bei der letzten Wahl hatten es vier Brandenburger ins Europaparlament geschafft.

Gewinnerin nach dem Anteil der Stimmen war 2014 ebenfalls wie in Berlin die SPD mit 26,9 Prozent, die die Linke überholte, die deutlich verlor (19,7 Prozent). Die CDU kam auf 25,0 Prozent der Stimmen. Dahinter landete bereits die AfD mit 8,5 Prozent vor den Grünen, die auf 6,1 Prozent fielen, die FDP landete nur bei 2,1 Prozent, also noch hinter der NPD (2,6) - und gleichauf mit der Familien-Partei und nur knapp vor der Tierschutzpartei und de Piraten.

Europawahl 2019

Wann wird gewählt?

Die Europawahl findet alle fünf Jahre statt. Um verschiedene Traditionen zu berücksichtigen, ist ein Zeitkorridor zwischen dem 23. und dem 26. Mai anberaumt. Der genaue Wahltag wird von den Mitgliedstaaten festgelegt, in Deutschland ist es wie in den meisten anderen Ländern der Sonntag, 26. Mai. Die amtlichen Ergebnisse aus allen EU-Staaten dürfen frühestens am Sonntagabend um 23 Uhr veröffentlicht werden, weil dann die letzten Wahllokale in der EU schließen. In Deutschland sind die Wahllokale von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Wer wird gewählt?

Das Europaparlament hat 751 Abgeordnete. Sollten die Briten noch vor der Wahl aus der EU austreten, schrumpft das Parlament auf 705 Abgeordnete. Für jedes Land ist eine feste Zahl von Abgeordneten festgelegt, die von der Bevölkerungszahl abhängt. Deutschland hat mit 96 Sitzen die mit Abstand meisten Mandate.

Wer darf wählen?

In Deutschland wie in fast allen EU-Staaten liegt das Mindestalter für die Stimmabgabe bei 18 Jahren. Ausnahmen sind Griechenland (17 Jahre) sowie Österreich und Malta (16 Jahre). Deutsche, die in einem anderen EU-Staat wohnen, können selbst entscheiden, ob sie die Europaabgeordneten ihres Gastlandes mitwählen wollen oder die deutschen Vertreter im Europaparlament. Umgekehrt sind auch Bürger anderer EU-Staaten in der Bundesrepublik wahlberechtigt, wenn sie seit mindestens drei Monaten hier leben und mindestens 18 Jahre alt sind. Allerdings müssen sie sich entscheiden, ob sie hier oder in ihrem Heimatland ihre Stimme abgeben wollen. Ein doppelte Stimmabgabe in beiden Ländern ist verboten.

Wie viele Wahlberechtigte gibt es in der EU?

In den 28 EU-Staaten sind nach einer Schätzung des EU-Parlaments dieses Mal rund 427 Millionen Bürger wahlberechtigt. Ohne die Briten wären es demnach etwa 373 Millionen. In Deutschland gibt es laut Bundeswahlleiter 64,8 Millionen Wahlberechtigte. 3,9 Millionen von ihnen sind Bürger aus anderen EU-Staaten.

Wieviel Macht hat das Europaparlament?

Das Europaparlament stimmt gleichberechtigt mit dem Rat der Mitgliedstaaten über Gesetzesvorhaben ab. Ohne das Parlament können auf EU-Ebene keine gesetzgeberischen Regelungen beschlossen werden. Jährlich mitbeschließen muss das Parlament auch den zuletzt rund 160 Milliarden Euro schweren EU-Haushalt. Ausgenommen von den Mitentscheidungsrechten sind lediglich die Außen- und die Steuerpolitik.

Gesetzesinitiativen kann das Parlament wie der Rat nicht einbringen. Es kann die EU-Kommission nur auffordern, dies zu tun. Deren Präsident muss vom Parlament gewählt werden, auch der Ernennung der EU-Kommissare als Gesamtpaket muss das Parlament zustimmen. Das Parlament kann die Kommission zudem durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen.

Gibt es bei der Wahl Sperrklauseln?

Etwas mehr als die Hälfte der EU-Staaten (15 von 28) haben Sperrklauseln zwischen 1,8 und 5,0 Prozent. In Deutschland gibt es anders als bei der Bundestagswahl für die Parteien derzeit keine Mindesthürde für die Entsendung von Abgeordneten ins Parlament - die wurde vor der letzten Europawahl 2014 aufgehoben, weshalb erstmals auch Vertreter von kleineren Parteien wie der Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), Familien- oder Tierschutz-Partei ins Europaparlament einzogen. Zehn Abgeordnete aus acht Parteien profitierten von der Aufhebung der Sperrklausel. Für einen Sitz reichten rund 0,6 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Warum gibt es Spitzenkandidaten?

Fast jede europäische Partei oder Fraktion im Parlament hat EU-weite Spitzenkandidaten aufgestellt. Das soll dem länderübergreifenden Wahlkampf zum einen ein Gesicht geben.

Zum anderen wurde dem Europaparlament mit dem Reformvertrag von Lissabon ein Mitspracherecht bei der Bestimmung des Präsidenten der Europäischen Kommission zugesprochen. Zuvor hatten über Jahrzehnte die EU-Staats- und Regierungschefs den Präsidenten in Hinterzimmerdeals bestimmt. Die Parteien stellten deshalb bei der Europawahl 2014 erstmals "Spitzenkandidaten" auf. Mit dem Konservativen Jean-Claude Juncker wurde damals einer von ihnen Kommissionschef. Die EU-Staats- und Regierungschefs sehen in der Personalfrage aber "keinen Automatismus", was nach der Wahl zu Konflikten führen kann.

Wie hoch war zuletzt die Wahlbeteiligung?

Seit der ersten Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 ging die Wahlbeteiligung EU-weit stetig zurück. Bei der letzten Wahl 2014 lag sie nur noch bei 42,61 Prozent. In Deutschland gab es vor fünf Jahren dagegen einen deutlichen Anstieg: Damals nahmen 48,1 Prozent der Wahlberechtigten teil (2009: 43,3 Prozent), was auch damit zusammenhing, dass in mehreren Bundesländern parallel weitere Wahlen abgehalten wurden. Die Berlinerinnen konnten über die Nutzung des Tempelhofer Feldes entscheiden, in Brandenburg fanden wie in zahlreichen weiteren Bundesländern auch Kommunalwahlen statt.

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