EU-Förderung
Ohne Direktzahlungen und Sonderprogramme von der EU könnten landwirtschaftliche Betriebe in Brandenburg wohl nicht überleben. Doch auch andere Einrichtungen sind auf EU-Gelder angewiesen. Es geht um Milliarden. Von Ismahan Alboga
Spricht man den Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Radensdorf, Andreas Bulligk, auf EU-Subventionen an, klingt es bei ihm nach einer Hassliebe. Es scheint, so richtig kann er nicht mit, aber auch nicht ohne. Die Agrargenossenschaft Radensdorf gibt es seit 1991 in Lübben (Dahme-Spreewald), in Südbrandenburg. Seit dem Jahr 2000 wird ökologisch gewirtschaftet. Etwa 50 Beschäftigte kümmern sich um Viehzucht, Milchproduktion und ökologischen Landbau.
Die Agrargenossenschaft wird auch von der EU subventioniert. Und da hake es seit vergangenem Jahr: Bis 2023 habe der Ökobetrieb jedes Jahr im Schnitt etwa 900.000 Euro aus Brüssel bekommen. Davon würden sie auch die Mitarbeitenden bezahlen. Seit vergangenem Jahr gebe es nur noch etwa die Hälfte an Direktzahlungen. "Die Differenz versuchen wir dann durch Umweltmaßnahmen auszugleichen", sagt Bulligk.
Eine Herausforderung für den Radensdorfer Ökobetrieb. Landwirtinnen und Landwirte bekommen sogenannte GAP-Subventionen, die aus zwei Säulen bestehen: Den Direktzahlungen und Mitteln aus dem sogenannten ELER-Fonds für ländliche Entwicklung. Mit den Direktzahlungen sollen die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern aufgestockt und Arbeitsplätze erhalten werden. Mit ELER werden unter anderem freiwillige Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen gefördert. Beispielsweise das Stilllegen von Ackerflächen oder ökologischer Landbau.
Die Abkürzung GAP steht für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, sie gibt es bereits seit 1962. Mit ihr sollen Landwirtinnen und Landwirte unterstützt werden, damit Europas Nahrungsmittelversorgung gewährleistet wird.
Geschäftsführer Bulligk kann auf die Subventionen nicht verzichten. Aber um die EU-Fördergelder zu bekommen, muss er diese jährlich neu beantragen. "Die EU ist ein riesiges Bürokratiemonster. Bürokratieabbau gibt es nur in Gedanken, in der Realität ist alles viel schlimmer geworden", sagt er. Neben den Direktzahlen gibt es für den Biobetrieb zudem eine Ökoprämie von etwa 650.000 Euro. Obwohl bereits im vergangenen Jahr beantragt, habe der Biobetrieb diese Mittel für 2023 noch nicht erhalten. Das ärgert den Geschäftsführer.
Die Unterstützung der EU für Landwirte in Brandenburg ist erheblich. Allein an ELER-Mitteln sind 717 Millionen Euro in der aktuellen Förderperiode von 2023 bis 2027 für Brandenburg vorgesehen. Direktzahlungen im vergangenen Jahr an Brandenburger Landwirtinnen und Landwirte: laut Landwirtschaftsministerium rund 352,6 Millionen Euro. Trotzdem, Bulligk ist unzufrieden. "Vor allem seit der Reform in der Agrarpolitik im vergangen Jahr, ist alles komplizierter geworden."
Die EU hat mit der neuen Ausrichtung, einen Teil der Einkommensunterstützung für die Landwirte abgesenkt und an strengere Auflagen für Umwelt- und Klimaschutz gekoppelt. Je mehr Öko-Regelungen die Bäuerinnen und Bauern erfüllen, umso höher fallen dann die Subvention aus. "Auf der einen Seite ist das gut, damit können wir Geld generieren. Aber es ist alles sehr aufwendiger und undurchsichtiger geworden", findet Bulligk.
"Die genehmigten Pläne sollen einen wesentlichen Beitrag zu den Zielen des europäischen Grünen Deals, der Strategie 'Vom Hof auf den Tisch' und der Biodiversitätsstrategie leisten", heißt es auf der Seite der europäischen Kommission [agriculture.ec.europa.eu]. Statt Bürokratieabbau, habe allerdings ein massier Aufbau stattgefunden, kritisiert Bulligk. Als Resultat von der bevorstehenden EU- Wahl wünscht er sich unter anderem einen echten Bürokratieabbau. "Allein wenn wir den Antrag für die Öko-Prämie und für die Direktzahlungen gleichzeitig, zum selben Termin stellen könnten, wäre uns sehr geholfen."
Denn kaum eine Landwirtin oder ein Landwirt könne auf die Subventionen aus Brüssel verzichten. Würden sie ganz gestrichen werden, dann würden fast alle Landwirtinnen und Landwirte Insolvenz anmelden müssen, sagt Bulligk.
Aber nicht nur Landwirte erhalten in Brandenburg Fördermillionen von der EU: In der aktuellen Förderperiode gibt es auch viel Geld aus den sogenannten EFRE-Mitteln. 846,3 Millionen Euro sind darin für die regionale Entwicklung vorgesehen. Regionen sollen unterstützt werden, die wirtschaftlich nicht so gut dastehen. Auf der Liste der geförderten Projekte des Wirtschaftsministeriums findet sich etwa das Fahrradparkhaus in Eberswalde. 1,7 Millionen Euro flossen hier aus EFRE-Mitteln. Damit seien 604 Abstellplätze für Fahrräder geschaffen worden, mit dem Potenzial einer modularen Erweiterung auf bis zu 950 Stellplätze. Einsparung von mindestens 53,2 Tonnen CO2 Emissionen erhofft man sich dadurch.
Ein weiteres Projekt: Die Fuß- und Fahrradbrücke über den Zernsee. Die Brücke verbindet Potsdam, Werder und Schwielowsee und sei damit ein wichtiger Baustein für die nachhaltige Mobilität, so die Begründung. Auch hier gab es EFRE-Mittel in Höhe von rund 6,6 Millionen Euro. Nur zwei Beispiel aus zahlreichen Projekten. In der vergangen Förderperiode von 2014 bis 2020 haben laut Wirtschaftsministerium Landkreise und kreisfreie Städte wie Potsdam, Cottbus oder Dahme-Spreewald von EFRE profitiert. Die genannten bekamen die meisten Mittel ausgezahlt.
Dem Europäischen Sozialfonds ESF stehen in der aktuellen Förderperiode insgesamt 396,5 Millionen Euro zur Verfügung. Der Europäische Sozialfonds sei das wichtigste Instrument der Europäischen Union zur Förderung der Beschäftigung in Europa. Damit solle der Zugang zu besseren Arbeitsplätzen verbessert werden. Zudem biete er eine Qualifizierung und unterstütze die soziale Integration, heißt es von der EU. Zu den geförderten Projekten zählt etwa der rote Ausbildungs-Bulli der Arbeitsagentur. Er rollt durch Brandenburg und soll junge Menschen über attraktive Ausbildungs- und Praktikumsangebote in der jeweiligen Region informieren.
Ab 2021 erhielt Brandenburg erstmalig EU-Mittel aus dem Just Transition Fonds (JTF). Insgesamt stellt Brüssel in der aktuellen Förderperiode für diesen Bereich 785 Millionen Euro zur Verfügung [lausitz-brandenburg.de]. Damit sollen die im Zuge des Braunkohleausstiegs wegfallenden Arbeitsplätze ersetzt werden. Für die Region sollen zudem neue Wachstumsperspektiven geschaffen werden. Finanziert werden können laut Wirtschaftsministerium etwa Maßnahmen zur Gründung oder Transformation von Unternehmen, zur Stärkung von Forschungstätigkeiten, zum Aufbau einer grünen Energieversorgung oder zur Aus- und Weiterbildung von Arbeitskräften.
12,5 Milliarden Euro hat Brandenburg seit Anfang der 1990er Jahre vom Europäischen Struktur- und Agrarfonds erhalten, laut dem Brandenburger Europaministerium. Damit seien Projekte in den Bereichen Wirtschaft, Forschung, Innovation, Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, der städtischen und ländlichen Entwicklung sowie im sozialen Bereich finanziert worden, so das Europaministerium.
Allerdings verringern sich sich die Mittel aus Brüssel seit den 2000er Jahren. Grund dafür ist die positive wirtschaftliche Entwicklung im Vergleich zum EU-Durchschnitt.
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