Kommentar | SPD, CDU und Grüne loten Koalition aus
Das hatte Brandenburg noch nie: Ein Dreierbündnis aus SPD, CDU und Grünen will über eine Regierungskoalition verhandeln. Am Tisch sitzen potentielle Partner, die zur Kompromissfähigkeit gezwungen sind. Chance und Risiko zugleich. Kommentar von Thomas Bittner
Schon die ersten drei Worte im Sondierungsprotokoll geben einen Vorgeschmack auf das Regierungskonzept. Jeder der drei Partner soll auf seinem Terrain punkten können.
"Zusammenhalt" wollte wohl die SPD im Papier sehen.
"Nachhaltigkeit" steht für die grünen Positionen.
"Sicherheit" hat offensichtlich die CDU in den Text diktiert.
So kann das jetzt fünf Jahre gut gehen. Wenn sich die drei Parteien mit ihren Forderungen im Lot halten. Dafür gibt es Anzeichen in der Sondierungsvereinbarung.
Eine Abschiebehaftanstalt ist vorerst vom Tisch, dagegen hatten sich die Grünen gewandt. Dafür will man ernsthaft daran arbeiten, gut Integrierte im Land zu halten und Gefährder abzuschieben - Straftäter auch direkt aus der Haft.
Beim Kohleausstieg haben sich die möglichen Koalitionäre eng ans Kompromisspapier der Kohlekommission gehalten. Vom schnellstmöglichen Ausstieg, wie er im Grünen-Wahlprogramm gefordert wird, ist nicht mehr die Rede. Ja, es wird kein Dorf mehr für die Bagger weichen müssen. Aber die Lausitz soll auch weiter eine starke Energieregion bleiben.
Und dass man neben neuen S-Bahn- und Regionalverbindungen für die Fahrten nach Berlin auch "Angebotssteigerungen im ganzen Land" will, haben sich SPD, CDU und Grüne gleich doppelt ins Aufgabenheft geschrieben.
Eine Koalition der Kompromisse. Wir leben in Zeiten, in denen der Kompromiss nicht gut geheißen, sondern als Verrat angesehen wird, sagte Ursula Nonnemacher, die Verhandlungsführerin der Grünen. Darin liegt das Risiko: Eine Koalition, in der vom alternativ-grünen Öko-Parteigründer bis zur stramm konservativen Werteunionerin ein politisches Spektrum vertreten ist, das vor 20 Jahren noch für ein ganzes Länderparlament reichte, kann sich mit allzu viel Rücksichtnahme auch blockieren.
Auch dafür gibt es Anzeichen im Sondierungstext. Das von Rot-Rot umgebaute Polizeigesetz und das Verfassungsschutzgesetz sollen fünf Jahre lang nicht angefasst werden. Der von der CDU heftig kritisierte Landesentwicklungsplan wird erst einmal in Kraft treten und frühestens nach einem Jahr überprüft. Das Netz der Förderschulen lassen die Koalitionäre unangetastet, obwohl das dem Inklusionsziel widerspricht. Im Zweifel nichts verändern. Das kann auch zu Stillstand führen.
Die rot-schwarz-grüne Koalition wird in Brandenburgs Parlament von rechts und links in die Zange genommen, das steht fest. Für ein lebendiges Parlament ist das ein gutes Vorzeichen. Wenn das Bündnis der Mitte in dieser Auseinandersetzung aber die Unterschiede zwischen Liberalen und Konservativen, zwischen Alternativen und Traditionellen in den eigenen Reihen verwischt, kann das auch Verdrossenheit steigern. Das vergiftete Wort "Mainstream" wird zur Demokratiefalle.
Es liegt dennoch eine Chance in dieser völlig neuen Konstellation: Vielleicht kann man sich den rasanten Veränderungen in unserer Gesellschaft nur stellen, wenn man breiter aufgestellt ist. Wenn man Grün mit Rot und Schwarz versöhnt. Der Beweis steht noch aus.
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