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Video: rbb24 - Ihre Wahl | 17.09.2024 | Die ganze Sendung | Quelle: dpa

rbb-Sendung "Ihre Wahl"

Stimmt das? Die Aussagen der Spitzenkandidaten im Check

Am kommenden Sonntag wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Wenige Tage zuvor stellten sich die Spitzenkandidaten in der rbb-Sendung "Ihre Wahl" Fragen zu den drängendsten Themen im Wahlkampf. rbb|24 hat die wichtigsten Aussagen geprüft.

Mehr als 100 Minuten wurde diskutiert und gestritten, über Biberschäden und fehlende Fachkräfte, über Zuwanderung, Tesla und Windenergie - unter anderem. Die sieben Spitzenkandidaten der laut Umfragen aussichtsreichsten Parteien für den Einzug in den Landtag stellten sich am Dienstagabend in der rbb-Sendung "Ihre Wahl" den Fragen. Wieviel Wahrheitsgehalt lag in den Statements vor der Kamera?

rbb|24 hat ausgewählte Aussagen jedes der sieben Brandenburger Politiker geprüft. Die Kandidaten sind nach dem Ergebnis ihrer jeweiligen Partei bei der letzten Landtagswahl in Brandenburg 2019 von höher nach niedriger geordnet. Da das BSW damals noch nicht zur Wahl stand, folgt es am Ende.

"Tesla ist, was den Wasserverbrauch betrifft, nicht ein negatives Beispiel, sondern Tesla ist ein positives Beispiel. Weil Tesla auf hundertprozentiges Recycling von dem in der Produktion verwendeten Wasser setzt. Das heißt, für die Produktion selber wird kein Frischwasser, schon gar kein Trinkwasser verbraucht. Und Tesla hat in den letzten Jahren deutlich weniger Wasser verbraucht, als ihm im Vertrag zusteht."

Dietmar Woidke (SPD): Tesla und das Wasser

Elon Musks Gigafactoy war einer der großen Streitpunkte im Kandidatencheck des rbb - vor allem der mutmaßlich hohe Wasserverbrauch. Für den amtierenden Ministerpräsidenten von Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), ist Tesla jedoch ein "positives Beispiel", sagte er in der Diskussion der Spitzenkandidaten. Denn die Firma setze auf "hundertprozentiges Recycling von dem in der Produktion verwendeten Wasser".

Das deckt sich zumindest mit dem, was die Firma selbst sagt. Sie recycle bis zu 100 Prozent des Wassers aus der Produktion in einer hochmodernen Kläranlage. Wie die zuständige Projektleiterin dem rbb sagte, werden im Werk Abwasser aus der Produktion wiederverwendet. "Kein Frischwasser" und "schon gar kein Trinkwasser" werde in der Produktion verbraucht, fügte der Ministerpräsident, für den die Konzernansiedlung ein großer Erfolg war, noch hinzu. Nur für andere Zwecke brauche man das wertvollle Nass, etwa für die Duschen der Mitarbeiter. Auch diese Information stammt von Tesla selbst: Das Frischwasser werde vor allem für Sanitäranlagen für die 12.500 Angestellten in dem Werk verbraucht.

Tesla habe zudem "in den letzten Jahren deutlich weniger Wasser verbraucht, als ihm im Vertrag zusteht", so Woidke weiter. 1,8 Millionen Kubikmeter wären die maximale Abnahmemenge, auf die sich Tesla Firma mit dem Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) verständigt hat. Verbraucht hat die Fabrik laut übereinstimmenden Medienberichten 2023 knapp 500.000 Kubikmeter.

Genau wissen kann es aber wohl nur der WSE. Doch der Verband wollte auf Nachfrage des rbb keine Details zum Vertrag mit Tesla herausgeben. Endgültig prüfen lässt sich die Aussage also nicht.

Recht hat Woidke allerdings mit der Aussage, dass andere Unternehmen deutlich mehr Wasser benötigen, das zeigen Daten des Umweltministeriums von 2023. Tesla ist nicht in den Top 10 in der Mark.

Was Woidke nicht sagt: Streit zwischen Wasserverband und Tesla gab es zuletzt durchaus. Der Autobauer soll im Schmutzwasser wiederholt Grenzwerte von Stoffen wie Stickstoff oder Phosphor überschritten haben. Aber: Eine Gefahr für die Trink- und Grundwasserqualität bestehe laut Wasserverband nicht, berichtete der rbb. Und weil das auch nicht direkt etwas mit dem Wasserverbrauch zu tun hat, bestehen die Aussagen von Woidke den Check.

"Die Situation in den Parks, im öffentlichen Raum, in den Zügen treibt Fachkräfte aus dem Land. Wir haben stündliche Messerattacken, Gruppenvergewaltigungen. Das treibt doch normale Menschen aus dem Land."

Hans-Christoph Berndt (AfD): Gewalt durch Migranten

AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt hat im rbb-Kandidatencheck behauptet, dass es "stündliche Messerattacken" gebe. Eine Aussage, die irreführend ist: Denn Berndt lässt offen, ob er Vorfälle in Brandenburg oder in ganz Deutschland meint. Der Unterschied spielt hier aber eine wichtige Rolle.

Dass es nicht um bundesweite Zahlen gehen kann, lässt der Kontext vermuten: In der Debatte ging es zu diesem Zeitpunkt um fehlende Fachkräfte - in Brandenburg, nicht Deutschland allgemein.

Laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Brandenburg wurden im vergangenen Jahr 680 Fälle von Messerangriffen in Brandenburg verzeichnet. Auf 365 Tage heruntergebrochen ergibt das im Schnitt 1,86 Angriffe pro Tag und 0,08 Angriffe pro Stunde. Die Aussage, dass es jede Stunde Messerangriffe in Brandenburg gibt, ist also deutlich überzogen.

Berndt legt zudem nahe, dass diese Straftaten vor allem Menschen mit Migrationshintergrund begangen haben. Er spricht zuvor von "grenzenloser Asylmigration". In der Forschung gibt es aber keine Belege dafür: Eine Studie [krimpub.krimz.de] zur Entwicklung der Messerkriminalität in Deutschland kam im Jahr 2021 zu dem Ergebnis, "dass es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Messerkriminalität und schwerer Gewaltkriminalität insgesamt hinsichtlich der untersuchten Variablen, insbesondere der Staatsangehörigkeit, gibt."

Die Zahlen der Polizei Brandenburg geben Auskunft über die Herkunft der Tatverdächtigen: Demnach waren 445 (65,44 Prozent) deutsche Staatsbürger und 204 (30 Prozent) nichtdeutscher Herkunft.

Die Aussage lässt sich aber auch für ganz Deutschland prüfen. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts gab es 2023 13.844 Messerangriffe. Das ergibt im Schnitt 37,93 Angriffe pro Tag und 1,58 Angriffe pro Stunde. Auf ganz Deutschland bezogen hat Berndt also Recht. Allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Unter "Messerangriffen" erfasst das BKA auch Taten, bei denen Gewalt mit einem Messer angedroht aber nicht ausgeführt wird.

In diesem Zusammenhang spricht Berndt auch von Gruppenvergewaltigungen - wobei die Formulierung offen lässt, ober er auch hier "stündliche" Vorfälle meint. Tatsächlich erfasst die Brandenburger Polizeistatistik für 2023 im gesamten Jahr 2023 314 Fälle von Vergewaltigungen. Bei 38 Taten waren mindestens zwei Täter oder Täterinnen beteiligt. 212 Tatverdächtige waren deutsche Staatsbürger, 62 nichtdeutsche. Dass es Gruppenvergewaltigungen gibt, stimmt. Die Straftaten ausschließlich mit Menschen zu verbinden, die einen Migrationshintergrund haben, ist aber falsch.

Hans-Christoph Berndt stellt außerdem die These auf, dass Fachkräfte aus Brandenburg wegziehen, weil "die Situation in den Schulen, in den Parks, im öffentlichen Raum, in den Zügen" so schlimm sei.

Tatsächlich aber steigt die Einwohnerzahl in Brandenburg: Laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg gab es 2023 96.078 Zuzüge und 66.292 Fortzüge. Erfasst wird nicht, mit welcher Motivation die Menschen Brandenburg verlassen oder welchen Berufs- oder Bildungsabschluss sie haben.

"Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung in verschiedenen Branchen. In meinem Wahlkreis in Neuruppin gibt es ein Krankenhaus. Dort werden Operationen abgesagt. Nicht, weil die Ärzte fehlen, sondern weil beispielsweise die OP-Schwester fehlt. Und die OP-Schwestern, die aus Ankara gerne nach Neuruppin kommen würden, zu lange auf einen Termin in der Botschaft warten."

Jan Redmann (CDU): Fachkräfte aus dem Ausland

Das Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg ist das einzige Krankenhaus in Neuruppin. Tatsächlich sei es so, dass die Klinik mit fehlendem Pflegepersonal kämpfe. Das hat Landrat Ralf Reinhardt dem rbb bereits im Februar gegenüber geäußert: Es fehle an Pflegekräften, um alle Dienstleistungen abzudecken. Das Universitätsklinikum teilt rbb24 jedoch auf Nachfrage mit: "Es mussten keine Operationen aufgrund fehlenden Pflegepersonals abgesagt werden." Redmanns Aussage ist in diesem Punkt also nicht richtig.

Redmann nennt als Grund für den Personalmangel auch die langen Wartezeiten in Botschaften; zudem mache es Brandenburg den ausländischen Fachkräften bei der Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen schwer. "Die OP-Schwestern, die aus Ankara gerne nach Neuruppin kommen würden, warten zu lange auf einen Termin in der Botschaft", sagt er im Kandidatencheck.

Der Beruf Krankenpfleger:in ist ein sogenannter reglementierter Beruf. Deren Anerkennung ist bundesweit gesetzlich geregelt [anerkennung-in-deutschland.de]. Das gilt für die Bereiche Gesundheit, Sicherheit oder Soziales. Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen erfolgt durch die zuständigen Stellen der jeweiligen Bundesländer, nicht durch Botschaften.

Die deutschen Botschaften in der Türkei spielen in dem Anerkennungsverfahren jedoch eine wichtige Rolle. Denn sie stellen türkischen Fachkräften das notwendige Visum für ihre Tätigkeit in Deutschland aus. In allen drei der deutschen Botschaften in der Türkei kommt es momentan zu längeren Wartezeiten bei der Visumsausstellung (1-11 Monate).

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV) ist in Brandenburg die Stelle, die prüft, inwieweit die ausländische Qualifikation mit dem entsprechenden deutschen Referenzberuf gleichwertig ist. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Anerkennungsantrags variiere, heißt es vom zuständigen Ministerium. Auf Anfrage teilt das MSGIV rbb|24 mit, dass die Ausstellung der Berufserlaubnis in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen erfolge - wenn alle notwendigen Unterlagen vollständig eingereicht worden sind. Insgesamt könne ein Anerkennungsverfahren typischerweise innerhalb von einem bis zwei Jahren abgeschlossen werden, abhängig von den jeweiligen Anforderungen, so das Ministerium.

"Insgesamt brauchen wir viel mehr Tempo beim Klimaschutz, beim Hochwasserschutz und auch bei der Unterstützung für den Katastrophenschutz. (...) Wir haben keine Gleichbehandlung von Feuerwehr und Katastrophenschutz in Brandenburg. Wenn ich eine Ausbildung machen will, eine Fortbildung machen will beim Katastrophenschutz oder Verdienstausfall haben möchte, bin ich noch schlechter gestellt. (...) Wir haben in Brandenburg für den Fall, dass ein Dorf absäuft, nicht genug Menschen die da reinfahren können, nicht genug Boote, um dort Hab und Gut, Menschleben zu retten. Wir haben nicht genug Wasserettungszüge."

Benjamin Raschke (Grüne): Katastrophenhelfer allein gelassen

Für extreme Hochwetterlagen sei Brandenburg nicht gut genug gerüstet, sagte der Co-Spitzenkandidat der Grünen, Benjamin Raschke, im rbb-Kandidatencheck. "Wir haben nicht genug Wasserrettungszüge, deswegen, wenn wir wirklich vorankommen wollen, müssen wir da was tun."

Das stimmt weitgehend - aber nicht in allen Details. Ob es genug Kapazitäten zur Wasserrettung in Brandenburg gibt, hängt davon ab, von welchem Szenario man ausgeht. Eine Gefahrenanalyse des brandenburgischen Innenministeriums sieht vor, dass alle Landkreise und kreisfreie Städte eigene "Schnelleinsatzgruppen Wassergefahr" vorhalten. Das wären 18 Stück (14 Landkreis + vier kreisfreie Städte). Laut einer Antwort des Ministeriums auf eine kleine Anfrage im Landtag gibt es momentan allerdings nur 14 dieser "Schnelleinsatzgruppen Wassergefahr". Vier Landkreise haben somit keine.

"Diese 14 Schnelleinsatzgruppen Wassergefahr würden im Bedarfsfall zusammengezogen werden müssen", erklärt Gordon Teubert, der Landeskatastrophenschutzbeauftragte des DRK. "Das wären fünf Wasserrettungszüge für das Land Brandenburg." Dieser Fall sei aber weder trainiert noch strukturiert vorgeplant, warnt der Experte. "Sie sind also nicht realistisch einsatzfähig."

Das Innenministeriums teilt weiterhin mit, es könne auf neun Wassergefahren-Züge zurückgegriffen werden. Gemeint sind Einheiten mit Booten und Technik zur Wasserrettung. Zwei davon kämen jeweils von der DLRG und vom Roten Kreuz Brandenburg. Daniel Keip von der DLRG Brandenburg widerspricht: "Die Zahlen des Ministeriums decken sich nicht mit denen, die wir gemeldet haben. Wir und das Rote Kreuz können jeweils nur einen Zug stellen." Gordon Teubert vom DRK Brandenburg bestätigt diese Aussage auf rbb-Nachfrage.

Insgesamt besteht also noch Nachholbedarf, wie die beiden vom rbb befragten Experten erklären. Die Aussage von Grünen-Kandidat Benjamin Raschke ist also korrekt.

Raschke moniert zudem: "Wir haben keine Gleichbehandlung von Feuerwehr und Katastrophenschutz in Brandenburg. (...) Wenn ich eine Ausbildung machen will, eine Fortbildung machen will beim Katastrophenschutz oder Verdienstausfall haben möchte, bin ich noch schlechter gestellt."

Diese Aussage ist so pauschal nicht richtig. Im Katastrophenfall haben Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) die gleichen Rechte wie Mitglieder der Feuerwehr. Auch Einsatzkräfte der freiwilligen Rettungsdienste wie das DRK oder die DLRG haben die gleichen Rechte im Katastrophenfall. Dazu gehört:

1. Das Recht den Arbeitsplatz im Falle eines Einsatzes zu verlassen.
2. Lohnfortzahlung bei einem Einsatz
3. Helferprämie der Landesregierung

Das gilt laut DRK-Sprecher Teubert aber nicht für die Rettungshundestaffeln, die kommunale Wasserrettung mit ihren Rettungsschwimmern, oder Einsatzkräfte der Hubschrauberrettung. Sie alle werden im Katastrophenfall gebraucht, haben laut Teubert aber nicht die gleichen Rechte (siehe oben) wie Feuerwehrleute. Für diese Gruppe stimmt Raschkes Aussage also.

Das gilt auch für die Aus- und Fortbildung: Mitglieder des THW sowie Mitglieder der Feuerwehr bekommen die Ausbildung bezahlt. Freiwillige Katastrophenschützer des DRK und der DLRG müssen Kosten für Aus- und Fortbildung hingegen selber tragen. Es gibt in diesem Fall keine Arbeitgeberfreistellung und keine Lohnfortzahlung, wie DLRG-Sprecher Daniel Keip bestätigt. Möglich sei lediglich eine Rückerstattung durch die Verbände selbst - die von ihren Mitgliedern finanziert werden. Sie sind also in diesem Punkt nicht gleichgestellt mit Einsatzkräften der Feuerwehr – womit Raschke also Recht hätte.

"Wir brauchen eine Beteiligung der Kommunen vor Ort. Das Problem ist nur, dass gerade Ihr Bundeswirtschaftsminister dafür sorgt, dass genau unser Windeuro in Brandenburg, den wir damals mit der SPD zusammen eingeführt haben, Probleme bekommt. Und das geht dann eben auch nicht."

Sebastian Walter (Die Linke): Brandenburgs "Wind-Euro"

Macht das von den Grünen geführte Bundeswirtschaftsministerium den Brandenburger "Wind-Euro" platt? Genau das warf Sebastian Walter, der Spitzenkandidat der Linken, Benjamin Raschke von den Grünen vor.

Der sogenannte Wind-Euro [brandenburg.de] wurde 2019 von der damaligen Brandenburger Koalition aus SPD und Linken mit Unterstützung der CDU [tagesspiegel.de] eingeführt. Die Grünen enthielten sich aufgrund von juristischen Bedenken, wie die Partei damals erklärte.

Kommunen erhalten seitdem für neu erbaute Windräder, die sich im Umkreis von drei Kilometern befinden, jährlich 10.000 Euro pro Windrad vom jeweiligen Windparkbetreiber. In Brandenburg stehen etwa 4.000 Windräder [brandenburg.de]. 2026 will das Land ein Gesetz einführen, das den Gemeinden etwa 30.000 Euro jährlich [brandenburg.de] pro Windrad sichern soll.

Bereits beschlossen ist übrigens auch der "Solar-Euro". Betreiber von neu errichteten Solarparks müssen den Kommunen ab nächstem Jahr 2.000 Euro pro Megawatt installierter Leistung abgeben.

Wenn Sebastian Walter dem Bundeswirtschaftsministerium vorwirft, dass der "Wind-Euro" gefährdet sei, bezieht er sich dabei auf einen aktuell eingebrachten Entwurf zur Gesetzesänderung des Energiewirtschaftsgesetzes [bmwk.de]. Mehrere Länder, darunter auch Brandenburg, kritisieren darin, dass die Handhabe der Länder dadurch eingeschränkt werden würde. Der Brandenburger Wirtschaftsminister Steinbach (SPD) zum Beispiel zeigte sich [brandenburg.de] "tief besorgt" über die Gesetzesnovelle, mit der den Ländern die Befugnis, landeseigene Beteiligungsgesetze auszugestalten, "stark eingeschränkt" werden solle. Landesregelungen zum Solar- und Wind-Euro würden damit "unwirksam werden."

Irene Beringer, Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Brandenburg, sagte auf rbb-Nachfrage, dass acht Bundesländer solche Beteiligungsgesetze eingeführt hätten: "Außerdem haben sieben Landesenergieminister ein gemeinsames Schreiben an Bundesminister Habeck gesendet und darin gefordert, den § 22b Abs. 6 EEG 2023 unverändert zu belassen oder zumindest einen Bestandschutz aufzunehmen."

Auf rbb-Nachfrage versuchte das Bundeswirtschaftsministerium jedoch, die Wogen zu glätten: Es handele sich um einen Entwurf, der noch angepasst werde, so Ministeriumssprecher Daniel Greve. "Die wichtigen Hinweise der Länder werden dabei aktuell ausgewertet." Außerdem wolle man Übergangsregelungen prüfen und eventuell bestehende Regeln behalten. "Kommunen sollen und werden weiterhin vom Ausbau der Erneuerbaren Energien profitieren, indem Anlagenbetreiber ihnen Geld zahlen", so Greve. "Allerdings wollen wir mit allen Beteiligten prüfen, wie wir es ermöglichen können diese Zahlungen so zu gestalten, dass es keine bundesweite Zersplitterung gibt.

Der Vorwurf von Sebastian Walter ist - nach aktuellem Stand - also nicht falsch. Ob die Befürchtungen am Ende wahr werden und der "Wind-Euro" der Gesetzesnovelle zum Opfer fällt, ist aber noch offen. Der Bund jedenfalls zeigt sich gesprächsbereit.

"Dass der Strompreis so hoch ist, was wahrlich ein Standortnachteil für die Brandenburger Unternehmen ist, das liegt wahrlich an EEG, das liegt an der Co2-Abgabe, das sind die Dinge, die die Grünen noch weiter forcieren würden, noch weiter die Probleme nach oben treiben würden."

Péter Vida (BVB / Freie Wähler): Brandenburgs teurer Strom

Als es in der Runde der Spitzenkandidaten um den Kohleausstieg geht, wird Péter Vida von BVB/Freie Wähler grundsätzlich: Die Strompreise in Brandenburg seien ein Standortnachteil für die hiesigen Unternehmen. Schuld seien vor allem die Grünen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die CO2-Abgabe.

Vidas Aussage ist nicht komplett falsch, bedarf allerdings einiger Erläuterung. Tatsächlich ist der Strompreis in Brandenburg im Vergleich zu anderen Bundesländern oft höher. Das liegt aber vor allem an den Netznutzungsentgelten, die Vida in dieser Aussage nicht explizit erwähnt.

Um zu verstehen, warum der Preis in Brandenburg meistens höher ist, muss man wissen, dass sich der Preis aus mehreren Komponenten zusammensetzt. Ein Anteil ist der Beschaffungspreis, den die Versorgungsunternehmen bei den Stromerzeugern bezahlen. Dieser Preis ist insbesondere seit der Energiekrise durch den Ukrainekrieg [bundesnetzagentur.de] angestiegen und seitdem nicht wieder auf Vorkriegsniveau gesunken [destatis.de] - das gilt für alle Bundesländer.

Auch die von Vida genannte CO2-Abgabe, die sich ebenfalls auf den Beschaffungspreis auswirkt, betrifft nicht nur Brandenburg. Sie fällt gemäß Europäischen Emissionshandel (EU ETS) an, wenn Strom aus fossilen Quellen erzeugt wird und erhöht so den Strompreis insgesamt [t-online.de].

In Brandenburg fällt aber vor allem eine Komponente ins Gewicht: das Netznutzungsentgelt. Es liegt in Brandenburg für Haushalte und Industriekunden über dem Bundesdurchschnitt, bestätigt die Bundesnetzagentur auf Anfrage des rbb. Mit diesem Geld werden die Stromnetze in Schuss gehalten und ausgebaut. Die Kosten werden auf die Verbraucher:innen umgelegt. In Brandenburg wird viel erneuerbare Energie produziert - so viel, dass der Strom in andere Bundesländer oder ins Ausland exportiert wird [brandenburg.de]. Das führt zu höheren Netznutzungsentgelten. Außerdem verteilen sich bei Brandenburgs geringer Bevölkerungsdichte die Kosten auf weniger Menschen. Das von Vida genannte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fördert den Ausbau erneuerbarer Energien und trägt somit zu den steigenden Netznutzungsentgelten bei.

Vida sagt auch, dass der hohe Strompreis ein Standortnachteil für Brandenburger Unternehmen sei. Die Industrie- und Handelskammer Cottbus (IHK Cottbus) erklärten dem rbb dazu auf Nachfrage, dass der Strompreis deutschlandweit hoch sei und Unternehmen das klar als Nachteil sähen. In Brandenburg verschärfe sich das Problem durch hohe Netzentgelte zusätzlich, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.

Die IHK Cottbus weist allerdings darauf hin, dass der Strompreis bei der Wahl des Standorts nur ein Faktor neben anderen ist, wie zum Beispiel das Arbeitskräftepotenzial oder die Nähe zur Metropole Berlin. Auch die Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg sagen auf Nachfrage, dass die Strompreise in ganz Deutschland insbesondere für die energieintensiven Unternehmen, wie etwa die Zement- oder Stahlindustrie, ein Problem darstellen.

UPDATE: Das Bundeswirtschaftsministerium wies nach Erscheinen des rbb-Kandidatenchecks darauf hin, dass es ab Januar 2025 eine neue Verteilung der Netznutzungsentgelte geben wird. Dies soll vor allem Regionen entlasten, in denen durch besonders viel Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen derzeit höhere Entgelte bezahlt werden müssen.

"Die Landesregierung hat unter grünen und linken Ministerinnen die Krankenhäuser kaputtgespart. Erst seit Corona gibt sie genügend Geld aus dafür. Nun droht mit Lauterbach die Schließung von acht bis zehn Standorten."

Robert Crumbach (BSW): Krankenhäuser in der Not

In der Debatte über den Zustand der Brandenburger Krankenhäuser sagte BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach: "Die Landesregierung hat unter grünen und linken Minister:innen die Krankenhäuser kaputtgespart. Erst seit Corona gibt sie genügend Geld aus dafür. Nun droht mit Lauterbach die Schließung von acht bis zehn Standorten."

Größtenteils hat Crumbach damit Recht.

Michael Jacob, Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft, bestätigt auf rbb-Nachfrage, dass das Land vor der Pandemie zu wenig Geld für Investitionen zur Verfügung gestellt hat. Vor 2020 betrug die Investitionspauschale insgesamt 100 Millionen Euro pro Jahr. Eigentlich bräuchten die mehr als 50 Brandenburger Krankenhäuser laut Jacob aber insgesamt rund 200 Millionen Euro pro Jahr [n-tv.de]. Diese Unterfinanzierung sei aber nicht nur in Brandenburg sondern bundesweit ein Problem gewesen.

2019, kurz vor der Pandemie, stockte die neue Regierung die Finanzierung auf 110 Millionen Euro auf [aerztezeitung.de]. Die Grünen waren damals übrigens erstmals seit 1994 wieder an einer Brandenburger Regierung beteiligt. Hier geht Crumbachs Schuldzuweisung also an die falsche Adresse.

In diesem und im vergangenen Jahr stellte das Land - zusätzlich zu den 110 Millionen Euro – nochmal weitere 95 Millionen Euro zur Verfügung. Die Landeskrankenhausgesellschaft fordert, diese Erhöhung im nächsten Koalitionsvertrag zu verstetigen [n-tv.de]. "Das Land ist in den letzten drei Jahren seiner Verantwortung nachgekommen, was uns sehr freut", sagt Michael Jacob. Aktuell sei die finanzielle Lage trotzdem angespannt, weil viele Kliniken ihre Betriebskosten nicht decken können - eine Sache der Krankenkassen und des Bundes.

Sollte die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Krankenhausreform so umgesetzt werden, wie sie Stand heute geplant ist, würden die Krankenhäuser in Brandenburg in massive Schwierigkeiten geraten, bis hin zu Schließungen, kritisiert die Krankenhausgesellschaft. Doch konkrete Zahlen zu nennen sei nicht seriös, weil es dafür bislang zu wenig Informationen gebe.

Sendung: rbb24 - Ihre Wahl: Der Kandidatencheck, 17.09.2024, 20:15 Uhr

 

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