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Audio: rbb Brandenburg Aktuell | 22.08.2024 | Theresa Majerowitsch | Quelle: rbb24/Oliver Noffke

Wahlkampf der BVB/Freie Wähler

Projekt Vida-Wahl

BVB/Freie Wähler müssen nach aktuellen Umfragen um den Einzug in den Landtag bangen. Spitzenkandidat Péter Vida ist dennoch auf eine Regierungsbeteiligung aus. Das Schicksal der Partei könnte sich in seinem Wahlkreis entscheiden. Von Oliver Noffke

Bevor es losgeht, ist an den vier langen Tafeln bereits kein Platz mehr frei. Das Ofenhaus, ein ehemaliger Industrieschuppen, ist voll. Auf der Empore sind alle Stühle belegt. An den Bartischen ganz hinten wird gedrängelt. Am Eingang auch.

Hie und da sitzen Leute in orangefarbenen Hemden oder Kleidern. Orangetöne auch in Form von Einstecktüchern, kullernden Früchten auf den Tischen und natürlich am Hals von Péter Vida. Orangefarbene Krawatte über weißem Hemd, drumherum ein mittelmeerblauer Anzug. Im Landtag trägt der Spitzenkandidat von BVB/Freie Wähler meist nichts anderes.

Als der 40-Jährige am Mittwochabend die Bühne betritt, gibt es umgehend Applaus. Von orange Gekleideten Jubel. Vida in Bernau. Heimspiel.

Die mittelgroße Stadt nördlich von Berlin bildet zusammen mit der Gemeinde Panketal Wahlkreis 14, Barnim II. Am 22. September wird sich hier womöglich das Schicksal der brandenburgischen Freien Wähler entscheiden.

Vor fünf Jahren holte Péter Vida hier das einzige Direktmandat für die Partei. Damals hat es zwar auch über die Zweitstimmen für den Einzug ins Parlament gereicht. Mit 5,0 Prozent jedoch denkbar knapp.

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In Barnim II geht es womöglich um alles

Aktuell liegen sie in Umfragen wieder in diesem Bereich. Manchmal drunter, selten drüber. Barnim II ist das Sicherungsnetz. Sollten die Freien Wähler die Fünf-Prozent-Hürde reißen, könnten sie dank der Grundmandatsklausel dennoch in den Landtag einziehen. In Brandenburg dürfen Parteien, die mindestens ein Direktmandat gewinnen, so viele Abgeordnete nach Potsdam schicken, wie ihnen anteilig nach Zweitstimmen zustehen. Auch wenn insgesamt das Mindestmaß verfehlt wird.

Für BVB/Freie Wähler geht es deshalb in Barnim II um alles. Vida muss liefern, damit der erneute Einzug in den Landtag sicher ist.

Der Jurist spricht flüssig und überzeugt. Dass er sich dabei eng an das Skript vor ihm hält, ist nicht hörbar. Vida erinnert mehrmals an die Wurzeln der Vereinigung. Gebühren und Abgaben zu senken, die er, seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter für überzogen oder ungerecht halten, ist der eine Strunk. Ohne die Freien Wähler müssten Grundstückseigentümer in Brandenburg noch Zehntausende Euro für den Straßenausbau zahlen, sagt er.

Bezahlen durch Einsparungen

Die Sorge, die Landbevölkerung werde künftig weiter abgehängt, nimmt einen guten Teil seiner 35-minütigen Rede ein. Die Freien Wähler wollen Krippenbeiträge streichen, alle Standorte von Krankenhäusern dauerhaft sichern, mehr Ärztinnen und Ärzte in dünn besiedelte Gebiete holen, Straßenanbindungen und öffentlichen Nahverkehr verbessern, mobile Polizeiwachen einführen. Gleichzeitig sollen viele Gebühren und Abgaben eingefroren, gesenkt oder abgeschafft werden.

Finanziert werden solle dies hauptsächlich durch Einsparungen, sagt Vida rbb|24 nach der Veranstaltung. "Es geht auch darum, dass wir im Land Brandenburg zu viele Dinge finanzieren und uns zu viel kosten lassen, weil zu viel experimentiert wird." Umstellungen in der Bildungspolitik oder Umweltauflagen seien Beispiele. Eine langfristig gesicherte Gesundheitsversorgung auf dem Land sei langfristig günstiger als dauerhafter Mangel.

Angriff auf den politischen Lieblingsgegner bildet den zweiten Wurzelstock der Rede. "Das größte Problem im Land: die Grünen", sagt Vida. Deren Abwahl sei überfällig. Sie seien verantwortlich für eine verfehlte Energiepolitik im Land. Wenn Windräder stillstehen und keinen Strom produzieren, würden dennoch Ausgleichszahlungen geleistet werden, sagt er. "Deswegen haben wir den höchsten Strompreis Europas hier in Brandenburg - und das ist ein wirtschaftlicher Standortnachteil", sagt er auf Nachfrage.

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Das Verbraucherportal Verivox hat errechnet, dass Brandenburger Familien im vergangenen Jahr durchschnittlich 1.542 Euro für Strom gezahlt haben [verivox.de]. Das liegt deutlich über dem Bundesschnitt. In Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere aber in Thüringen und im Saarland war Strom jedoch teurer.

Es gibt Landkreise und Städte in Brandenburg, wo die Preise bundesweite Spitzen erreichen. Generell ist Strom im Osten meist teurer als im Westen oder Süden. Ein wesentlicher Anteil an den regionalen Unterschieden wird allerdings dem fehlenden Wettbewerb unter den Netzbetreibern zugeschrieben.

Das ändert nichts daran, dass die vergleichsweise hohen Energiepreise Brandenburg zu einem wenig attraktiven Wirtschaftsstandort machen. Zumal die Kosten für die Energiewende in Brandenburg tatsächlich höher liegen als anderswo, wie Vida anmerkt.

Laut dem Statistischen Bundesamt lag Deutschland zuletzt an vierter Stelle innerhalb der EU beim Strompreis [destatis.de]. Vida fordert mehr Diversifizierung. Mehr Erdwärme, mehr Photovoltaik, mehr Wasserkraftwerke an den großen Flüssen.

Oranges Weihwasser gegen Grün

Vidas Kritik an den Grünen ist auch geprägt von Kulturkampf-Themen. In Ämtern soll Gendersprache verboten werden, Schüler*innen sollen sie in Brandenburg gar nicht erst beigebracht bekommen. Für kein Thema gibt es vom Publikum mehr Applaus.

Generell müsse sich Schulbildung im Land wieder mehr an Leistung orientieren, fordert der Spitzenkandidat. Vida mag kernige Worte. Er sei überzeugter "Mittepopulist". Das sei, was das Land brauche.

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"Wir haben zu viel Rechtspopulismus, was Demokratie gefährdet, Linkspopulismus, der keine Brandenburgkompetenz mitbringt, und es braucht Leute, die aus der Mitte heraus den Menschen eine Stimme geben", sagt Vida.

Mit den negativen Eigenschaften die Populisten zugeschrieben werden, habe dies nichts zu tun. Nach seinem Verständnis habe Mittepopulismus eine andere Konnotation, erklärt er rbb|24. "Mittepopulismus steht dafür, dass man Lösungen anbietet." Dass man das mache, was für die große Mehrheit der Gesellschaft das beste sachliche Angebot sei, sagt er.

Unterstützung kommt an diesem Mittwochabend aus Bayern. Hubert Aiwanger ist aus München gekommen. Jedes Mal wenn sein Name fällt, wird der Saal zur Fankurve. "Aiwanger ist hier, um uns zu sagen, wie er es in Bayern in die Regierung geschafft hat."

Grün und Orange passen nach Goethes Farbenlehre nicht richtig zusammen. In Vidas Ausführungen klingt das wie Schwarz und Weiß. Bei Aiwanger wie Teufel und Weihwasser.

Streckenweise wirkt die Rede des bayerischen Wirtschaftsministers weniger wie eine Empfehlung für die Brandenburger Brüder und Schwestern, sondern vielmehr wie ein Aufruf zur Abwahl der Grünen im Bundestag. In 66 Minuten Ansprache redet er sich mehrmals so heiß über Annalena Baerbock, Cem Özdemir oder Robert Habeck, dass ihm die Röte aus dem Gesicht dampft. Die Überzeugten im Publikum sind hörbar entzückt.

Vida will nicht nur in den Landtag, sondern in die Regierung

Die Partei, mit der die Freien Wähler die wahrscheinlich größten thematischen Überschneidungen haben, erwähnen weder Vida noch Aiwanger: die FDP. "Wir haben vor allem kommunale Kompetenz. Wir sind die Kümmerer vor Ort."

BVB/Freie Wähler wollen Teil der nächsten Landesregierung werden, betont Vida. "Wir haben deutlich gemacht, dass AfD und Grüne für uns nicht in Betracht kommen. Insofern muss man schauen, was mathematisch geht", sagt er. "Wir gönnen auch der SPD eine Auszeit."

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Sie zählen die Stimmen aus und sollen für einen reibungslosen Ablauf sorgen: die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer. Sieben Wochen vor der Wahl in Brandenburg sind in einigen Städten aber noch längst nicht alle Posten besetzt.

Damit dies eine Option werden kann, muss Vida sein Direktmandat vor allem gegen den Angriff von rechts verteidigen. Bei der Kommunalwahl Anfang Juni wuchs der orange Balken nirgendwo in Brandenburg höher als im Barnim, 12,1 Prozent.

Die AfD erreichte einen mehr als doppelt so hohen Wert. Vida konnte dabei in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen holen. Allerdings deckt dieser nur einen Teil vom Landkreis Barnim ab, beziehungsweise von Wahlkreis 14 bei der Landtagswahl. Insgesamt landeten die Freien Wähler im Landkreis Barnim hinter der CDU auf Platz drei.

Der Abend in Bernau zeigt, auf die Unterstützung seiner Basis kann Vida zählen. Doch es gibt auch einige, die nicht gekommen sind, um ihn anzufeuern oder weil sie endlich Aiwanger sehen konnten. Einige sind nur zum Schauen da.

Nachdem die Reden vorbei sind, leert sich der Saal. Als schließlich das deftig bayerische Büffet eröffnet wird, ist die Hälfte des Publikums bereits auf dem Heimweg. Vida ist bewusst, worauf es ankommt. Mehrfach bittet er die Anwesenden darum, andere Menschen anzusprechen und für die Partei zu werben.

Die Freien Wähler würden bei den Zweitstimmen immer besser abschneiden als in den Umfragen, so Vida. Er rechne mit deutlich über fünf Prozent. "Zugleich gilt, dass ich als Spitzenkandidat die Verantwortung habe, natürlich auch meinen Wahlkreis zu gewinnen." Als doppelte Absicherung, aber auch, "um hier ein AfD-Überhangmandat, was eventuell wäre, zu verhindern".

Korrektur: In einer früheren Version dieses Beitrags wurde der Eindruck erweckt, dass Péter Vida nicht bei der Kommunalwahl im Juni 2024 angetreten war. Dies ist falsch. Die entsprechende Stelle wurde geändert. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Sendung: rbb Brandenburg Aktuell, 22.08.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

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