Koalitionsverhandlungen
SPD, Grüne und Linke haben sich über die künftige Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik in Berlin verständigt. Bis zuletzt umstritten war die Frage der Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen.
SPD, Grüne und Linke in Berlin sind bei ihren Koalitionsverhandlungen einen wichtigen Schritt vorangekommen. Die drei Parteien, die in der Hauptstadt weiter zusammen regieren wollen, einigten sich am späten Montagabend nach einer Marathonsitzung bei einigen besonders umstrittenen Themen.
Dazu gehört vor allem die Frage, wie mit dem erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienunternehmen in Berlin umgegangen werden soll, wie die drei Parteien kurz nach Mitternacht mitteilten. Demnach besteht bei der künftigen Stadtentwicklungs-, Bau- und Wohnungspolitik nun Einigkeit. Über diese Themen wurde bereits am Samstag verhandelt.
Zum Volksentscheid wurde verabredet, dass eine Expertenkommission eingesetzt werden soll - wie schon nach den Sondierungsgesprächen angekündigt. Sie soll Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens prüfen.
An der Besetzung der Expertenkommission soll die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" beteiligt werden, die das Volksbegehren durchgesetzt hatte. Die Kommission soll innerhalb eines Jahres eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen an den Senat erarbeiten, der anschließend eine Entscheidung darüber trifft.
"In den ersten 100 Tagen beschließt der Senat über die Einberufung, Beauftragung und Besetzung der Expertenkommission anhand einer Beschlussvorlage", erläuterten SPD, Grüne und Linke. Zunächst soll die Kommission laut den drei Parteien die Verfassungskonformität einer Vergesellschaftung untersuchen, wie sie der Volksentscheid vorsieht.
Dabei gehe es auch darum, mögliche rechtssichere Wege einer Vergesellschaftung zu benennen und zu bewerten. In einem zweiten Schritt sollen dann auch wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigt werden. "Auf Basis der Empfehlungen der Expertenkommission legen die zuständigen Senatsverwaltungen im Jahr 2023 gegebenenfalls Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz vor." Danach werde der Senat eine abschließende Entscheidung treffen, hieß es weiter. Zur Unterstützung der Expertenkommission ist eine Geschäftsstelle geplant.
SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey hatte im Wahlkampf die Ziele der Initiatoren stets abgelehnt, während die Linken den Volksentscheid unterstützen und bereits ein Enteignungsgesetz vorbereitet haben. Die Grünen waren in der Frage unentschieden. Mit dem nun gefundenen Kompromiss verschiebt die mögliche rot-grün-rote Regierungskoalition ihren Streit.
Darüber hinaus einigten sich SPD, Grüne und Linke darauf, das Tempelhofer Feld in den kommenden fünf Jahren nicht zu bebauen. Das gab Bettina Jarasch (Grüne) am Dienstag auf einer Pressekonferenz bekannt. Dafür soll aber die Elisabeth-Aue in Blankenfelde bebaut werden.
Die drei möglichen Koalitionspartner einigten sich zudem darauf, ein Bündnis für Wohnungsneubau und Mieterschutz zu gründen. Gemeinsam mit landeseigenen Unternehmen, Genossenschaften und der privaten Immobilienwirtschaft wolle man in den kommenden zehn Jahren 200.000 neue Wohnungen bauen. "Es braucht ein übergreifendes Bündnis", sagte Giffey.
Einige Unternehmen hätten bereits angeboten, ein Mietmoratorium einzuführen, sagte Giffey. Über die Zahl der Wohnungen, die davon betroffen wäre, soll allerdings noch gesprochen werden. Gleichzeitig einigten sich SPD, Grüne und Linke darauf, ein Förderprogramm für Wohnungsneubau "in dreistelliger Millionenhöhe" aufzulegen. Der Bau von Eigentumswohnungen zur Refinanzierung großer Wohnungsprojekte sei explizit mit eingeschlossen, so Giffey. In diesem Punkt hatte es vor allem zwischen SPD und Linken Differenzen gegeben.
Die Koalitionsverhandlungen werden am Dienstag fortgesetzt. Dann soll es vor allem um öffentliche Sicherheit und Inneres gehen. Der Koalitionsvertrag soll noch in dieser Woche fertig werden.
Sendung: Abendschau, 23.11.2021, 19:30 Uhr
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