Entfernte Wahlplakate
Die Stadt Bernau hat hunderte Wahlplakate entfernt, weil sie eine mögliche Gefahr für den Verkehr darstellen sollen. Eine Partei ging dagegen vor Gericht vor – erstmal ohne Erfolg. Nun geht der Streit weiter. Von Juan F. Álvarez Moreno
Die Stadt Bernau bei Berlin (Barnim) hat hunderte Wahlplakate im Stadtgebiet entfernt und einen politischen und juristischen Streit ausgelöst. Zwischen April und Mitte Mai hing das dortige Ordnungsamt 228 Wahlplakate von Laternenmasten ab, wie eine Sprecherin der Stadt auf rbb-Anfrage mitteilte. Der Grund: Die Verkehrssicherheit und -Leichtigkeit.
Die Plakate hätten Kreisverkehre und Kreuzungsbereiche beeinträchtigt, die Sicht behindert oder seien in Einmündungen angebracht worden, so die Sprecherin. Betroffen waren demnach Plakate von CDU, SPD, BVB/Freie Wähler, Grüne, Linke, FDP, Basis und AfD.
Das war aus Sicht des Verwaltungsgerichts in Frankfurt (Oder) auch rechtens: Das Gericht hat einen Eilantrag der BVB/Freien Wähler gegen die Entfernung von Wahlplakaten abgelehnt. Die Partei wollte erreichen, künftig über festgestellte Verstöße vorab informiert zu werden, um die Plakate selbst abhängen zu können. Darauf bestehe kein Anspruch, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte.
"Der grundsätzlich gegebene Anspruch auf Sichtwerbung für Wahlen als Wahlkampfmittel besteht nicht schrankenlos," so ein Gerichtssprecher. Die Stadt dürfe unmittelbar einschreiten, wenn Wahlplakate die Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs gefährden können.
BVB/Freie Wähler hatte den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt. "Die Stadtverwaltung war einfach nicht bereit, uns ordentlich zu informieren, warum sie wann, wo, wie viele Plakate von uns abgehängt hat", teilte Péter Vida, Stadtverordneter und Mitglied der Fraktion BVB/Freie Wähler, in der Bernauer Stadtverordnetenversammlung dem rbb auf Anfrage mit. Somit könne die Partei nicht wissen, welche Plakate Opfer von Vandalismus und welche vom Ordnungsamt entfernt wurden.
"Im Übrigen haben wir festgestellt, dass an mehreren Stellen, an denen die Stadtverwaltung Plakate von uns abgemacht hat, weil sie dort angeblich problematisch sind, seit gut einer Woche Plakate anderer Parteien problemlos hängen", so Vida weiter. Das habe sich erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts herausgestellt.
Den Beschluss des Gerichts könne Vida nicht nachvollziehen, das entspreche auch nicht dem Verwaltungshandeln anderer Kommunen. Vida will nun gegen den Beschluss beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde einlegen.
Die Stadt Bernau sieht sich in ihrer Vorgehensweise bestätigt. "Die Aufgabe einer Verwaltung ist es auch, beim Aufhängen beziehungsweise Aufstellen von Wahlplakaten auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu achten und rechtswidrige Plakatierungen zeitnah zu unterbinden", teilte Bürgermeister André Stahl (Linke) mit. Die Stadt werde weiterhin unmittelbar einschreiten und Plakate abhängen, wenn diese den Straßenverkehr beeinträchtigen, hieß es in der Pressemitteilung.
Die Stadt argumentiert mit mehreren Paragrafen aus der Brandenburger Straßenverkehrsordnung [brandenburg.de]. Dabei geht unter anderem um die unerlaubte Nutzung einer Straße (Paragraf 20). Zudem weist die Stadt auf eine Allgemeinverfügung des Brandenburger Infrastrukturministeriums aus 2020 hin, wonach Plakatwerbung im Bereich von Kreuzungen, Kreisverkehren und Einmündungen unzulässig ist.
Das Vorgehen der Stadt ist nicht ganz neu: Bereits vor der Landtagswahl im Jahr 2019 entfernte das Ordnungsamt mehr als hundert Wahlplakate – mit ähnlichen Argumenten wie jetzt. Das Nachrichtenportal Bernau Live informierte darüber [bernau.live.de].
Das Plakatieren mit Wahlwerbung ist aus rechtlicher Sicht eine sogenannte erlaubnispflichtige Nutzung. Die Parteien müssen die Plakatierung bei der jeweiligen Kommune beantragen. Kleinere Plakate sind lediglich anzeigepflichtig, großflächige Plakate – sogenannte Wesselmänner – benötigen eine schriftliche Genehmigung durch die Gemeinde.
Um genau diese großflächigen Plakate gibt es in Bernau einen weiteren Streit – involviert sind dieselben Akteuren. Bei einer Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung im März gab es eine hitzige Diskussion zwischen dem Politiker Péter Vida und dem Bürgermeister André Stahl, wie die Märkische Oderzeitung [moz.de; Bezahlinhalt] berichtete. "Die Links-Partei darf aufstellen, ein halbes Jahr später dürfen wir das aber nicht", sagte damals Vida laut dem Bericht.
Demnach beschwerte sich Vida, dass die Verwaltung viele Anträge für Wahlplakat-Stellplätze negativ beschieden habe. Seine Fraktion stellte zusammen mit der CDU einen Antrag mit dem Ziel, Großflächenplakate dort zu erlauben, wo sie in früheren Wahlkämpfen auch stehen durften. Laut einer Stadtsprecherin wurden anfangs weniger als zehn Prozent der Großwahlplakate nicht genehmigt.
Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen, nachdem er auf Bitten des Bürgermeisters überarbeitet wurde. Zudem beauftragten die Stadtverordnete die Stadtverwaltung damit, bis Juni "eine Übersicht über mögliche Fläche für Großaufsteller für Wahlwerbung" zu erstellen. "Diese Übersicht ist noch in Arbeit", hieß es von der Stadt am Donnerstag.
Sendung: Antenne Brandenburg, 25.05.2024, 8:30 Uhr
Beitrag von Juan F. Álvarez Moreno
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