Kommunalwahlen 2024
In Potsdam gibt es viele wichtige Themen, die die Bürgerinnen und Bürger vor der Kommunalwahl am 9. Juni beschäftigen. Das Thema, das nahezu sämtliche Kandidaten und Parteien dabei als das wichtigste einschätzen: Wohnen. Von Felix Moniac
Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg werden Tausende zum größten Teil ehrenamtliche politische Posten verteilt. Doch wie funktioniert Kommunalpolitik überhaupt, was wird hier entschieden und welche Probleme gibt es? rbb|24 schaut sich in den Landkreisen und kreisfreien Städten um, welche Themen dort relevant sind.
Eins vorweg: Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung (SVV) und des Hauptausschusses finden je einmal monatlich statt und nehmen viele Stunden Zeit in Anspruch. Acht bis zehn Stunden sind eher die Regel als die Ausnahme. Dazu kommt die Vorbereitungszeit. Dutzende Anträge müssen durchgearbeitet werden. Die Stadtverordneten müssen Themenkomplexe häufig völlig unterschiedlicher Natur durchschauen und verstehen.
Dabei sind die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung keine hauptberuflichen Politiker. Sie sind Ehrenämtler, die ihre Zeit und ihre Kraft dem Wohle der Stadt zugute kommen lassen. Sicherlich mag es hier und da "egoistische" Gründe geben, etwa ein gewisser Geltungsdrang oder der Aufbau von hilfreichen Netzwerken. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Kommunalpolitik viele Überzeugungstäter agieren. Menschen, die ihre Heimat lieben und akribisch und zum Teil pedantisch auf das blicken, was vor Ort geschehen soll, so auch in Potsdam.
Wer sehen will, wie Demokratie gelebt wird, sollte eine öffentliche Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Potsdam besuchen. Wann getagt wird, wird im Ratsinformationssystem der Landeshauptstadt (RIS) [potsdam.de] bekannt gegeben.
Die meisten Parteien sehen das Thema "Wohnen" als die zentrale Aufgabe für die kommende Legislaturperiode. Während die SPD laut Maxi Hoops, Kandidatin im Wahlkreis 4, nach wie vor auf ein behutsames Wachstum setzt, will die CDU vor allem eines: bauen, bauen und nochmals bauen. Das sagt Clemens Viehrig, Kandidat im Wahlkreis 1. Das behutsame Wachstum habe der Stadt nicht gutgetan, so Viehrig. Derzeit liege der Leerstand bei etwa 0,5 Prozent – das sei nicht gesund.
Quasi "kein [Wohnungs]markt mehr", das sieht auch das nach eigener Definition "gemütlich konservative" Bündnis Mitten in Potsdam so. Das wichtigste Ziel ist es laut seines Kandidaten Wieland Niekisch deshalb, die angespannte, "fast schon als Notsituation zu bezeichnende Lage auf dem Wohnungsmarkt nachhaltig zu entspannen".
Auch Stefan Wollenberg, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Kreisverband Potsdam sagt, das wichtigste Thema bleibe bezahlbares Wohnen. Die Stadt müsse selber bauen und man müsse einen dauerhaften sozialen Wohnungsbau über eine 35-Jahre-Bindung hinaus etablieren.
Auch die Freien Demokraten wollen "bauen für bezahlbaren Wohnraum", nennen aber im Fragenkatalog des rbb die Haushaltskonsolidierung an erster Stelle der Ziele für die kommende Legislaturperiode. Bei einem von Stadtkämmerer Burkhard Exner (SPD) bezifferten Rekordefizit von aktuell 65 Millionen Euro im kommenden Haushaltsjahr ein hehres Ziel.
An erster Stelle steht auch bei der AfD die Haushaltssanierung. Dabei solle es keine "Denkverbote" geben, schreibt sie. So solle das "TVöD-Finanzabenteuer" für das Klinikum Ernst von Bergmann ebenso beendet werden wie das "Fernwärmewendeabenteuer". Bezahlbarer Wohnraum solle unter anderem durch "Flächenankäufe aus Bundesvermögen und Erleichterungen für Wohnungsbau bei effizienterer Nutzung von Park- [und] Gewerbeflächen" ermöglicht werden.
Das Wählerbündnis die Andere will den Bau neuer Wohngebiete nur unterstützen, wenn die entsprechenden Verluste an Naturflächen im Stadtgebiet ausgeglichen werden können. Einen Mietendeckel im städtischen Wohnungsbestand wolle man durchsetzen.
Ebenso identifiziert das dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nahestehende neu gegründete Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit von Politik-Althase Hans-Jürgen Scharfenberg die "Sicherung eines bedarfsgerechten Angebotes an bezahlbaren Wohnungen" als wichtigste politische Maßnahme.
Bündnis 90/Die Grünen spielen die Wohnungsproblematik über Bande aus. Aus Sicht von Spitzenkandidatin Saskia Hüneke und ihren 82 Mitkandidatinnen und -kandidaten ist die Energie- und Wärmewende ein wichtiges Thema für die kommende Legislaturperiode und darüber hinaus. Demnach sollen bis zum Jahr 2035 die Strom- und Wärmeversorgung der Landeshauptstadt vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt sein. Die Grünen sehen das aber auch als notwendige Maßnahme, um den Anstieg bei den Wohnkosten zu bremsen.
Die Partei BVB/Freie Wähler macht keine direkten Angaben, was für sie das wichtigste Vorhaben für die kommenden fünf Jahre ist. Laut den Orangen sollen aber grundsätzlich "mehr Entscheidungen über lokale Vorhaben transparent direkt vor Ort in den Ortsteilen gefällt werden". Ihrer Ansicht nach brauche Potsdam das, weil die Stadt zu groß geworden sei, um Entscheidungen "zentralistisch" in der SVV zu entscheiden.
Die junge Europa-Partei Volt will "daran arbeiten, unsere Stadt noch lebenswerter zu machen". Gelingen soll das durch ein flächendeckendes Radwegenetz in Potsdam und einem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Außerdem setzt die Partei auf eine digitale Verwaltung und die Förderung von Kindern. Was den Wohnraum betrifft, wolle man sich an der Stadt Wien orientieren. Dort gibt es häufig günstige Wohnungen, weil Wohnraum nicht privatisiert wurde.
Dem Einzelbewerber Robert Witzsche geht es mit seiner Kandidatur vor allem darum, parteiübergreifend zu arbeiten. Der Milieuschutz ist ihm besonders wichtig. Er möchte ihn auf die gesamte Stadt ausweiten. Um Verdrängung zu verhindern, sollen Miet- nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden können. Angetreten ist der geborene Potsdamer und Vorstandsmitglied des Kita-Elternbeirates der Stadt auch mit einem verstärkten Blick auf Bildung. So fordert Witzsche unter anderem, dass "Bildungscampi mit Angeboten von Kita bis Abitur in allen Sozialräumen integriert werden".
Die Partei Die Partei hat nicht auf den Fragenkatalog des rbb geantwortet.
Beitrag von Felix Moniac
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