Kommunalwahlen 2024
Die Uckermark erlebt einen Boom erneuerbarer Energien. Doch gegen neue Solar- und Windkraftanlagen gibt es immer wieder Proteste. Auf der Kommunalebene entscheiden verschiedenen Gremien über mögliche Standorte. Von Riccardo Wittig
Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg werden Tausende zum größten Teil ehrenamtliche politische Posten verteilt. Doch wie funktioniert Kommunalpolitik überhaupt, was wird hier entschieden und welche Probleme gibt es? rbb|24 schaut sich in den Landkreisen und kreisfreien Städten um, welche Themen dort relevant sind.
In der Dorfgaststätte im uckermärkischen Haßleben sitzen viele Menschen an kleinen Tischen, überprüfen Stapel von Dokumenten und hören zu. Es ist die Ortsbeiratssitzung. Martina Blum und Timo Mende müssen an diesem Tag über einen Bebauungsplan befinden. "Wir sprechen als Ortsbeirat eine Empfehlung dafür oder dagegen aus", sagt Mende: "Wir haben immer eine Meinung im Gegensatz zu anderen Würdenträgern, die sich gern enthalten."
Beide parteilose Politiker bilden das unterste Gremium in der Brandenburger Lokalpolitik. Ihre Entscheidung trägt zur Beschlussfassung der Gemeindevertreter ihrer Großgemeinde Boitzenburger Land bei. Es geht, wie so oft in der Uckermark, um grüne Energie: Ein Investor möchte in Haßleben Liquefied Natural Gas (LNG) - also verflüssigtes Erdgas - herstellen. Das soll aus einer landwirtschaftlichen Biogasanlage ganz in der Nähe kommen. Gleichzeitig soll ein Fernwärmenetz im Dorf entstehen.
Der Ausbau erneuerbarer Energien prägt den Landkreis Uckermark und die Landschaften. Auf vielen Feldern entstehen Solarparks, Windkraftanlagen werden errichtet. Zudem wollen sich die PCK-Raffinerie in Schwedt und der Windstromproduzent Entertrag als wichtige Standorte der Wasserstoffwirtschaft etablieren. Die Energiewende ist im Landkreis längst angekommen und wird auch vor den Kommunalwahlen kontrovers diskutiert, erklärt Martina Blum: "Ich möchte auch Fernwärme haben." Sie selbst habe eine 30 Jahre alte Ölheizung, die nicht mehr zeitgemäß sei. "Wir wollen erneuerbare Energien haben. Anders funktioniert es nicht", sagt sie.
Mit der Empfehlung aus dem Ortsbeirat muss nun das nächst höhere Gremium, die Gemeindevertreterversammlung, umgehen. Dessen Vertreter sind auch von den Bürgern gewählt und entscheiden über die LNG-Anlage.
Das Vorgehen befürwortet auch der Bürgermeister der Großgemeinde Boitzenburger Land Frank Zimmermann (parteilos). Denn so könnten auch Konflikte minimiert werden. "Bei Bebauungsplänen geht es grundsätzlich immer um Art und Maß der baulichen Nutzung wie Anlagengröße und -standort", sagt Zimmermann. "Das sind Sachen, die die lokale Ebene besser entscheiden kann."
Konflikte gab es in der Gemeinde dennoch bei der Errichtung zwei großer Solarparks auf etwa 170 Hektar Ackerland. In diesem Fall war es die Gemeindevertreterversammlung, die darüber entschied, dass die Photovoltaikanlagen gebaut werden dürfen.
Bei der Windenergie entscheidet ein anderes Gremium - die Regionalversammlung. Sie besteht aus Landräten, Amtsdirektoren, Bürgermeistern und Abgeordneten aus den Kreistagen. Zur Regionalversammlung gehört der Planungsausschuss, der sich um die Einzelheiten kümmert.
"Seine Mitglieder achten auf die Einhaltung der selbstgewählten Kriterien", sagt Frank Bretsch (SPD), Vize-Landrat in der Uckermark. Dabei sei vor allem die Einhaltung eines ausreichenden Abstands zwischen Windkraftanlagen und Wohngebieten wichtig. Bei Siedlungen sind es 1.000 Meter, bei einzelnen Gehöften lediglich 800 Meter, erklärt Bretsch.
Neben den Siedlungs- und Windfeldabständen geht es auch um Natur- und Artenschutz oder Verkehrsrecht. All das muss die Regionalversammlung beachten, wenn ein sogenannter Regionalplan aufgestellt wird. "Da fliegen immer die Fetzen. Das ist ein hochemotionales Thema, das die Menschen berührt", sagt Claudia Henze von der Planungsgemeinschaft Barnim-Uckermark.
Die Regionalräte in Barnim und Uckermark haben am Dienstag mit 31 von 43 Stimmen für den neuen Regionalplan für Windenergie gestimmt. Damit wird nun erstmals in Brandenburg den Vorgaben von Bund und Land über die anteiligen Flächen für Windenergie nachgekommen. Der Plan gibt zugleich auch Flächen etwa für Solar- und Gewerbegebiete sowie Rohstofferschließung oder Tourismusprojekte vor.
In ganz Brandenburg sollen bis 2027 - also schon in drei Jahren - 1,8 Prozent der Flächen für Windenergie ausgewiesen sein. Bis zum Jahr 2032 dann insgesamt sogar 2,2 Prozent der Gesamtflächen. Ohne den Regionalplan hätte es einen Wildwuchs von Windanlagen geben können, so Vize-Landrat Bretsch.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.05.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Riccardo Wittig
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