Kommentar | Neue Pläne für Hertha-Stadion
Jahrelang hat Hertha BSC für ein eigenes Fußballstadion gestritten – bislang ohne Erfolg. Nun hat die Politik eine neue Lösung vorgestellt. Die wirkt pragmatisch und scheint umsetzbar, wird aber wieder durch Alleingänge bedroht, kommentiert Sebastian Schöbel.
Dass auf dem Fußballplatz eigene Fehler schnell bestraft werden, weiß nicht nur jeder der 80 Millionen Bundestrainer in Deutschland, sondern natürlich auch Hertha BSC. Die Alte Dame ist allerdings auch eine Expertin darin, sich jenseits das Platzes selbst ein Bein zu stellen.
Zu beobachten war das bei der jahrelangen Suche nach einem Bauplatz für ein neues Stadion: Mit einer Mischung aus Überheblichkeit und Naivität wollte sich der Verein mit einer eigenen Arena in den Olympiapark drängen – und biss sich an renitenten Genossenschaftlern, verärgerten Politikern und diversen bürokratischen Hürden die Zähne aus. Statt die Gründe aufzuarbeiten, hielten die Verantwortlichen beim Verein stattdessen lange die Erzählung aufrecht, der Hertha werde das hochverdiente eigene Stadion am bevorzugten Standort schnöde verweigert. Ein unbescholtener Traditionsverein als Opfer fieser Machenschaften, sozusagen.
Die meisten Vereinsvertreter, die dieses Desaster zu verantworten haben, sind inzwischen weg, den Karren der Stadiondebatte haben hauptsächlich die Fans aus dem Dreck gezogen, mit einem eigenen Runden Tisch. Seitdem wurde wenigstens wieder geredet. Wirklich voran aber geht es erst, seit Sportsenatorin Iris Spranger einen neuen Vorschlag gemacht hat: Warum nicht das Stadion am statt auf dem Maifeld zu bauen, im "Lindeneck"?
Doch auch hier läuft erst einmal alles nach altbekannter Dramaturgie dieser Stadion-Saga ab: Statt frühzeitig mit allen Betroffenen, allen voran dem Reitverein am Maifeld, zu sprechen, werden Details zunächst hinter verschlossenen Türen ausbaldowert.
Das "Lindeneck" stellt Spranger im April ohne Vorwarnung in einem Interview zur Disposition – offenbar nachdem die Idee schon mit Hertha BSC besprochen wurde, denn der Verein zieht nun bereits überraschend konkrete Entwürfe hervor, ein weiteres Gutachten ist bereits in Auftrag gegeben. Über das Gelände gesprochen wird dann auch erstmal ohne die Pferdefreunde, am Runden Tisch der blau-weißen Stadioninitiative. Dort wird dann zum Beispiel schon über einen gemeinsamen Betrieb der neuen Arena diskutiert. Hertha-Hauptinvestor Lars Windhorst bekommt sogar einen persönlichen Termin bei der Senatorin.
Der Denkmalschutz, die landeseigene Olympiastadion GmbH, der Reitverein und auch das Abgeordnetenhaus bekamen die detaillierteren Pläne derweil erst jetzt zu sehen, zwei Monate nachdem Spranger die Idee erstmals öffentlich gemacht hat. Vor allem der Ärger des Reitvereins wird nun mit dem Hinweis auf den Masterplan fürs Olympiagelände abgetan: Darin stehe doch, dass ein Umzug geplant sei, argumentiert Spranger.
Was sie nicht erwähnt: Ein Hertha-Stadion sieht der Masterplan im "Lindeneck" nicht vor, sondern ein Zentrum für Skater. Das wird, ohne weitere Begründung, nun stillschweigend beerdigt. Auch die frühzeitig angemeldeten Sorgen des Reitvereins vor dem Zwangsumzug auf ein viel kleineres Gelände eines ehemaligen Treibstofflagers hat Spranger schon zu den Akten gelegt. Vertrauensbildend ist das nicht.
All das erinnert an die ziemlich robuste Kommunikation mit den Genossenschaftlern in der Sportforumstraße. Das Ergebnis damals war Frust auf allen Seiten. Am Ende zog Hertha den Kürzeren.
Dabei sind Sprangers Idee und Herthas Entwurf vielversprechend: Dass die ÖPNV-Anbindung im Olympiapark ideal ist, hat nie jemand bestritten. Und geschickt gebaut könnte die "Pralinenschachtel" der Alten Dame eine echte Zierde für das bislang recht wenig genutzte Gelände werden – auch wenn Ingo Schillers Formulierung, die Arena würde wie mit einem "Ellbogencheck" ins Maifeld hineinragen, schon wieder fast gelb-würdig klingt. Die geplante Videowand könnte das Maifeld allerdings durchaus aufwerten und das Areal damit zu einem sehr attraktiven Veranstaltungsgelände machen.
Doch viele Zweifel bleiben, allen voran mit Blick auf die Zukunft des Olympiastadions. Dass Spranger nun eine Steuerungsgruppe für das Großprojekt einsetzen will, ist ein richtiger Schritt. Noch wichtiger aber ist, dass dieses Gremium dann transparent arbeitet und alle Akteure einschließt. Das heißt auch, dass die Gespräche nicht mehr maßgeblich über die Stadioninitiative der Hertha-Fans geführt werden können.
Sollte Hertha irgendwann tatsächlich seine "Pralinenschachtel" (angelehnt an die Arena "La Bombonera") öffnen können, wird der holprige Start vermutlich schnell vergessen sein. Die vorgestellten Pläne und auch die Tonalität des Vereins jedenfalls zeigen: Hertha BSC will dieses Stadion unbedingt haben – und hat wohl auch verstanden, dass dies das letzte Angebot der Politik sein wird.
Sendung: rbb24 Abendschau, 10.06.2022, 19:30 Uhr
Beitrag von Sebastian Schöbel
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