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Quelle: SV Sparta Lichtenberg 1911 e.V.

111 Jahre Sparta Lichtenberg

Von Klassenkämpfern zu Kiezkickern

Der SV Sparta Lichtenberg blickt auf eine bewegte Geschichte als Arbeiterverein zurück, die er jetzt zum Anlass für eine Ausstellung nimmt. Gunnar Leue mit einer Zeitreise durch die Historie der Spartaner.

Der Verein Sparta Lichtenberg begeht gerade ein Jubiläum, das sehr speziell anmutet: 111 Jahre Sparta. Wahrlich keine runde Sache, aber ziemlich passend zu diesem Verein, der ein besonderer in der Berliner Sportszene ist.

Sparta Lichtenberg hat seine Wurzeln im Arbeiterfußball. Der organisierte Sport war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in Berlin und in Deutschland sehr gespalten. Die Sportler grenzten sich nach sozialer und politischer Herkunft voneinander ab. Neben den bürgerlichen gab es proletarische Vereine, zu denen auch Sparta Lichtenberg zählte. Er war sogar ein Aushängeschild der Arbeiterfußball-Bewegung in Berlin.

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Städtespiel vor 10.000 Zuschauern gegen Moskau

Die proletarische DNA offenbart sich schon im Gründungsmythos. Es war ein Schriftsetzer namens Wilhelm Wendt, der mutmaßlich am 30. Juni 1911 den Namen Sparta 1911 Lichtenberg behördlich anmeldete. Nachdem die Spartaner zuerst nur Freundschaftsspiele ausgetragen hatten, waren sie 1915 in den Spielbetrieb eingestiegen; zunächst im Verband Brandenburger Ballspielvereine, dann in der eng mit der Arbeiterklasse sympathisierenden Märkischen Spieler Vereinigung. 1917 nahmen immerhin 147 dem Arbeiter-Turn-Verein angehörende Mannschaften aus Berlin und dem Umland am Spielbetrieb teil.

Es dauerte nicht lange, dass Sparta eines der besten Fußballteams der Arbeitervereine stellte und den attraktiven Rahmen für den Höhenflug bildete das Lichtenberger Stadion. Es wurde 1920 durch das Arbeiter-Sportkartell eröffnet. Mit 4.000 Steh- und 700 Sitzplätzen sowie einer überdachten Tribüne war es eine moderne Arena, die dem allgemeinen Boom des Fußballsports Rechnung trug. Zu einer aufsehenerregenden Partie kam es dort am 9. September 1923: Die Spartaner traten zum Städtespiel Berlin gegen Moskau an. Das Spiel vor rund 10.000 Zuschauern in der Herzbergstraße verloren die deutschen Genossen klar mit 0:6.

Zu jener Zeit bekamen die Fußballer von Sparta gleich noch neue Sportlerkollegen. 1923/24 wurden die Abteilungen Handball und Hockey gegründet. Zudem bildete sich aus den Spielern der Fußballabteilung eine Schalmeienkapelle, die bei Aufmärschen und Demos unter dem Schutz einer Truppe des Rotfrontkämpferbundes auftrat.

Sammelbecken für Widerstandskämpfer

Die zunehmend radikalisierte politische Situation in der Weimarer Republik spiegelte sich auch im Fußball. 1928 kam es zur Spaltung des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (ATSB) und die kommunistennahen Mitglieder und Vereine schlossen sich in einer "Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit" zusammen. Auch der SC Sparta 1911 wurde Mitglied im "Rotsport" und feierte dort sportliche Erfolge.

1931 schaffte man den Einzug ins Finale um die Deutsche Meisterschaft im Arbeiterfußball. Hätte nicht am selben Tag Tennis Borussia gegen eine Madrider Städteauswahl gespielt, wäre die Begegnung gegen den Dresdner SV 1910 in Gesundbrunnen sogar im Radio übertragen worden. Dass sich die Radioleute gegen die Arbeitermeisterschaft entschieden, nahmen ihnen die Spartaner sehr übel. Ändern konnten sie es nicht. Am Ende verloren sie auch noch das Finale gegen die Sachsen.

Kaum hatte Sparta sein 20-jähriges Vereinsjubiläum gefeiert, war es mit dem stolzen "Marschieren in der revolutionären Front des Weltproletariats" vorbei. Die Nazis verboten als neue Machthaber sämtliche Arbeitervereine. Der fix als Sparta-Nachfolger gegründete SC Empor wurde zum Sammelbecken für viele Kommunisten, darunter die später hingerichteten Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder, Hans Zoschke und Felix Tucholla.

Ein Verein für alle

Als der Sport im Ostteil Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg nach sowjetischem Vorbild umorganisiert wurde, hätte seine kommunistische Vergangenheit dem Verein theoretisch die Aussicht auf eine blühende Zukunft verheißen können. Praktisch brach für ihn eine Ära der sportlichen Bedeutungslosigkeit an. Spitze waren lediglich die nicht weniger als fünf Namenswechsel von 1945 bis 1989. Als BSG Sparta Berlin, mit dem Rundfunk der DDR als Trägerbetrieb, war man immerhin ein Leuchtturm des Ostberliner Breitensports. Ansonsten kickte man sich auf dem Sportplatz Kynaststraße durch die Mühen der Kreisliga-Ebene.

Nach dem Mauerfall sah es als neugegründeter SV Sparta Lichtenberg 1911 zunächst nicht viel besser aus. 1990/91 erfolgte der Abstieg in Kreisliga A, doch schon 1996 gelang der Aufstieg in Bezirksliga. Mittlerweile ist Sparta ein Verein für alle im Kiez, egal ob Arbeiter, Angestellte, Soloselbständige oder ehemalige Flüchtlinge. "Die Sozialstruktur unserer Mitglieder ist querbeet, worauf wir auch stolz sind", sagt Marco Gross, der seit Sommer 2021 im Vorstand arbeitet. Das Hauptproblem des Vereins ist das aller kleinen Vereine: "Wir brauchen Trainer."

Techno-Weltstar ermöglicht Spiel gegen Hansa Rostock

Unabhängig davon sind die Spartaner stolz auf die spezielle Geschichte ihres Vereins, die deshalb zurzeit auch in einer Ausstellung im Museum Lichtenberg gezeigt wird. Dort sieht man unter anderem Fotos vom legendärsten Spiel der Neuzeit: Am 15. Juli 2015 fand auf dem Rummelsburger Sportplatz in der Fischerstraße – wohin man 2007 wegen des Ostkreuz-Umbaus ziehen musste – ein Freundschaftsspiel vor knapp 1.000 Fans gegen die Profi-Mannschaft des FC Hansa Rostock statt.

Die Hanseaten waren aus Dank gekommen, weil Sparta-Mitglied Paul Kalkbrenner zuvor 10.000 Euro für deren Nachwuchs gespendet hatte. Der Techno-Weltstar ist sicher das prominenteste Mitglied der Fußballabteilung, auf die auch deshalb die größte Medienaufmerksamkeit liegt, aber es gibt noch weitere Sportsektionen. Neben Leichtathletik, Volleyball, Tischtennis, Gymnastik und Kegeln auch Tauchsport. Was sie nicht mehr haben, ist eine Schalmeienkapelle.

Die Ausstellung "111 Jahre Sparta – eine Wiege des Arbeitersports" ist im Museum Lichtenberg (Türrschmidtstraße 24) zu sehen. Noch bis 29. Januar 2023.

Sendung: rbb24, 22.11.2022, 18 Uhr

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