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Quelle: imago images/Beautiful Sports

Interview | Bob-Olympiasiegerin Mariama Jamanka

"Bei über 20 Grad im Oktober wird es schwierig, eine Bahn zu vereisen"

Im April verkündete Bob-Olympiasiegerin Mariama Jamanka ihr Karriereende. Vor dem ersten Winter ohne Weltcups spricht die Berlinerin über ihr neues Leben als Studentin und die Probleme für den Wintersport durch den Klimawandel.

Als wir Mariama Jamanka anrufen, hebt sie zunächst nicht ab. Kurze Zeit später der Rückruf - und die Erklärung. Jamanka sitzt in der Bibliothek ihrer Uni. Telefonieren verboten. Denn statt im Bob sitzt die 32-jährige Berlinerin inzwischen über Büchern. Sie legt eine kurze Lernpause ein und blickt zurück auf besondere Momente und auch voraus auf die Zukunft ihrer Sportart.

rbb|24: Im April haben Sie Ihr Karriereende bekanntgegeben, kurz zuvor haben Sie in Peking noch Olympisches Silber gewonnen. War Ihnen schon vor den Spielen klar, dass Sie danach Schluss machen wollen - und warum?

Mariama Jamanka: Tatsächlich war mir das schon Jahre vorher bewusst. Das hätte ich schon 2014 sagen können. Ich wollte einfach selbstbestimmt aufhören und habe diesen Zeitpunkt für mich gewählt: Dann bin ich 32 und einige Jahre mit dabei. Daher war das der optimale Zeitpunkt für mich.

Welchen Moment Ihrer Karriere würden Sie gerne noch einmal erleben?

Da gibt es einige. Ich glaube, jeder Sportler hat unabhängig vom Erfolg tolle Momente, die er oder sie in Erinnerung behält. Klar, der Olympiasieg [2018 in Pyeongchang; Anm. d. Red.] war für uns unfassbar, weil wir überhaupt nicht damit gerechnet haben. Die Saison danach, in der wir mit dem Weltmeistertitel [im kanadischen Whistler; Anm. d. Red.] und dem Gesamtweltcupsieg alles nachgeholt haben. Dieser Moment in Whistler, in dem man nach Ende des Wettkampfs dasteht und einfach Weltmeister geworden ist. Aber auch der letzte Wettkampf. Als ich in Peking [Olympische Spiele 2022; Anm. d. Red.] im letzten Lauf zum Start gegangen bin, war mir klar, dass das der letzte Lauf meiner Karriere sein wird. Das würde ich schon gerne nochmal erleben.

Für den Erfolg mussten Sie auf viele Dinge verzichten. Gibt es etwas, dass Sie besonders vermisst und nun zurückgewonnen haben?

Ja, schon. Die Spontaneität in der Freizeitgestaltung hat mir sehr gefehlt. Dass man einfach mal sagen kann, man fährt ein Wochenende zu Freunden oder unternimmt etwas zusammen. Als Profisportler muss man immer gucken, dass es einem gut geht, man muss die Trainingseinheiten machen können und sich erholen. Das sind Faktoren, die man während des Sports zu schätzen lernt, die am Ende aber auch etwas runterfallen lassen.

Mit dem Bob sind Sie mit mehr als 100 km/h den Eiskanal runtergefahren. Sie fahren auch Motorrad. Brauchen Sie die Geschwindigkeit und den Kick?

Ich weiß nicht. (lacht) Es macht Spaß und ich war schon immer ein Geschwindigkeitsjunkie. Motorradfahren kommt dem natürlich auch entgegen. Ich glaube, das ist tatsächlich eine Berufskrankheit.

Wie sah denn Ihr erster Sommer aus, in dem Sie keine Profisportlerin mehr waren?

Doch sehr anders. Ich habe jetzt gefühlt alle Urlaube, die ich seit 2019 verpasst habe, nachgeholt. Ich konnte auch coronabedingt sehr lange nicht in den Urlaub fahren. Ich habe mir auch wieder eine Wohnung in Berlin gesucht und jetzt mein Studium angefangen und versucht, alles nachzuholen, was die letzten Jahre zu kurz gekommen ist.

Für welchen Studiengang haben Sie sich entschieden?

Ich bin jetzt an der Freien Universität für Psychologie eingeschrieben und ganz fleißig am Studieren. Es ist auf jeden Fall sehr anders. Wir verbringen viel Zeit mit Lernen, da musste ich mich auch erstmal wieder reinfinden. Es ist ein ganz anderer Tagesablauf. Es ist witzig, denn meine ehemaligen Teamkolleginnen sind jetzt alle in Kanada, weil am Wochenende dort in Whistler der Weltcup losgeht. Das sieht man dann auf Instagram und sitzt selbst aber in der Bibliothek und lernt. Aber ich bin zufrieden mit dieser Umstellung. Und es ist natürlich auch schön, wieder zu Hause zu sein, mehr Kontakt zur Familie zu haben. Berlin gibt einem auch so viele Möglichkeiten, das Stadtleben zu genießen. Aber momentan bin ich tatsächlich sehr im Lernstress.

Haben Sie denn schon konkrete Pläne, wie es nach dem Studium weitergehen soll - vielleicht mit ihrem Hintergrund in die Sportpsychologie?

Ich muss mal schauen. Bisher ist das Studium ganz allgemein gehalten. Ich kann mir auch andere Richtungen vorstellen. Aber man hat natürlich Verbindungen in den Sport, die hoffentlich in den nächsten Jahren auch erhalten bleiben. Ich will mir das auch offenhalten. Aber ich würde nicht sagen, dass das mein konkretes Ziel ist.

Mit Ihrem Karriereende ist dem deutschen Bob- und Schlittenverband (BSD) eine erfahrene Pilotin verlorengegangen. Der zweimalige Doppel-Olympiasieger Francesco Friedrich kritisierte zuletzt: "Wir werden immer mehr zum Abfallprodukt anderer Sportarten: Wenn ein Athlet in seiner ursprünglichen Sportart nicht mehr weiterkommt, versucht er sich bei uns, zumeist als Anschieber. Doch es wechseln immer weniger zum Bobsport." Er sieht das Ende des Bobsports nahen.

Ich muss Franz da in gewisser Hinsicht recht geben. Es ist sehr, sehr schade. Ich glaube, der Bobsport hat das Problem, das der Wintersport gerade allgemein hat: Klimawandel, eine extrem schwierige wirtschaftliche und politische Situation - da leidet der Sport allgemein drunter. Unsere Bobfahrer sind schon seit einigen Wochen auf den deutschen Bahnen und es war ein sehr warmer Herbst. Da redet man natürlich heutzutage schnell vom Energiehaushalt. Es ist schwierig für den Sport. Mit den Olympischen Spielen in Peking haben wir politisch und gesellschaftlich auch schwierige Spiele gehabt. Der BSD (Bob- und Schlittenverband für Deutschland) war dort der erfolgreichste internationale Verband überhaupt, wäre als Verband Zweiter im Medaillenspiegel geworden. Und trotzdem steht, was die Unterstützung und Sponsoren angeht, momentan alles ein bisschen auf wackligen Füßen. Das ist extrem schade. Wir würden uns für die Leistung, die wir als Verband aber auch als Sportart gebracht haben mehr Wertschätzung wünschen. Aber ich kenne keine Sportart, die gerade in einer komfortablen Situation ist.

Sie haben es schon angesprochen: In Zeiten der Energiekrise steht auch der Wintersport in der Kritik. Die Kosten für Kunstschnee oder das Vereisen der Bobbahn sind extrem hoch. Was könnte man denn ändern?

Ich liebe meinen Sport und den Wintersport generell und ich finde auch, dass es eine gesellschaftliche Funktion hat und auch wichtig ist, um irgendwo eine Vorbildfunktion zu haben, aber auch, um Leute zu animieren und zu begeistern. Daher sollte das natürlich weiterhin gefördert werden. Konkret müsste man mit dem Kalender anfangen. Wir fangen immer sehr früh im Jahr an, was auch gute Gründe hat - zum Beispiel die Konkurrenz zu anderen Wintersportarten. Aber wenn wir im Oktober über 20 Grad haben, wird es in Mitteleuropa schwierig, eine Bahn zu vereisen. Das müsste angepasst werden.

Ich denke, es muss insgesamt mehr Unterstützung in den Sport fließen. Die Bobbahnen in Deutschland sind eigentlich immer Anlaufpunkt für begeisterte Zuschauer und das sollte auch weiter gefördert werden. Ein Beispiel ist die Bahn am Königssee, die seit zwei Jahren im Kalender fehlt, weil sie noch nicht die Gelder haben, um sie nach der Naturkatastrophe [Hochwasser im Juli 2021, Anm. d. Red.] wieder aufzubauen. Das ist traurig, denn diese Bahn gehört einfach dazu und war auch für die Region immer ein sehr wichtiger Punkt.

Wie ist denn der deutsche Bobsport aus Ihrer Sicht für die Zukunft aufgestellt?

Natürlich haben wir eine sehr starke Frauenmannschaft. Laura Nolte ist Olympiasiegerin geworden, eine weitere deutsche Pilotin ist Vierte geworden. Wir sind für die nächsten Jahre, was die Nachwuchsfahrerinnen angeht, sehr gut aufgestellt. Aber ich glaube, unser Sport leidet auch unter Nachwuchsmangel. Auch da geht es wahrscheinlich wieder allen Sportarten so. Anschieber kommen nun mal hauptsächlich aus der Leichtathletik, weil wir erst in einem relativ späten Alter mit dem Bobfahren anfangen. Wenn da schon kein Nachwuchs kommt, dann kommt der natürlich auch nicht zu uns. Wir haben auch sehr spezielle Anforderungen in unserer Sportart, es kann nicht jeder Bobfahrer werden. Daher sind wir natürlich darauf angewiesen, dass da genug Leute dabei sind, die das gerne tun wollen. Es wird schwieriger.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lisa Surkamp-Erler.

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